Medienspiegel 4. November 2018

+++BERN
derbund.ch 04.11.2018

Abstimmung ohne Wirkung

Auch ein Nein an der Urne könne den Kredit für minderjährige Asylsuchende nicht abschaffen, sagt Regierungsrat Philippe Müller. Ist das Referendum nur Symbolpolitik?

Noah Fend

«Egal, wie das Referendum dann ausfällt, es bringt relativ wenig.» Das sagte Regierungsrat Philippe Müller (FDP) gestern an einer Medienkonferenz zum Asylkredit, über den das Volk im Kanton Bern am 25. November abstimmt. Das lässt aufhorchen. Ist die Abstimmung über den Kredit zur Unterbringung und Betreuung unbegleiteter minderjähriger Asylsuchender (UMA) also faktisch ein Leerlauf?

«Im Prinzip ist das so. Das Referendum der SVP gegen diesen Kredit war keine gute Idee», sagt Müller. Zwar verstehe er das Grundanliegen einer Begrenzung der Zuwanderung und eines effizienten Einsatzes von Steuergeldern. «Doch das Referendum setzt am falschen Ort an.» Nicht nur, weil es die Jungen treffe, die noch «zu Schweizern gemacht werden können». Auch, weil der nationale Verteilschlüssel die Asylsuchenden auf die Kantone verteilt. Die Höhe des Asylkredits ändert damit nichts an der Anzahl Flüchtlinge im Kanton Bern. Vor allem aber sei der spezielle Schutz von Kindern in der Verfassung vorgeschrieben. Auch bei einem Nein am 25. November werde sich also wenig ändern.

Bereits im Mai 2017 wurde – schon damals nach einem SVP-Referendum – ein entsprechender Kredit abgelehnt. Nach dem klaren Votum wurde dieser aber nicht abgeschafft, sondern überarbeitet. Die Tagespauschalen wurden von 171 auf 140 Franken pro Person und Tag für unter 17-Jährige und auf 80 Franken für 17-Jährige gesenkt. Damit budgetiert der Kanton bis 2020 erneut 38 Millionen Franken für die Betreuung und Unterbringung minderjähriger Asylsuchender. Abgeschafft, wie es das Referendumskomitee fordert, wird der Kredit bei einem neuerlichen Nein am 25. November aber noch immer nicht. In diesem Fall müsste man «unter Zeitdruck neue Konzepte erarbeiten und Verhandlungen führen», sagt Müller.

«Reines Politmarketing»

Ist die Abstimmung am 25. November also reine Symbolpolitik? Ja, findet SP-Grossrätin Mirjam Veglio. «Das ist reines Politmarketing und Symbolpolitik auf dem Buckel von minderjährigen Asylsuchenden.» Das findet sie «bemühend». Umso mehr, als sich «rein sachlich gesehen durch das Referendum nichts ändern wird».

«Das ist Hafenkäse», sagt hingegen Thomas Knutti, SVP-Grossrat und Mitglied des Referendumskomitees. «Es steht nirgends in der Verfassung, dass der Kanton die Kinder mit so viel Geld finanzieren muss.» Er erachtet den Schutz für die Minderjährigen in den normalen Asylzentren als ausreichend. «Da sind auch ältere Personen gleicher Herkunft, die sie betreuen können.» Da der Bund ab Mai 2019 seine Beiträge an die Kantone für die Unterbringung von Asylsuchenden beinahe verdoppeln wird, sieht Knutti keinen Bedarf für zusätzliche kantonale Gelder. Im Hinblick auf die Abstimmung verspricht er denn auch mehr als Symbolpolitik: «Wir werden alles daransetzen, dass man mindestens diese 38 Millionen nicht auch noch ausgibt. Sonst verliert der Regierungsrat jegliche Glaubwürdigkeit.»

In der Ankündigung Müllers, es werde sich auch bei einem Nein nichts Substanzielles ändern, sieht Knutti gar einen Versuch, die Stimmberechtigten zu verunsichern und von der Urne fernzuhalten oder dann ein Ja einzulegen. «Dass der Regierungsrat so versucht, die Bevölkerung mundtot zu machen, ist undemokratisch und sehr enttäuschend», sagt er.

Letzte solche Abstimmung

Dieser Vorwurf greife zu kurz, sagt Veglio. «Die Verfassung verpflichtet uns, Minderjährige speziell zu schützen.» Ausserdem gebe es laufende Leistungsverträge mit der Zentrum Bäregg GmbH. Deshalb sei ein Kredit für unbegleitete Minderjährige auch in Zukunft nötig.

Bald nicht mehr nötig sein werden aber Abstimmungen über den UMA-Kredit. «Geniessen Sie diesen Abstimmungskampf, es wird der letzte sein zu einem solchen Kredit», sagte Müller. Im Rahmen der Neustrukturierung des Asyl- und Flüchtlingsbereichs im Kanton Bern wird ab 2020 nicht mehr die Polizei- und Militärdirektion, sondern die Gesundheits- und Fürsorgedirektion für die Asylsozialhilfe zuständig sein. Mit der Umstrukturierung wird das UMA-Geld in die Sozialhilfe integriert. «In diesem Gesamtkredit geht dieser Betrag dann unter. Damit wird es keine referendumsfähigen Beschlüsse zum Kredit für minderjährige Asylsuchende mehr geben», so Müller.

Neue Führung für UMA-Geld

Künftig wird Gesundheits- und Fürsorgedirektor Pierre Alain Schnegg (SVP) das Geld für minderjährige Asylsuchende verwalten. Deshalb schaut ihr Knutti gelassen entgegen. «Schnegg wird schon dafür sorgen, dass das Geld nicht einfach verschleudert wird», sagt Knutti.

Auch Mirjam Veglio begrüsst die Umstrukturierung. «So kann man auf der Sachebene geeignete Lösungen finden.» Dass die Asylsozialhilfe künftig einem SVP-Regierungsrat unterliegt, beunruhigt sie nicht. Man müsse unbedingt gut hinschauen, weil Schnegg bekanntlich als Unternehmer politisiere und vielleicht bei der Asylsozialhilfe gleich hart entscheide wie bei der Sozialhilfe. «Es gibt aber politische Instrumente, die bei Bedarf zur Korrektur eingesetzt werden müssten.»
(https://www.derbund.ch/bern/kanton/referendum-setzt-am-falschen-ort-an/story/14878349)

+++ZÜRICH
Hier kommen geflüchtete Frauen und ihre Kinder zur Ruhe
Der Verein Solidarus ruft in Zürich Seefeld einen neuen Begegnungsort ins Leben. Geflüchtete Frauen und ihre Kinder konnten bislang in Luzern und St.Gallen den sogenannten Off-Ort besuchen. Bald gibt es auch einen in Zürich
https://www.limmattalerzeitung.ch/limmattal/zuerich/hier-kommen-gefluechtete-frauen-und-ihre-kinder-zur-ruhe-133666431
-> https://solidarus.ch/2018/10/15/off_ort-fuer-frauen-oeffnet-in-zuerich-die-tueren-fuer-gefluechtete-frauen-und-ihre-kinder/

+++DEUTSCHLAND
Unionspolitiker fordern Ende des Abschiebestopps für Syrer
Nach der Gruppenvergewaltigung in Freiburg, bei der mehrere Syrer unter Tatverdacht stehen, sollen Möglichkeiten geprüft werden, Gefährder und Straftäter nach Syrien zurückzubringen
https://www.heise.de/tp/features/Unionspolitiker-fordern-Ende-des-Abschiebestopps-fuer-Syrer-4210278.html

+++GRIECHENLAND
Griechenland: Sarah Mardini – Flüchtlingshelferin in Haft
Sarah Mardini flüchtete mit ihrer jüngeren Schwester im Sommer 2015 aus Syrien. Auf der Flucht halfen die beiden Leistungsschwimmerinnen, ihr völlig überfülltes Boot sicher an die griechische Küste zu bringen. | mehr
https://www.daserste.de/information/politik-weltgeschehen/europamagazin/sendung/griechenland-sarah-mardini-100.html

+++MITTELMEER
Zentrale Mittelmeerroute: Weniger Überquerungsversuche und weniger Tote
Die Hauptroute ist nun die westliche Route nach Spanien – aktuelle Zahlen von der Internationalen Organisation für Migration
https://www.heise.de/tp/features/Zentrale-Mittelmeerroute-Weniger-Ueberquerungsversuche-und-weniger-Tote-4210341.html

+++GASSE
Rap-Hommage an Pfarrer Sieber
Zusammen mit “Platzspitzbaby” Michelle Halbheer hat der Zürcher Rapper “Wicht” dem verstorbenen Obdachlosen-Pfarrer einen Song gewidmet.
https://www.telezueri.ch/zuerinews/rap-hommage-an-pfarrer-sieber-133673936#video=0_f8gmaibg

+++AUSLÄNDER*INNEN-RECHT
Einbürgerung trotz Sozialhilfebezug
Laut dem Berner Verwaltungsgericht können Ausländer trotz Sozialhilfebezug eingebürgert werden. Das zeigt der Fall einer 53-jährigen Iranerin.
https://www.bernerzeitung.ch/region/kanton-bern/einbuergerung-trotz-sozialhilfebezug/story/20842178

+++POLIZEI ZH
Keine Bodycams für die Stadtpolizei Winterthur
Der Winterthurer Stadtrat sieht derzeit keinen Bedarf nach Bodycams für die Stadtpolizisten. Dafür gibt es neue Uniformen und neue Schutzwesten.
https://www.securnews.ch/bodycams-stadtpolizei-winterthur-uniformen-schutzwesten-daniel-oswald-community-policing/

landbote.ch 04.11.2018

Winterthur: Polizei kriegt neue Westen

Schutzwesten und Verbandsmaterial für Schussverletzungen, aber keine Bodycams. Die Stapo ist für die immer gefährlichere Polizeiarbeit gerüstet.

Michael Graf

Die Arbeit der Polizei werde immer gefährlicher, der Respekt in der Bevölkerung sinke, findet SVP-Gemeinderat Daniel Oswald. In einer Anfrage wollte er deshalb wissen: Haben die Beamtinnen und Beamten der StadtPolizei ausreichend kugelsichere Westen und Verbandsmaterial für Schussverletzungen? Und wie steht der Stadtrat zum Einsatz vom Bodycams?

Der Stadtrat antwortet, man beobachte die schweizweite Entwicklung von Gewalt gegen die Polizei «mit Sorge». In Winterthur herrsche «aktuell noch ein zumeist respektvoller Umgang» der Bürger mit den Blaulichtorgansiationen vor. Allerdings halte die StadtPolizei die Schutzausrüstung auf dem neuesten Stand. Jede Polizistin und jeder Polizist habe eine persönliche Unterzieh-Schutzweste der Klasse I gegen Pistolenschüsse.

Für spezielle Einsätze stünden auch schwere Schutzwesten der Klasse IV bereit. Nächstes Jahr läuft den 10-jährige Garantie ab. Neue Westen seien bereits bestellt, zusammen mit den neuen Polizeiuniformen. Erste-Hilfe-Kits seien seien in jedem Einsatzfahrzeug zu finden.

Stapo will keine Bodycams

Was Bodycams betrifft, hält der Stadtrat eine Einführung für «noch nicht angezeigt». Stadträtin Barbara Günthard-Maier (FDP) und das Polizeikommando sind der Meinung, dass diese «eher distanzierend» wirken und einen vertrauensvollen Umgang mit der Bevölkerung erschweren könnten. Falls sich die Umstände dereinst ändern, werde man die Einsatzmittel anpassen. Bereits heute filme die StadtPolizei bei riskanten Grossanlässen.
(https://www.landbote.ch/news/standard/polizei-kriegt-neue-westen/story/10613203)

+++BIG BROTHER
Analyse und Zwischenbericht aus dem Palantir-Untersuchungsausschuss im hessischen Landtag
Palantir in Hessen – vereint Daten von Facebook & Co mit polizeilichen Datenbanken??
https://police-it.org/palantir-in-hessen-vereint-daten-von-facebook-und-co-mit-polizeilichen-datenbanken

+++ANTIRA
Almanya, ich komm aus dir
Der deutsche Superstar Herbert Grönemeyer hat ein neues Album und singt in einem Lied auch auf Türkisch. Warum spricht Mehrheitspop so selten Migranten an, bisher jedenfalls?
https://www.republik.ch/2018/11/03/almanya-ich-komm-aus-dir

+++PSYCHIATRIE
Sonntagszeitung 04.11.2018

Belästigung hinter verschlossener Tür

Psychiatrien bringen Männer, Frauen und zum Teil auch Kinder gemeinsam unter – Experten warnen vor sexueller Gewalt.

Roland Gamp

Die Räume seien hell, Gänge mit Pflanzen geschmückt, auch Unterhaltung werde dank TV und Tischtennis geboten. Einen «grundsätzlich positiven Eindruck» erhielt die Nationale Kommission zur Verhütung von Folter (NKVF), wie sie in einem Bericht festhält. Im Auftrag des Bundes prüft das Gremium verschiedenste Institutionen, zuletzt zum Beispiel die Psychiatrische Universitätsklinik Zürich (PUK).

Diese erfährt auch Kritik. Frauen sind auf mehreren Abteilungen gemeinsam mit Männern untergebracht. Trotzdem können sie ihre Zimmer nicht abschliessen. Auch Duschen müssen sich alle Patienten teilen, wie die NKVF bemängelt. «Problematisch war aus Sicht der Kommission, dass wir auf Stationen für Erwachsene zwei Minderjährige antrafen», sagt Geschäftsführerin Sandra Imhof. «Obwohl das internationale Übereinkommen zum Recht des Kindes und der Antifolter-Ausschuss des Europarats eine getrennte Unterbringung vorschreiben.»

Aus gutem Grund, wie sich beim Besuch zeigte. «Eine der Minderjährigen gab im Gespräch an, von Männern auf der gleichen Station belästigt worden zu sein», sagt Imhof. Der Vorwurf habe sich gegen Mitpatienten gerichtet und sei im sexuellen Kontext gestanden. «Wir konnten das nicht verifizieren. Die NKVF orientierte die Klinikleitung darüber, welche Abklärungen versprach.»

Mit 13 Jahren auf derErwachsenenstation

Eine Anfrage zu den verschiedenen Kritikpunkten aus dem Bericht liess die PUK diese Woche unbeantwortet. Auch zum konkreten Fall der Minderjährigen, welche über sexuelle Belästigung auf der Station berichtet hatte, erfolgte keine Stellungnahme.

Die Gefahr, dass es zu sexuellen Übergriffen kommt, besteht nicht nur in Zürich. Vor einem Monat berichtete die NKVF über die Psychiatrische Klinik in Mendrisio TI. Vier Kinder traf sie dort auf der Abteilung für Erwachsene an. Nachfragen ergaben, dass pro Jahr etwa ein Dutzend Kinder so untergebracht sind. Eines war erst 13 Jahre alt.

Fast regelmässig findet die Kommission zudem Einrichtungen vor, in welchen die Geschlechter nicht getrennt sind. So war es bei Klinikbesuchen in Bern, Windisch AG oder Rheinau ZH, wie aus Rapporten hervorgeht.

Therapeutisch sinnvoll oder ein Türöffner für Sexualtäter?

«Die Trennung von Kindern und Erwachsenen ist unbestreitbar sinnvoll und wird bei uns auch so praktiziert», sagt Wolfram Kawohl, Klinikleiter bei den Psychiatrischen Diensten Aargau (PDAG). Bei Erwachsenen sei das anders. «Die Aufhebung der Geschlechtertrennung entstand im Zuge der sozialpsychiatrischen Reformen in den 1970er- und 1980er-Jahren. Für die Patienten brachte sie eine alltagsnähere und ruhigere Unterbringung.» Entscheidend sei, offen, aber gleichzeitig aufmerksam zu sein.

Die PDAG führen dazu ein Reporting, das alle Zwischenfälle erfasst. «Sexuelle Übergriffe kommen zum Glück äusserst selten vor, im laufenden Jahr in zwei Fällen», sagt Chefarzt Kawohl. «Dem gegenüber stehen fast 5000 stationäre Behandlungen.» In einem Fall habe ein Patient Mitarbeiterinnen bedrängt. «Im zweiten wurde eine Patientin auf dem öffentlich zugänglichen Klinikareal von einem Unbekannten belästigt.» Schweizweit ist die Zahl der Übergriffe nicht erfasst. «Was sicher nicht daran liegt, dass dies nie vorkommt», sagt Werner Tschan, Leiter des Basler Instituts für Psychotraumatologie. «Aus therapeutischer Sicht kann die Durchmischung der Geschlechter sinnvoll sein. Aber damit öffnet man auch die Tür für sexuelle Gewalt.»

Laut Tschan bilden psychiatrische Kliniken dafür «einen absoluten Risikobereich». Psychisch auffällige Männer und Frauen würden im geschlossenen Raum durchmischt, oft gegen ihren Willen, manchmal ohne Überwachung. «Da ist es hoch wahrscheinlich, dass es zu Belästigung und Missbrauch kommt.» Mehrere Betroffene hätten sich schon beim Beratungszentrum gemeldet. «Zum Beispiel eine gerade erst volljährige Frau, die psychisch krank wurde, weil der Vater sie misshandelt hatte», erzählt Tschan. Nach der Einweisung habe sie sich zum ersten Mal seit langem wieder sicher gefühlt. «Dann verging sich ein Mitpatient auf der Station an ihr.»

Silvia Cueni kennt solche Schicksale. «Ich behandle eine Frau, die von einem Mitpatienten mit sexuellen Äusserungen und Bildmaterial auf dem Handy belästigt wurde», sagt die Psychiaterin. Ärzten und Pflegern sei meist kein Vorwurf zu machen. «Sie sind zeitweise unterbesetzt, in der Nachtschicht kommen teils drei Mitarbeiter auf rund 20 Patienten. So ist es unmöglich, grenzüberschreitendem Verhalten vorgängig entgegenzuwirken und damit Schäden zu verhindern.»

Opfer gelten wegen ihrerKrankheit als unglaubwürdig

Strafrechtlich verfolgt werden laut Cueni nur wenige Übergriffe. «Opfer von Sexualdelikten zeigen diese aufgrund schwieriger Beweisführung selten an.» Ausserdem seien psychiatrische Patienten in einer schwachen Position. «Weil sie wissen, dass man ihnen aufgrund ihrer Krankheit wenig Glauben schenken wird», sagt Cueni.

Zur Anzeige entschlossen sich die Angehörigen eines Buben, der in den Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel (UPK) behandelt wurde. Seine Mutter äusserte vor einem Jahr im «Blick» schwere Vorwürfe. So habe eine Mitpatientin dem 12-Jährigen befohlen, eine dritte Person sexuell zu befriedigen. Die UPK äussert sich dazu nicht. Laut Staatsanwaltschaft ist das Verfahren abgeschlossen. Weitere Angaben könne man nicht machen, weil es sich um ein Jugendstrafverfahren handelte.
(https://www.derbund.ch/sonntagszeitung/belaestigung-hinter-verschlossener-tuer/story/12963753)

Die NKVF veröffentlicht ihren Bericht über den Besuch in der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich (PUK) und die Stellungnahme des Kantons Zürich
https://www.nkvf.admin.ch/nkvf/de/home/publiservice/news/2018/2018-10-02.html
-> Bericht: https://www.nkvf.admin.ch/dam/data/nkvf/Berichte/2018/puk-zh/bericht-puk-zh.pdf
-> Stellungnahme: https://www.nkvf.admin.ch/dam/data/nkvf/Berichte/2018/puk-zh/stellungnahme-puk-und-rheinau.pdf

+++SPORTREPRESSION
(Interessant: Scheinbar konsumieren die keinen Alkohol…)
NZZ am Sonntag 04.11.2018

Hooligans – militärisch organisiert und aufgeputscht durch Drogen

Gewalttätige Fans setzen auf strenge Hierarchien. Und sie konsumieren Kokain, Amphetamine und Schmerzmedikamente.

von Lukas Häuptli und Andreas Schmid

Der Match war aus und 2:3 verloren. Die knapp 1000 Fans des FC Zürich legten den Kilometer vom St. Galler Stadion zum Bahnhof Winkeln zu Fuss zurück und warteten auf den Extrazug nach Zürich. Da – es war am vergangenen Sonntag 18 Uhr 30 geworden – eskalierte die Lage.

Im Dutzend warfen FCZ-Anhänger Schottersteine, brennende Fackeln und Knallpetarden gegen St. Galler Stadtpolizisten. Zurück kamen Gummischrot und Tränengas.

Ein paar Tage später die Bilanz: Der Extrazug wurde derart beschädigt, dass er ersetzt werden musste. Drei Polizisten erlitten Verletzungen. Und Roman Kohler, Sprecher der St. Galler Stadtpolizei, sagt: «Wir wollten die Chaoten nicht in die Innenstadt ziehen lassen, wo sie noch mehr Sachschaden verursacht und allenfalls weitere Personen verletzt hätten. Dies ist uns gelungen.»

Aber Kohler erklärt auch: «Ein zweites Ziel wäre gewesen, Personen festzunehmen. Das aber war mit verhältnismässigen Einsatzmitteln, mit den zur Verfügung stehenden personellen Ressourcen und ohne erhebliche Gefährdung der eigenen Mitarbeiter nicht möglich.» Man kann das je nach Standpunkt Wahrung der Verhältnismässigkeit nennen oder aber Kapitulation vor Ausschreitungen.

Arbeitsteilung unter Fans

Eine Person, die am Sonntagabend vor Ort war, sagt: «Es fiel auf, wie gut die gewalttätigen Fans organisiert waren. Ein paar wenige gaben Anweisungen. Darauf warf eine Gruppe Schottersteine. Eine zweite sorgte für Nachschub und holte Steine von den Gleisen. Und eine dritte deckte Polizisten mit Fackeln und Petarden ein. Da war an Verhaftungen nicht zu denken.»

Offenbar sind nicht nur die Hooligans unter den FCZ-Fans, sondern auch diejenigen unter anderen Anhängern gut organisiert. So sagt jemand, der die Schweizer Fan-Szene sehr gut kennt: «In den Kurven der grossen Klubs haben die sogenannten Capos das Sagen. Sie steuern, vergleichbar mit Oberbefehlshabern, die Fans ihres Klubs.» Selbst würden sie sich selten strafbar machen. «An den gewalttätigen Auseinandersetzungen vor und nach den Spielen beteiligen sie sich nicht. Sie kommandieren nur.»

Unter den «Capos» gibt es verschiedene Personen, die für einzelne Aufgaben verantwortlich sind, etwa für die Auseinandersetzungen mit anderen Fan-Gruppierungen oder für die Beschaffung der Fackeln, der sogenannten «Pyros». Die Ausführung des Ganzen schliesslich obliegt Laufburschen. «Diese Fans sind hierarchisch straff organisiert», erklärt der Szenenkenner, «vergleichbar mit der Organisation eines Motorradklubs».

Ähnlich, wenn auch in anderen Worten, sagt es Marco Cortesi, Sprecher der Zürcher Stadtpolizei: «Bei einzelnen Fan-Gruppierungen ist die Bezeichnung ‹Gang› angebracht. Sie erheben Revieransprüche.» Das erklärt, warum es ausserhalb der Fussballstadien immer wieder zu Übergriffen von gewaltbereiten Fans auf andere Anhänger kommt – in Zürich etwa von FCZ-Anhängern auf GC-Anhänger und umgekehrt.

So erzählt ein FCZ-Fan, wie er mit einem Kollegen, einem eingefleischten und langjährigen GC-Fan, einen Musikklub im Kreis 5 besucht habe. «Aus dem Nichts sind mehrere FCZ-Fans aufgetaucht und haben den GC-Fan mitten im Klub tätlich angegriffen. Sie wollten offensichtlich zeigen, dass das FCZ-Revier ist.»

Was die Auseinandersetzungen zusätzlich anheizt: Zahlreiche Hooligans konsumieren aufputschende Drogen wie Kokain und Amphetamine sowie Medikamente, die schmerzunempfindlich machen. Zwar gibt es dazu keine Statistiken. Silvain Guillaume-Gentil, Sprecher der Genfer Kantonspolizei, spricht aber von einem Anteil von Kokain-Konsumenten unter Fussballfans im einstelligen Prozentbereich.

Ein langjähriger Matchbesucher berichtet, wie er Fans beobachtete, die noch in der ersten Halbzeit eines Spiels auf dem Stadion-WC eine Linie zogen. Und jemand, der die Schweizer Fan-Szene sehr gut kennt, sagt: «Kokain ist in den Kurven seit langem ein Thema.» Und weiter: «Zudem ist bekannt, dass es verschiedene Anhänger des FC Zürich und des FC Basel gibt, die Schmerzmedikamente konsumieren.» Dabei handle es sich um Fentanyl und Tilidin. Sie sind zumindest zum Teil rezeptpflichtig.

13 Prozent koksen

Genauere Angaben zu Fussballfans, die Drogen konsumieren, gibt es aus Deutschland. Dort hat das Institut für Sucht- und Präventionsforschung der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen knapp 800 Fans befragt und ihre Antworten zu einer Studie verarbeitet.

Rund 40 Prozent der Befragten gaben an, sie seien sogenannte Ultras, also Hardcore-Fans, rund 5 Prozent bezeichneten sich als Hooligans. Fast die Hälfte der 800 Fans erklärte, sie seien selbst schon gewalttätig gewesen.

Bemerkenswert: Etwa 230 der 800, also dreissig Prozent, gaben an, sie hätten im Monat vor der Befragung Cannabis konsumiert. Bei rund 100 Fans war es Kokain (13 Prozent), 80 Befragte nahmen Amphetamine (10 Prozent) und 50 Ecstasy (6 Prozent).

«Der Konsum von Drogen scheint in Teilen dieser Szene verbreitet zu sein», sagt Studienleiter Daniel Deimel. «Er steht in signifikantem Zusammenhang mit Gewalthandlungen.» Vor allem Kokain und Amphetamine, aber auch Crystal Meth kämen in diesem Kontext zum Einsatz, also Substanzen, die anregend und aktivierend wirkten sowie Ängste abbauten. «Man fühlt sich grossartig, überhöht die eigene Person und ist bereit, höhere Risiken einzugehen. Die Aggressivität nimmt zu, und die Schmerzen werden unterdrückt.»

Ob die gewalttätigen FCZ-Fans in St. Gallen auch unter Drogen standen, ist nicht bekannt. Auszuschliessen ist es aber nicht.

Zürcher Stadtpolizei: Mobile Videokameras gegen Fangewalt

Im Kampf gegen gewalttätige Fussballfans hat die Stadtpolizei Zürich in den letzten Wochen erstmals mobile Videokameras eingesetzt, wie Sprecher Marco Cortesi sagt. Die Aufnahmen dienen einerseits zur Identifizierung der Täter, andererseits zum Beweisen von deren Taten.

Vor allem bei Fangewalt ausserhalb der Stadien scheitern Ermittlungen häufig daran, dass entweder das eine oder das andere nicht gelingt. Der Einsatz mobiler Videokameras ist Teil des Projekts «Doppelpass», das die drei Stadtratsmitglieder Karin Rykart (gp.), Raphael Golta (sp.) und Filippo Leutenegger (fdp.) sowie FCZ-Präsident Ancillo Canepa und GC-Präsident Stephan Anliker Mitte September gemeinsam lanciert hatten.

Seit Anfang Jahr hat die Zürcher Stadtpolizei gegen 52 gewalttätige Fans Ermittlungen eingeleitet, wie Sprecher Marco Cortesi weiter sagt. Den meisten werden Sprengstoffdelikte (wegen des Abbrennens von Fackeln), Körperverletzung sowie Gewalt und Drohung gegen Beamte vorgeworfen. Gegen 24 Anhänger wurden im laufenden Jahr Rayonverbote ausgesprochen.

Laut Cortesi sind die meisten der Beschuldigten zwischen 16 und 25 Jahre alt. Die eine Hälfte seien Anhänger des FCZ, die andere solche von GC. Die Polizei geht davon aus, dass es im Umfeld der beiden Klubs rund 200 gewaltbereite Fans gibt. (asc. / luh.)
(https://nzzas.nzz.ch/schweiz/hooligans-militaerisch-organisiert-und-aufgeputscht-durch-drogen-ld.1433656)