Medienspiegel 18. November 2018

+++AARGAU
Bedenken wegen Asyl-Grossunterkunft – Entscheid «nur teilweise nachvollziehbar»
Vor einer Woche hatte es noch danach ausgesehen, als könnte die Gemeinde Küttigen mit einer kantonalen Grossunterkunft für Asylbewerber leben. Jetzt tönt es anders.
https://www.aargauerzeitung.ch/aargau/wyna-suhre/bedenken-wegen-asyl-grossunterkunft-entscheid-nur-teilweise-nachvollziehbar-133727801

+++TESSIN
Bellinzona: Sprüche und kaputte Fenster beim Roten Kreuz
Gemäss den Tessiner Medien kam es beim Sitz des Roten Kreuzes an der via Franscini in Bellinzona während dem ersten Wochenende im November zu Sachbeschädigungen. Alle Fenster wurden eingeschlagen und der Spruch „Stop bunker!“ hinterlassen.
Wir erinnern daran, dass das Rote Kreuz diverse „Aufnahmezentren“ für migrantische Menschen und Asylbewerber*innen verwaltet, darunter der Bunker von Camorino.
https://ausdemherzenderfestung.noblogs.org/post/2018/11/11/bellinzona-sprueche-und-kaputte-fenster-beim-roten-kreuz/

+++SCHWEIZ
NZZ am Sonntag 18.11.2018

Schweiz schafft Tamilen aus trotz Krise in Sri Lanka

Politisch herrscht in Sri Lanka derzeit Chaos. Dennoch hält der Bund an Rückführungen fest. Das provoziert Kritik.

von Andreas Schmid

Am letzten Mittwoch hat das Staatssekretariat für Migration (SEM) einen abgewiesenen tamilischen Asylbewerber nach Sri Lanka zurückführen lassen. In Begleitung von vier Polizisten wurde der Mann, dessen Asylgesuch abgelehnt worden war und der in Ausschaffungshaft gesessen hatte, nach Colombo geflogen, wie ein Vertrauter des Tamilen sagt. Dem Vernehmen nach ist für den 21. November eine weitere Ausweisung geplant.

Dies in einer Zeit, in der in Sri Lanka Chaos herrscht. Just am Mittwoch, am Tag der Rückführung des Tamilen, sprach das Parlament dem neuen Premierminister Mahindra Rajapaksa das Misstrauen aus. Als weitere Episode im Machtkampf um die Vorherrschaft im Land. Seit Wochen drohen innenpolitische Spannungen zu eskalieren.

Das SEM sagt, es verfolge die Ereignisse in Sri Lanka aufmerksam. «Wir sind im engen Austausch mit der Schweizer Botschaft in Colombo», sagt SEM-Sprecherin Emmanuelle Jaquet von Sury. Bisher habe die politische Situation keine Auswirkungen auf Rückführungen abgewiesener Asylbewerber.

Dass zuletzt am Mittwoch eine Ausweisung vollzogen wurde, will das SEM nicht bestätigen. Einzelfälle kommentiere man aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes nicht, begründet Jaquet von Sury. Derzeit hielten sich gut 120 abgewiesene sri-lankische Staatsangehörige in der Schweiz auf.

Die Schweiz schloss mit Sri Lanka 2016 ein Migrationsabkommen und vereinbarte letzten Sommer zusätzlich, eine Migrationspartnerschaft aufzubauen. Laut dem SEM wurde diese Kooperation durch die Unruhen bisher nicht beeinträchtigt.

Dass das SEM in dieser unklaren Lage weiter Ausweisungen vornimmt, ist für die Schweizerische Flüchtlingshilfe unverständlich. «Es wäre angebracht, wenn das SEM abwarten und vorerst keine Zwangsrückführungen nach Sri Lanka vornehmen würde», sagt Adrian Schuster, Länderexperte bei der Organisation.

Heimkehrer könnten gefährdet sein. Das SEM sollte auch die Aufbauarbeiten zur Migrationspartnerschaft sistieren, fordert Schuster. «Wenn sich die Lage verschlechtert, müsste es die Zusammenarbeit sogar beenden.»
(https://nzzas.nzz.ch/schweiz/schweiz-schafft-tamilen-aus-trotz-krise-in-sri-lanka-ld.1437467)

Tiefe politische Krise in Sri Lanka
Die Rückkehr des autoritären Ex-Präsidenten und mutmasslichen Kriegsverbrechers Rajapaksa an die Macht stürzt Sri Lanka in eine tiefe politische Krise. Die SFH beobachtet die Entwicklungen mit Besorgnis.
https://www.fluechtlingshilfe.ch/news/archiv/2018/tiefe-politische-krise-in-sri-lanka.html

+++DEUTSCHLAND
Asylpolitik: Innenministerium weist Bericht über neuen Abschiebeplan zurück
Nächtliche Meldepflicht und Blanko-Tickets für Abschiebeflüge: Das Innenministerium dementiert derartige Pläne. Dennoch soll ein Gesetz Abschiebungen erleichtern.
https://www.zeit.de/politik/deutschland/2018-11/asylpolitik-abschiebungen-massnahmeplan-dementierung-innenministerium
-> http://www.spiegel.de/politik/deutschland/bundesinnenministerium-will-abschiebungen-erleichtern-a-1239056.html#ref=rss
-> https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/seehofer-will-abschiebungen-erleichtern,R9j8ot5
-> https://www.neues-deutschland.de/artikel/1105902.abgelehnte-asylbewerber-innenministerium-weist-bericht-ueber-schnellere-abschiebungen-zurueck.html

+++MITTELMEER
Vor Sardinien mindestens eine Schiffskatastrophe
Vor der Küste Sardiniens wurden drei algerische Harragas gerettet, zwei Ertrunkene wurden geborgen, 10 sind vermisst. Überlebende berichten, dass drei Flüchtlingsboote gemeinsam aufgebrochen sind. Eines sei zurückgekehrt, ein Weiteres werde gesucht. Ob es sich dabei um das untergegangene Boot handelt, ist nicht klar. Die algerischen Harragas, die in Sardinien ankommen, starten in der Region Annaba im Osten Algeriens.
https://ffm-online.org/vor-sardinien-mindestens-eine-schiffskatastrophe/

+++EUROPA
EU/Niger: Flüchtlingsabkommen in der Kritik
Fernsehberichte ließen Ende 2017 keinen Zweifel: In libyschen Flüchtlingslagern werden Migranten gefoltert und versklavt.
https://www.daserste.de/information/politik-weltgeschehen/europamagazin/sendung/eu-niger-fluechtlingsabkommen-100.html

+++FLUCHT
ARD-Serie zu Migration Flucht – die globale Herausforderung
Die Zahl der Flüchtlinge wird in den nächsten Jahrzehnten dramatisch zunehmen. International sind deshalb langfristige Konzepte nötig. Auch die Zivilgesellschaft ist gefordert.
https://www.tagesschau.de/inland/flucht-global-101.html
-> http://reportage.daserste.de/flucht-2198983b-3417-4bb6-a075-08f13b45b304#181628

Webdokumentation: Flucht, Migration, Vertreibung
Krieg, Armut, Klimakatastrophen oder Diktatur – die Ursachen für Flucht sind vielfältig. Die Betroffenen handeln häufig aus Verzweiflung und und riskieren oft ihr Leben. Eine Webdokumentation.
http://reportage.daserste.de/flucht-2198983b-3417-4bb6-a075-08f13b45b304#181628

+++JENISCHE/SINTI/ROMA
«Wir duschen und benutzen Zahnbürsten»: Sinti und ihr Kampf gegen Vorurteile – ein Besuch in Wil
Mit einer Wanderausstellung über ihre Geschichte und Kultur wollen die Sinti sichtbarer werden. Doch der Kampf um mehr Anerkennung und Akzeptanz ist noch lange nicht ausgestanden, wie ein Besuch auf dem Platz in Wil zeigt.
https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/wir-duschen-und-benutzen-zahnbuersten-sinti-und-ihr-kampf-gegen-vorurteile-ein-besuch-in-wil-ld.1070903

Es besteht noch Diskussionsbedarf
Herzogenbuchsee – Das Interesse am Infoabend zum Durchgangsplatz für die Fahrenden im Waldäcker war gering.Kritik gabs trotzdem.
https://www.bernerzeitung.ch/region/oberaargau/es-besteht-noch-diskussionsbedarf/story/15425848

+++GASSE
Basel: Gratis Schuhe für Obdachlose
Für viele Obdachlose hat der Kampf gegen die Kälte begonnen. Eine Schuhfabrik will helfen und gibt gratis Schuhe an das Tageshaus für Obdachlose.
https://telebasel.ch/2018/11/18/gratis-schuhe-fuer-obdachlose/?utm_source=lead&utm_medium=carousel&utm_campaign=pos%205

+++DROGENPOLITIK
Sonntagszeitung 18.11.2018

Entwurmungsmittel im Kokain schlägt aufs Gehirn

Auch in der Schweiz verkaufte Drogen wurden mit Tiermedikamenten gestreckt – mit gravierenden Folgen für die Konsumenten.

Barbara Reye

Es ist nicht nur der Topmanager, der kurz vor einer Präsentation kokst, um das Gefühl zu bekommen, alles meistern zu können und vor Selbstbewusstsein zu strotzen. In der Schweiz ist die euphorisierende Droge weitverbreitet – von der Studentin über den Handwerker, der Künstlerin bis hin zum Banker.

Kokain ist nach Cannabis die am zweithäufigsten konsumierte illegale Droge in Europa. Am ­Wochenende ist Zürich im Vergleich zu rund 60 anderen europäischen Städten, darunter auch Berlin, Brüssel oder Amsterdam, die Kokainhochburg. Das ergab eine Auswertung der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EMCDDA) anhand von Abwasseranalysen aus dem Jahr 2017. Beim Wochenkonsum befindet sich Zürich auf Platz zwei, unmittelbar hinter Barcelona. Auch St. Gallen, Genf, Basel und Bern gehören beim Kokainkonsum zu den Top-Ten-Städten in Europa.

In der Schweiz kostet ein Gramm der «Ego-Droge» rund 100 Franken. Das verkaufte Koks ist aber oft nicht rein. Viele Dealer strecken das weisse Kokainhydrochlorid mit pharmakologisch wirksamen Substanzen wie etwa dem fiebersenkenden Schmerzmittel Phenacetin. Weltweit kommt derzeit jedoch am häufigsten das in der Veterinärmedizin angewendete Entwurmungsmittel Levamisol zum Einsatz. Dies hat gravierende Folgen für das Gehirn, wie Boris Quednow von der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich gemeinsam mit Matthias Vonmoos und weiteren Kollegen in einer vor kurzem veröffentlichten Studie in der Fachzeitschrift «Translational Psychiatry» zeigte.

Wesentlich dünnere Rinde des mittleren Stirnhirns

Die 75 Kokain-User, die von 2010 bis 2012 an einer Studie teilgenommen hatten, snifften damals im Schnitt zweimal in der Woche insgesamt rund 3,5 Gramm. Das Institut für Rechtsmedizin der Universität Zürich analysierte die Haarproben der Teilnehmer und stellte fest, dass neben Kokain in den meisten Fällen auch noch ­Levamisol auftauchte. «Dies verschlechterte die kognitive Leistung zusätzlich zu den schon bekannten negativen ­Effekten des Kokains», sagt der Pharmako­psychologe Quednow.

Generell funktionieren bei Koksern das Arbeitsgedächtnis und die Konzentration schlechter als bei Nichtkonsumenten. Auffällig war nun aber, dass diejenigen mit hohen Levamisolwerten auch stär­kere Probleme mit dem Langzeitgedächtnis sowie der kognitiven Flexibilität hatten. So waren sie während der Darbietung abwechselnder geometrischer Figuren auf einem Bildschirm weniger in der Lage, ihre Reaktion auf immer wieder einsetzende Regeländerungen anzupassen.

Bereits 2012 fand die Neurowissenschaftlerin Karen Ersche von der University of Cambridge heraus, dass regelmässiger Kokainkonsum das Gehirn vorzeitig altern lässt, da die graue Masse schneller schrumpft. Um festzustellen, ob das Streckmittel aus der Tiermedizin die Hirnanatomie ebenfalls verändert, schoben die Zürcher Forscher in einem zweiten Experiment 29 Kokainkonsumenten mit tiefer oder hoher Levamisolbelastung sowie 38 gesunde Personen aus der Kontrollgruppe in einen Magnetresonanztomografen. Das Resultat: Die Hirn­rinde des mittleren Stirnhirns war bei einer hohen Konzentration von Levamisol nochmals wesentlich dünner – eine Region, die mit kog­nitiver Flexibilität in Verbindung gebracht wird.

Schon bald nach dem High ins seelische Tief

Das schädliche Streckmittel kam in der Schweiz im Jahr 2010 bei knapp zwei Dritteln aller Kokainproben vor, die von den mobilen Drug-Checking-Labors in Bern, Zürich und Basel untersucht worden waren. Momentan scheint das Koks auf der Strasse wieder etwas reiner geworden zu sein: Das Drogeninformationszentrum (DIZ) der Stadt Zürich entdeckte Levamisol im vergangenen Jahr nur noch bei einem Drittel der insgesamt 93, an diversen Partys getesteten Proben.

Dennoch ist Vorsicht geboten: Auch der schwankende Kokain­gehalt stellt ein oft unterschätztes Konsumrisiko dar, warnt das DIZ. Denn hoch dosiertes Kokain kann unter gewissen Umständen und körperlichen Voraussetzungen einen Herz- oder Hirninfarkt auslösen. Eine Gefahr sieht Quednow zudem bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen, da ihr Gehirn noch nicht ausgereift sei und es deshalb zu dauerhaften Beeinträchtigungen kommen könne. In einer seiner vorherigen Studien hatten mehr als ein Viertel der Betroffenen schon mit 18 oder früher mit dem Koksen angefangen.

Der Göttinger Chemiker Albert Niemann hatte 1860 den Wirkstoff aus Kokablättern isoliert und berichtete über die charakteristische lokalanästhetische Wirkung auf Zunge und Mundschleimhaut. Zuerst war die Substanz ein Arzneimittel, bevor es als Droge entdeckt und in den USA bereits 1922 verboten wurde. Der Stoff, der geschnupft, geraucht oder gespritzt werden kann, flutet das Hirn und hemmt dort die Wiederaufnahme der Botenstoffe Dopamin, Noradrenalin und Serotonin. «Die Wirkung lässt schon nach weniger als einer Stunde nach, und so mancher Konsument stürzt im Anschluss in ein seelisches Tief», sagt Quednow.

Viele ziehen ein paar Linien nicht zur Leistungssteigerung im Beruf, sondern in der Freizeit. Etwa am Freitagabend, wenn sie platt sind von der harten Arbeitssituation. «Kokain putzt dann nochmals die Synapsen durch, sodass die Konsumenten wieder da sind und am Nachtleben teilnehmen können», sagt Quednow. Das sei eine bedenkliche Entwicklung, da das Risiko, bei regelmässigem Konsum eine Abhängigkeit zu entwickeln, höher sei als bei Alkohol und Cannabis.
(https://www.tagesanzeiger.ch/sonntagszeitung/nasenstueber-fuer-kokser/story/18052028)

+++ANTIFA
Der holprige Weg zum schweizerischen Sprachenfrieden
Der «Grosse Krieg» hat auch die Schweiz tiefgreifend verändert. Zwar waren die Beziehungen zwischen der Deutschschweiz und der Romandie am Ende des Kriegs besser als zu Beginn. Aber dauerhaft entspannt waren sie auch dann nicht.
„Zu den Germanophilen gehörten auch der Spitalpfarrer Eduard Blocher (Grossvater von Christoph Blocher) und viele Mitglieder des von ihm präsidierten Deutschschweizer Sprachvereins. 1915 zählte Blocher auch zu den Gründern der «Stimmen im Sturm», einer Propagandastelle für die deutsche Sache. In deren Publikationsorgan wurde gegen die «Welschvölker» und gegen den «romanisch-semitischen Geist» polemisiert, der immer auf Ausbeutung bedacht sei. Auch die Romands bekamen ihr Fett ab: «Die Welschen sind im besten Fall historische Gäste auf dem Territorium der Schweiz.»“
https://www.nzz.ch/schweiz/der-holprige-weg-zum-schweizerischen-sprachenfrieden-ld.1437249

+++SOZIALES
NZZ am Sonntag 18.11.2018

Goldgrube Altersheim: Wie internationale Konzerne mit Betagten Geld verdienen

Die Pflege alter Menschen war ein schlechtes Geschäft. Dann haben Konzerne den Markt entdeckt. Sie machen viel Geld und expandieren schnell – auch in die Schweiz. Den Preis zahlen andere.

von Michael Furger und Anja Burri

Es ist kein angenehmer Gedanke, aber stellen Sie sich einen Moment vor, Sie wären 85 Jahre alt. Das Leben ist anstrengend geworden, der Körper schmerzt, das Gehen bereitet Mühe, Ihre Gesundheit ist fragil. Für Ihre Angehörigen sind Sie zu einer Belastung geworden. Sie brauchen Hilfe, vielleicht sogar Pflege.

Dieser Zeitpunkt liegt vielleicht noch ein gutes Stück in der Zukunft, aber er wird kommen. Was also wäre in diesem Moment wichtig? Wem wollen Sie sich in Ihrem letzten Lebensabschnitt anvertrauen? Liebevollen Pflegerinnen und Pflegern, die Zeit haben für Sie? Die Ihr Wohl über alles stellen? Vielleicht in einem Heim, das es ausschliesslich seinen Bewohnern recht machen will – und nicht auch noch ein paar ausländischen Beteiligungsgesellschaften.

Es wäre besser, Sie lösten sich von dieser Idealvorstellung, noch bevor Sie pflegebedürftig werden. Die Altenpflege ist gerade dabei, zu einem riesigen Zukunftsmarkt zu werden. Jeder 18. Europäer ist heute über 80 Jahre alt. In rund 30 Jahren wird es jeder neunte sein. Das wären rund 60 Millionen Hochbetagte in Europa, über eine Million von ihnen in der Schweiz. Für diese Menschen braucht es ein Angebot – in einem Heim, in einer Alterswohnung oder durch die Spitex.

Doch die öffentliche Hand, die bisher dafür gesorgt hat, verabschiedet sich schleichend. Gemeinden, aber auch Stiftungen und Heimvereine suchen Käufer oder Betreiber für ihre Altersheime, weil die Kosten aus dem Ruder laufen oder Investitionen anstehen, die man sich nicht leisten kann.

An ihre Stelle treten kapitalkräftige Privatunternehmen; das Tertianum in Zürich etwa, das dem grössten Immobilienunternehmen der Schweiz gehört. Oder grosse internationale Konzerne mit Hunderten von Heimen und Zehntausenden von Pflegeplätzen und Angestellten.

Der grösste heisst Orpea, ein Gigant mit Sitz in Paris. Er gehört unter anderem einer belgischen Beteiligungsgesellschaft, einer französischen Industriellenfamilie und einer kanadischen Pensionskasse.

Orpea ist auch in der Schweiz tätig und wächst rasant. Die Firma steht für einen Trend, der unumkehrbar ist. Die Zahl der Heimplätze, die von lokalen Vereinen bewirtschaftet werden, ist in den letzten fünf Jahren gesunken. Die Zahl der Plätze, die Aktiengesellschaften gehören, ist hingegen stark gestiegen. Jeder sechste Platz ist heute im Besitz einer AG.

Will man also wissen, wie es aussieht, wenn eine Gesellschaft die Grundversorgung ihrer älteren Generationen an gewinnorientierte Unternehmen auslagert, dann muss man sich Orpea anschauen.

Aggressiver Expansionskurs

Die Firma hat in den letzten zehn Jahren etwas erreicht, was in diesem Geschäft kaum jemand für möglich gehalten hat: Geld verdienen mit Langzeitpflege? Zu knapp sind die Finanzen, zu hoch die Kosten, zu streng die Auflagen.

Für Orpea offenbar nicht. Ihr Umsatz hat sich verfünffacht, der Aktienkurs vervierfacht, die Dividende verelffacht. Im neusten Investorenbericht kennen sämtliche Kurven nur eine Richtung: steil nach oben. Und das in einem Markt, der als ähnlich lukrativ gilt wie ein Handel mit Schneekanonen am Nordpol. Wie schafft sie das nur?

Als die Firma des französischen Psychiaters Jean-Claude Marian vor 16 Jahren an die Börse ging, begann sie, systematisch Altersheime und Kliniken in ganz Europa aufzukaufen, zuerst gemächlich, dann zunehmend aggressiv. 2014 schluckte sie die Schweizer Heimgruppe Senevita und eine Gruppe mit 61 Heimen in Deutschland. Darauf folgten weitere Unternehmen in Deutschland, Österreich, Tschechien, Polen und anderen Ländern bis nach Asien und Südamerika.

Allein im letzten Jahr kaufte der Konzern in acht Ländern 40 Heime mit über 4300 Betten. Doch während der Konzern grösser wurde, sich mehr Firmen einverleibte und selbst neue Häuser baute, kam es zu bemerkenswerten Vorfällen.

In Deutschland zum Beispiel ist diesen Sommer an einer Orpea-Klinik im Bundesland Thüringen die Lage eskaliert. Über Monate verlangten die Mitarbeitenden eine Erhöhung ihrer Löhne. Es kam zu Streiks. Die Klinikleitung entliess darauf zwei Physiotherapeutinnen fristlos, weil sie Flyer in der Klinik verteilt hatten. Vor vier Wochen erklärte das zuständige Arbeitsgericht die Kündigung für unrechtmässig. Die Klinikleitung bleibt bei ihrem harten Kurs.

Spione bei der Gewerkschaft

In Frankreich berichteten 2014 verschiedene Medien, darunter die Nachrichtenagentur AFP und das französische Fernsehen, von drei verdächtigen Mitarbeitern, die in Zweigstellen der Orpea angestellt waren. Sie nannten sich Bastien, Fabien und Guillaume und arbeiteten dort seit zwei Jahren als Sanitäter oder Putzkraft.

Doch die drei, so behauptete die Gewerkschaft, hätten einen ganz anderen Job gehabt: Es seien Spitzel, bezahlt von Orpea, mit dem Auftrag, die anderen Mitarbeiter und die Mitglieder der Gewerkschaft auszuhorchen. CGT gilt als besonders linke und kämpferische Gewerkschaft.

Als die Spione aufflogen, bot Orpea der CGT angeblich ein Schweigegeld. Der Fall wurde nie geklärt. Orpea-Generalsekretär Steve Grobet bestreitet die Anschuldigungen gegenüber der «NZZ am Sonntag». CGT hält daran fest. Eine juristische Untersuchung wurde eingestellt, laut CGT wegen Verjährung.

Parallel dazu kam es in Frankreich zu Streiks wegen Kostensenkungsmassnahmen und schlechten Arbeitsbedingungen. Pflegeangestellte warfen der Leitung ihres Heims Erniedrigungen und Drohungen vor, in anderen Heimen ging es um fehlendes Pflegepersonal. In Spanien kritisieren die Gewerkschaften, die Orpea-Heime hielten sich nicht an gesetzliche Arbeitszeiten und Tarifverträge.

«Es gibt für eine Firma wie Orpea nur einen Weg, Profit zu machen», sagt die Wirtschaftswissenschafterin Jane Lethbridge: «Die Personalkosten senken und den Service für die Bewohner reduzieren.»

Lethbridge ist Direktorin einer Forschungsgruppe an der Universität Greenwich, einer der grössten Hochschulen Englands. Sie und ihr Forschungsteam haben sich auf den öffentlichen Dienstleistungssektor spezialisiert und im Auftrag der EU-Kommission und des europäischen Gewerkschaftsbundes die Strategie von Orpea und die Arbeitsbedingungen der Firma untersucht, unter anderem mit einer Befragung von Angestellten in fünf Ländern. Ihr Befund:

Personalnotstand: «Beinahe jeder Befragte kritisierte, dass für die vorhandene Arbeit zu wenig Pfleger zur Verfügung stünden», sagt Lethbridge. Ausfälle durch Krankheit oder Ferien müssten vom übrigen Personal kompensiert werden, ohnedass diese Überstunden angerechnet werden könnten. «Es herrscht», sagt die britische Forscherin, «ein konstanter Druck aufs Personal.»

Löhne: Um Lohnkosten zu sparen, beschäftige Orpea möglichst viele Temporärarbeiter mit tiefen Löhnen. In Polen sind laut der Untersuchung fast 60 Prozent der Orpea-Angestellten temporär angestellt, in Deutschland ist es jeder vierte, in der Schweiz jeder achte. Diese Personalpolitik gehe auf Kosten der Pflegequalität, sagt Lethbridge.

Sparmassnahmen: Mitarbeiter würden gezwungen, das Geld für Mahlzeiten zu kürzen und die Zeit mit den Bewohnern zu reduzieren. Die «NZZ am Sonntag» hat Einblick in interne Dokumente von Küchen in französischen Orpea-Heimen erhalten: Abrechnungen von Küchenchefs und Tabellen, die den Köchen aufs Gramm genau vorschreiben, wieviel Fleisch oder Gemüse sie den Bewohnern vorsetzen sollen.

Die Abrechnung des Küchenchefs eines Heims in der Region Auvergne-Rhones-Alpes vom Juli 2016 zeigt das Lebensmittelbudget pro Person und Tag: 4 Euro 22 Cents – für Frühstück, Mittagessen und Nachtessen.

Luc Jean, der eigentlich anders heisst und als Koch in einem französischen Orpea-Altersheim arbeitet, sagt: «Das Angebot an Lebensmitteln ist beschränkt durch die Auswahl von fixen Lieferanten und die Ausgabelimite. Ich kann fast nur Tiefkühlprodukte einkaufen.» Halte man als Koch das Budget nicht ein, werde man von den Vorgesetzten ermahnt.

Orpea-Generalsekretär Steve Grobet erklärt, diese Budget-Beträge gebe es zwar, sie seien aber nicht aussagekräftig: «Um die Vollkosten der Mahlzeiten zu erhalten, müssen auch das Küchenpersonal, Infrastruktur oder Energiekosten miteinberechnet werden. Zudem legen wir besonderen Wert darauf, mit frischen Produkten zu arbeiten.»

In Steve Grobets Rechnung kosten die drei Mahlzeiten in einer französischen Einrichtung daher 16 Euro. «Die Ernährung hat bei uns oberste Priorität», sagt er.

Die Wirtschaftswissenschafterin Jane Lethbridge sieht das anders. Ebenso alles andere, was die Orpea-Führung in ihren Broschüren verspricht. «Die Entwicklung eines professionellen Personalmanagements, eine gute Beziehung zu den Gewerkschaften und eine offene Informationskultur wachsen bei Orpea offenbar nicht im gleichen Tempo wie der Umsatz und der Aktienkurs.»

Wenn man aber den obersten Orpea-Vertreter in der Schweiz fragt, was er vom Management seiner Firma halte, dann sagt er etwas anderes. Hannes Wittwer, CEO der Altersheim-Kette Senevita, sitzt in einem modernen Glasgebäude in Muri bei Bern.

Senevita wurde vor vier Jahren von Orpea gekauft. Seither ist die Zahl der Heime um 40 Prozent gewachsen, auf gegenwärtig 28. Mindestens 6 weitere sind im Bau oder in Planung. Damit expandiert der Schweizer Ableger im gleich hohen Takt wie der gesamte Konzern.

Wittwer spricht von einem erfahrenen Management in Paris mit einer überlegten langfristigen Planung, von Qualitätssicherung und Personalförderung, die natürlich auch für die Schweiz gelte.

Mobbing und Kündigungen

Die «NZZ am Sonntag» hat mit Fachleuten, Angehörigen, derzeitigen und ehemaligen Pflegekräften aus sieben Senevita-Heimen gesprochen. Das Fazit: Es gibt ausgezeichnete Senevita-Institutionen mit zufriedenen Bewohnern und Angestellten.

Doch es gibt auch die anderen, von denen Angestellte und Angehörige wie in den anderen Ländern von Führungsproblemen und permanentem Spardruck berichten, von Mobbing, häufig krankgeschriebenem Personal und Kündigungen.

Marie Schmid, diplomierte Pflegefachfrau, heisst wie alle an dieser Stelle erwähnten Personen eigentlich anders. Sie hat ein gutes Jahr für ein Senevita-Heim in der Nordwestschweiz gearbeitet. Schmid sagt, auf dem Papier habe Senevita die Vorschriften der Behörden zur Mindestanzahl von Pflegekräften eingehalten.

Doch in ihrem Heim seien so viele Mitarbeitende immer wieder kurzfristig krankgeschrieben worden, dass es oft nicht gelungen sei, Ersatz zu finden. «Ich musste regelmässig allein 26 Bewohner auf zwei verschiedenen Stockwerken ins Bett begleiten und gleichzeitig die Pensionäre der angegliederten Alterswohnungen betreuen. Das Schlimmste war, dass ich den Bewohnern nicht gerecht werden konnte.»

Sonja Ehrensperger, diplomierte Pflegefachfrau, arbeitete in einem Spital, bevor sie zu Senevita kam. Sie blieb knapp ein Jahr in einem Pflegeheim in der Nordwestschweiz. «Es gab kaum einen Tag, an dem alle Pflegekräfte tatsächlich arbeiteten, die im Arbeitsplan eingetragen waren. So kam es regelmässig vor, dass ich um zehn vor sieben morgens die Schicht begann und das Heim erst um 23 Uhr wieder verliess.»

In einem anderen Kanton haben Angestellte, ehemalige Mitarbeiter und Bewohner eines Senevita-Pflegeheimes im vergangenen August eine Beschwerde an die kantonale Aufsicht geschrieben. Ein Auszug aus diesem Schreiben: «Insgesamt ist im Senevita-Heim (…) viel zu wenig und viel zu wenig qualifiziertes Personal angestellt. Die Stimmung ist diesbezüglich schlecht, aufgrund hoher Arbeitsbelastung und fachlicher Überforderung, schlechter Kommunikation und der daraus resultierenden schlechten Pflegequalität.»

Céline Kündig wehrte sich gegen Missstände in einem Heim in Grossraum Bern und wurde entlassen. «Das Essen war qualitativ sehr gut. Doch während die Bewohner der Alterswohnungen chic im Senevita-Restaurant speisen konnten, kriegten wir für die Pflegeabteilung aus derselben Küche so knapp bemessene Portionen, dass wir die Kartoffeln, das Gemüse oder das Fleisch jeweils abzählen mussten. Ich beschwerte mich bei meinem Vorgesetzten. Doch das brachte nichts.»

Wenn man Senevita-Chef Hannes Wittwer von diesen Berichten erzählt und nach den Gründen fragt für die Personalfluktuation von 20 Prozent, dann sagt er, er sei vielen dieser Vorwürfe nachgegangen und habe festgestellt, dass sie zum Teil unfundiert seien.

Der Standardvorwurf, Senevita habe zu wenig Personal, sei einfache Polemik. «Wir unterstehen dem Pflegegesetz und werden von den Kantonen laufend kontrolliert.» An einzelnen Tagen könne es aber durchaus zu Stresssituationen kommen. Sparmassnahmen beim Essen gebe es nicht. Die Bewohner bewerteten die Verpflegung als gut. «Wir sind stolz auf unser Gastronomie-Angebot.»

Wittwer hat Senevita durch die letzten Jahre des Wachstums geführt. Die Probleme beträfen einzelne Standorte, vor allem nach Übernahmen oder Neueröffnungen, sagt er. Die Zufriedenheit der Mitarbeiter bewege sich auf einem seit mehreren Jahren stabilen, hohen Niveau. «Es gibt», sagt Wittwer «in der Pflegebranche aber tatsächlich zu wenig geeignete Führungspersonen.» Das sei aber kein spezifisches Senevita-Problem, sondern betreffe auch andere Anbieter.

Fragt man Hannes Wittwer schliesslich, weshalb Senevita laufend neue Heime eröffne, wenn doch zu wenig fähiges Führungspersonal für diese Heime verfügbar sei, antwortet er: «Wir orientieren uns am steigenden Bedarf der alternden Gesellschaft und an den Nachfragen von Gemeinden oder Stiftungen, die einen professionellen Partner suchen.»

Man könne doch angesichts der Überalterung der Gesellschaft nicht einfach aufhören, neue Pflegeplätze anzubieten, nur weil es zu wenig gute Führungspersonen gebe.

Schlechte Zustände, das ist unbestritten, gibt es nicht nur in Senevita-Heimen, sondern auch in solchen von Gemeinden, Vereinen oder Stiftungen. Mit Kostendruck und einem Mangel an gut qualifiziertem Personal haben alle zu kämpfen.

Aber die öffentlichen Heime haben im Unterschied zu den privaten keine Investoren, die eine Gewinnausschüttung erwarten. 71 Millionen Euro Dividenden hat Orpea letztes Jahr seinen Aktionären ausbezahlt. Oder anders gesagt: Für jedes Pflegebett im Orpea-Imperium, ob gut oder schlecht betreut, wurden 950 Euro ausgeschüttet.

Der Druck nach Rendite lastet übrigens nicht nur auf Orpea, sondern auch auf dem zweiten internationalen Konzern im Pflege-Markt. Er heisst Korian, ist auch eine französische Aktiengesellschaft. Die Kurven in seinen Investorenberichten zeigen ebenso steil nach oben wie bei Orpea, die Zahl der übernommenen Heime steigt Jahr für Jahr.

Und auch die Meldungen über Arbeitskämpfe häufen sich. Korian hat keine Heime in der Schweiz, aber in vier europäischen Ländern. Er war bis letztes Jahr die Nummer eins auf dem Kontinent. Dann hat Orpea ihn überholt.

Firmen wie diese möchten zu globalen Konzernen wachsen. Dies zumindest sagt Steve Grobet, der Generalsekretär von Orpea, am Telefon. Die Manager in Paris haben ausgerechnet, wo es sich besonders gut Geld verdienen lässt: beim Mittelstand, in den Ballungszentren grosser Städte, wo der Wohlstand der Menschen wächst und die Zeit für die Betreuung von Senioren sinkt. «An den besten Orten der Welt» wolle man präsent sein, dort, wo die meisten Menschen mit Kaufkraft lebten.

Altersheime auf dem Land, wo die Betagten bei Vogelgezwitscher durch lauschige Pärke spazieren, ist für Orpea ein Konzept von gestern. Das Konzept von heute sind Heime mit angegliederten Alterswohnungen. Wenn die Senioren noch fit und aktiv sind, beziehen sie ein Apartment, parkieren ihr Auto in der Tiefgarage und nehmen nur wenige Dienstleistungen in Anspruch.

Mit zunehmendem Alter der Bewohner übernimmt das Heim immer mehr, bald kommt die interne Spitex regelmässig vorbei, bis die Betagten schliesslich derart pflegebedürftig sind, dass sie ins Heim wechseln müssen.

Die Vermietung von gediegenen Wohnungen samt dem Verkauf von Dienstleistungen, kombiniert mit möglichst tiefen Kosten in der von der Allgemeinheit mitfinanzierten Pflege – das ist das grosse Geschäft. Mindestens 50 Prozent des Umsatzes machen Senevita und der Mutterkonzern mit Dienstleistungen ausserhalb des Pflegebereichs.
Konkurrenz in den Gemeinden

So expandiert Orpea in der Schweiz weiter. Dort, wo man in der gläsernen Senevita-Zentrale in Muri einen Bedarf festgestellt oder einen Hilferuf eines Heimvereins oder einer Gemeinde empfangen hat – sei es in Hägglingen im Aargau, in Zollikofen bei Bern oder in Erlenbach am Zürichsee.

Und manchmal auch an Orten, an denen die Menschen nicht auf die Firma gewartet haben. Max Walter, Gemeindepräsident in Regensdorf im Kanton Zürich, ist einer von ihnen. Wenn es so läuft, wie Senevita es will, schaut Walter künftig bei jedem Kaffee, den er auf dem Balkon des Gemeindehauses trinkt, an die Fassade von rund 90 Alterswohnungen und 40 Pflegezimmern. Das Baugesuch ist eingereicht.

Doch Regensdorf hat gemeinsam mit Nachbargemeinden schon vor Jahren den künftigen Bedarf an Pflegeplätzen errechnet und ein grosses, öffentlichrechtliches Gesundheitszentrum in der Nachbargemeinde Dielsdorf gebaut. 22 Gemeinden beteiligten sich an dem 38-Millionen-Bau mit Alterswohnungen und Pflegeplätzen. Vor einem Jahr wurde er eröffnet.

Walter ist Präsident der Betriebskommission. Für ihn war alles in bester Ordnung – bis Senevita kam. «Die Firma will hier etwas anbieten, das niemand braucht», sagt er. Der Bedarf an Pflegeplätzen sei mit dem neuen Gesundheitszentrum und dem Altersheim in Regensdorf gesichert. Wenn nun Senevita hier baue, stünden in allen Häusern Zimmer leer.

Weil die Firma in Regensdorf auch noch 95 Alterswohnungen bauen will, befürchtet Walter eine «künstliche Überalterung». Ihn schmerzt das vor allem finanziell: Denn Regensdorf muss in diesem Fall Ergänzungsleistungen für diese Bewohner bezahlen.

In der Nachbargemeinde Buchs hingegen ist Senevita willkommen. Buchs hat sich zwar auch am Zentrum in Dielsdorf beteiligt, doch die Firma bot der Gemeinde ein eigenes Altersheim und vor allem günstigere Tarife an. Senevita sagt, es bestehe in dieser Region weiterhin ein Bedarf. Konkurrenz belebe das Geschäft und fördere die Qualität.

Bedarf besteht immer für einen Konzern wie Orpea. In China entsteht gerade ein riesiger Markt. Orpea hat dort als erste ausländische Firma ein Altersheim eröffnet. In Lateinamerika stellte die Firma eine Unterversorgung fest. Bereits 13 Heime tragen dort das Orpea-Signet.

Auch in Europa gibt es noch Potenzial: Erst 15 Prozent des Pflegesektors sind in der Hand von Privatfirmen. «Dieses Geschäft hat gute Jahre vor sich», sagt Lorenzo Biasio. Er ist Analyst der Credit Suisse für den Gesundheitsbereich und hat sich intensiv mit Orpea beschäftigt. Es gebe viel Potenzial, um organisch zu wachsen und um öffentliche Anbieter zu übernehmen.

Wichtig sei nur eines, sagt Lorenzo Biasio: «Orpea muss im gleichen Tempo Firmen kaufen wie bis anhin.»
(https://nzzas.nzz.ch/hintergrund/goldgrube-altersheim-wie-internationale-konzerne-mit-betagten-geld-verdienen-ld.1437465)