Medienspiegel 18. Oktober 2018

+++BERN
derbund.ch 18.10.2018

Kanton Bern zwingt Asylsuchende in die Unterkunft

Neu müssen Asylsuchende mindestens fünf Nächte pro Woche in der Unterkunft verbringen – sonst drohen harte Sanktionen. Kritiker sehen die Grundrechte verletzt.

Bernhard Ott

Für die Bewohnerinnen und Bewohner von Asylzentren im Kanton Bern gilt seit Anfang Oktober eine «klare Anwesenheitsreglung». Dies geht aus einer «Weisungspräzisierung» des kantonalen Migrationsdienstes (Midi) hervor, die dem «Bund» vorliegt. Wer sein Anrecht auf die Asylsozialhilfe in der Höhe von Franken 9.50 pro Tag wahrnehmen möchte, muss sich neu «an fünf Tagen pro Woche in den Unterkünften aufhalten und dort übernachten». Zudem dürfen die Bewohnerinnen und Bewohner nicht länger als zwei Tage am Stück abwesend sein.

Bei Verstössen gegen die Anordnung drohen Sanktionen: Beim ersten Mal gibt es eine schriftliche Ermahnung. Beim zweiten Mal eine schriftliche Verwarnung samt «Androhung der Abmeldung». Beim dritten Mal wird der Asylsuchende «abgemeldet», was einem Abbruch des Asylverfahrens oder der Aberkennung einer vorläufigen Aufnahme gleichkommen könnte.

Die bisherige Regelung war da wesentlich liberaler. Die Leitungen der Unterkünfte haben bloss eine tägliche Präsenzkontrolle durchgeführt. Von allfälligen Sanktionen war noch keine Rede.

«Klare Verschärfung»

Die neue Regelung stösst auf harsche Kritik. Die Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH) spricht von einer «klaren Verschärfung» des bisherigen Regimes. Die «Freiheitsbeschränkungen» und «rigiden Strafmassnahmen» seien «unverhältnismässig» und «menschenrechtlich bedenklich», hält ein Sprecher auf Anfrage fest. Die Demokratischen Juristinnen und Juristen (DJ) sehen gleich eine Reihe von Grundrechten verletzt, darunter etwa die Bewegungsfreiheit, die persönliche Freiheit und das Recht auf Privatleben oder das Recht auf Familienleben und Familieneinheit.

Die Organisation fordert in einer schriftlichen Stellungnahme die umgehende Aufhebung der Neuregelung, da es für die erwähnten Grundrechtsverletzungen keine gesetzliche Grundlage gebe. Und selbst wenn es diese gäbe, wäre die Neuregelung unverhältnismässig. «Das Ziel dürften einzig Sparmassnahmen sein», hält die Organisation fest.

Amt will bessere Kontrolle

Mit dieser Vermutung liegen die Demokratischen Juristinnen und Juristen nicht ganz falsch. Denn die Neuregelung sei ein «Steuerungsinstrument für den Kanton, um zu prüfen, ob Steuergelder zweckgemäss eingesetzt werden», sagt Verena Berisha, stellvertretende Leiterin des Amtes für Migration und Personenstand, dem der Migrationsdienst unterstellt ist. Dabei «geht es nicht um die Einschränkung der Bewegungsfreiheit». Vielmehr gehe es um die Kontrolle, ob die Personen vollumfänglich auf Asylsozialhilfe angewiesen seien.

Denn wenn Betroffene nur gelegentlich in den Unterkünften nächtigten, könne davon ausgegangen werden, dass sie nicht mehr vollumfänglich auf Asylsozialhilfe angewiesen seien. «Es geht um den verantwortungsvollen Umgang mit Bundessubventionen und Kantonsgeldern», sagt Berisha. Dass von der Neuregelung auch vorläufig Aufgenommene oder Personen mit Flüchtlingsstatus betroffen seien, lasse sich «aus organisatorischen Gründen» nicht vermeiden, weil die Dauer der Verfahren auf Bundesebene nicht planbar sei. Berisha weist im Übrigen darauf hin, dass die «Weisungspräzisierung» auf die Anregung der Betreiber der Asylzentren zurückgehe. «Insofern handelt es sich um eine einvernehmliche Lösung», hält Berisha fest.

Betreiber schweigen

Ob die Neuregelung einvernehmlich zustande gekommen ist, muss allerdings bezweifelt werden. Denn weder die Heilsarmee-Flüchtlingshilfe noch die Vereine Asyl Berner Oberland oder Asyl Region Biel wollen Stellung zur «Weisungspräzisierung» nehmen, die sie angeblich mitverantworten.

Die Zurückhaltung ist insofern nachvollziehbar, als dass im Rahmen der neuen Asylstrategie des Kantons die Aufträge für Unterbringung, Sozialhilfe und Koordination der Integration für fünf Regionen des Kantons diesen Herbst neu ausgeschrieben werden. Die genannten Organisationen wollen sich darum bewerben. Hauptziel der ab Mitte 2020 umgesetzten Strategie ist die Integration von Flüchtlingen und vorläufig Aufgenommenen in den Arbeitsmarkt, um die Sozialhilfe zu entlasten. Ob eine Aufenthalts- und Übernachtungspflicht in Kollektivunterkünften diesem Ziel förderlich ist, bleibt fraglich.

Verfassung verletzt?

Rechtlich scheinen die Einwände der Flüchtlingshilfe und der Demokratischen Juristen jedenfalls nicht aus der Luft gegriffen zu sein. Ein Rechtsgutachten der Universität Zürich zum kantonalen Nothilferegime für abgewiesene Asylbewerber kam im August letzten Jahres zum Schluss, dass es verfassungswidrig sei, den Anspruch auf finanzielle Nothilfe mit der Anwesenheit in einer zugewiesenen Notunterkunft zu verknüpfen. Dies verstosse gegen die Rechte auf Nothilfe, auf Bewegungsfreiheit und auf soziale Kontakte.
(https://www.derbund.ch/bern/kanton/kanton-bern-zwingt-asylsuchende-in-die-unterkunft/story/22460134)
-> https://www.telebaern.tv/telebaern-news/asylsuchende-muessen-5-naechte-pro-woche-in-heim-bleiben-133601110#video=1_lm2f05m5

Parteiübergreifende Allianz für ein Ja zu «UMA»-Kredit
Ein Nein würde Einsparungen verhindern und könnte auf längere Sicht die künftige Sozialhilfeabhängigkeit heutiger Jugenlicher fördern.
https://www.derbund.ch/bern/kanton/parteiuebergreifende-allianz-fuer-ein-ja-zu-umakredit/story/16312750
-> https://www.derbund.ch/bern/kanton/befuerworter-des-asylkredits-ruesten-gegen-die-svp-auf/story/28286540
-> https://www.bernerzeitung.ch/region/kanton-bern/parteiuebergreifende-allianz-fuer-ein-ja-zu-umakredit/story/15424401
-> https://www.telebaern.tv/telebaern-news/svp-ergreift-wiederum-referendum-gegen-uma-kredit-133601103

+++AARGAU
Millionen-Geschäft harzt: massiver Stellenabbau in der Aargauer Flüchtlingsbetreuung
Wegen der sinkenden Asylzahlen wurden beim Kanton Aargau und der Betreuungsfirma ORS Stellen abgebaut. 2016 betrieb die Firma vier Unterkünfte mit 80 Vollzeitstellen. Heute ist es nur noch eine Unterkunft mit 13 Vollzeitstellen.
https://www.aargauerzeitung.ch/aargau/kanton-aargau/millionen-geschaeft-harzt-massiver-stellenabbau-in-der-aargauer-fluechtlingsbetreuung-133596180

+++SOLOTHURN
Im November fahren die Bagger für das Bundesasylzentrum auf
Im Deitinger Schachen werden die Bauarbeiten in Angriff genommen. Läuft alles nach Plan, soll das Bundesasylzentrum im Herbst 2019 seinen Betrieb aufnehmen.
https://www.solothurnerzeitung.ch/solothurn/kanton-solothurn/im-november-fahren-die-bagger-fuer-das-bundesasylzentrum-auf-133596016

+++SCHWEIZ
Ist Solidarität ein Delikt?
In der öffentlichen Debatte werden Personen, welche die Einreise oder den Aufenthalt von Migrantinnen und Migranten mit irregulärem Status erleichtern, häufig als Kriminelle betrachtet oder der Komplizenschaft mit Schleppern beschuldigt. Das Schweizer Recht entspricht dieser Sichtweise. Der Vergleich mit europäischen und internationalen Rechtsgrundlagen zeigt indes, dass das Gesetz die Verteidigung der Rechte von Migrantinnen und Migranten nicht überall kriminalisiert und manchmal sogar zur Solidarität ermutigen kann.
https://www.fluechtlingshilfe.ch/fakten-statt-mythen/beitraege-2018/ist-solidaritaet-ein-delikt.html

+++DEUTSCHLAND
Pro Asyl kritisiert Abschiebung syrischer Familie als rechtswidrig
Eine syrische Familie wurde trotz eines laufenden Gerichtsverfahren nach Rumänien abgeschoben. Über einen Monat harre die Familie nun schon in dem Land aus.
https://www.nau.ch/news/europa/pro-asyl-kritisiert-abschiebung-syrischer-familie-als-rechtswidrig-65447984
-> https://www.neues-deutschland.de/artikel/1103818.asylpolitik-rechtswidrige-abschiebung-in-sachsen.html

+++GRIECHENLAND
Rückführung von Migranten aus Lesbos in Türkei kommt langsam voran
Fünf Migranten aus Irak, Pakistan, Algerien und Afghanistan wurden von Griechenland an die Türkei zurückgeführt.
https://www.nau.ch/news/europa/ruckfuhrung-von-migranten-aus-lesbos-in-turkei-kommt-langsam-voran-65448038

+++ITALIEN
Wie eine italienische Stadt Migrantenkinder von der Schulkantine fernhalten will
Um Ausländerfamilien zu schikanieren, hat sich die von der Lega regierte italienische Stadt Lodi einen besonderen Trick ausgedacht: Sie setzte durch, dass Ausländerkinder beim Mensabesuch plötzlich mehr als doppelt so viel bezahlen müssen. Die Empörung ist gross.
https://www.nzz.ch/international/migrantenkinder-in-der-schulkantine-unerwuenscht-ld.1429138

Italien: Bürgermeister von Riace muss seinen Wohnort verlassen
Domenico Lucano, der suspendierte Bürgermeister von Riace, steht nicht länger unter Hausarrest, darf seinen Wohnort aber nicht mehr betreten. In einem Interview hat er erklärt: „Riace steht für eine Idee, die der Gesellschaft der Barbarei widerspricht.“
https://ffm-online.org/italien-buergermeister-von-riace-muss-seinen-wohnort-verlassen/

+++MITTELMEER
Protestaktion von „Ärzte ohne Grenzen“
Die Hilfsorganisation „Ärzte ohne Grenzen“ wehrt sich gegen Anschuldigungen, mit Schleppern im Mittelmeer gemeinsame Sache zu machen. Diesen Vorwurf hat Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) in mehreren Medien erhoben.
https://tvthek.orf.at/profile/ZIB-1700/71284/ZIB-1700/13992341/Protestaktion-von-Aerzte-ohne-Grenzen/14381579
-> Offener Brief an Bundeskanzler Sebastian Kurz: https://www.aerzte-ohne-grenzen.at/email-sebastian-kurz

+++EUROPA
EU-Gipfel tritt bei der Asylreform an Ort
Die EU bleibt in den Flüchtlingsfragen gespalten. Der Quotenstreit verhindert eine gemeinsame Lösung.
https://www.derbund.ch/ausland/europa/eugipfel-tritt-bei-der-asylreform-an-ort/story/28009161

EU-Gipfel: Ein Treffen des Stillstands
Die Teilnehmer des EU-Gipfels beschwören Fortschritte, dabei herrscht fast überall Stillstand: Bei Migration, Grenzschutz, Brexit. Nur bei einem einzigen Thema zeigt sich die EU geschlossen.
https://www.tagesschau.de/ausland/eu-gipfel-brexit-113.html

Österreich will Streit über Pflichtquoten für Flüchtlinge beenden
Die EU-Staats- und Regierungschefs haben am Donnerstag ihre Beratungen am Gipfel in Brüssel fortgesetzt. Auf dem Programm stehen Gespräche über die Flüchtlingsfrage, ein verstärkter Schutz der Aussengrenzen und die Abwehr von Cyberattacken.
https://www.luzernerzeitung.ch/newsticker/international/osterreich-will-streit-uber-pflichtquoten-fur-fluchtlinge-beenden-ld.1062422
-> https://www.aargauerzeitung.ch/ausland/kurz-will-mit-neuem-vorschlag-den-asylstreit-in-der-eu-loesen-133597628

+++LIBYEN
Libyen: Mehrzahl der Boat-people zurück in die Auffanglager
Zum erste Mal übertrifft 2018 die Zahl der Boat-people, die von der libyschen Küstenwache in die Aufnahmelager zurückgebracht wurden, die Zahl derer, die Italien erreicht haben. Der Sprecher des UNHCR spricht von einem Wendepunkt. Zugleich hat sich der Trend der letzten Monate bestätigt, dass sich die Route nach Italien verlagert hat: von Tunesien nach Lampedusa und die Südwestküste Siziliens oder von der Türkei mit dem Segelboot nach Süditalien.
https://ffm-online.org/libyen-mehrzahl-der-boat-people-zurueck-in-die-auffanglager/

+++FREIRÄUME
Gemeinderatsantwort auf Interpellation Fraktion SVP (Alexander Feuz/Roland Jakob, SVP): Was will der Gemeinderat: Rechtsfreie Reithalle für Anarchisten oder Rechtsgleichheit? Der Gemeinderat ist gefordert!
https://ris.bern.ch/Geschaeft.aspx?obj_guid=3385598721db4f27a431f06fbef4a54c

Gemeinderatsantwort auf Kleine Anfrage Fraktion SVP (Roland Iseli/Alexander Feuz, SVP): Fragen zur rechtswidrigen Besetzung des Gaswerkareals Teil I
https://ris.bern.ch/Geschaeft.aspx?obj_guid=c3d4a532be8445b99fabf35cb80b5ddf

Gemeinderatsantwort auf Kleine Anfrage Fraktion SVP (Roland Iseli/Alexander Feuz, SVP): Fragen zur rechtswidrigen Besetzung des Gaswerkareals Teil II
https://ris.bern.ch/Geschaeft.aspx?obj_guid=62e1a87744d7450db49a2c0cedbfce0a

+++GASSE
Coiffeuse für Randständige – «Wenn die Frisur stimmt, geht es auch der Psyche besser.»
Die Coiffeuse Karin Flückiger schneidet Bedürftigen gratis die Haare. Etwas Gutes tun, das ist ihre Motivation.
https://www.srf.ch/news/regional/bern-freiburg-wallis/coiffeuse-fuer-randstaendige-wenn-die-frisur-stimmt-geht-es-auch-der-psyche-besser

Bei Süchtigen
Drei Tage, eine Reise, null Plan. Dieses Mal wird Mona Vetsch nach Luzern geschickt. Aber nicht ins Postkarten-Luzern. Mona landet in der Gassenküche, dem täglichen Treffpunkt für Sucht- und Armutsbetroffene. Was sie hier erlebt, ist harte Kost. Aber Teil unserer gesellschaftlichen Realität.
https://www.srf.ch/sendungen/monamittendrin/zweite-staffel-2018/bei-suechtigen-5-5
-> https://www.srf.ch/sendungen/monamittendrin/jungs-maedels-warum-zum-teufel-macht-ihr-das

+++DEMO/AKTION/REPRESSION
Gemeinderatsantwort auf Kleine Anfrage Henri-Charles Beuchat (SVP): Sicherheitsvorkehrungen im Vorfeld der Kundgebung Marsch für’s läbe vom 15. Sept. 2018
https://ris.bern.ch/Geschaeft.aspx?obj_guid=4eadd98c4399490d823258a27c553f21

+++POLIZEI SO
Taser-Ausbildung – Alle müssen den Stromstoss selber spüren
Die Stadtpolizei hat Taser angeschafft. Die Polizisten müssen vor dem Einsatz einen Selbsttest machen.
https://www.srf.ch/news/regional/aargau-solothurn/taser-ausbildung-alle-muessen-den-stromstoss-selber-spueren

+++POLIZEI CH
Immer mehr Frauen wollen Polizistin werden
In mehreren Polizeilehrgängen sind Frauen in der Überzahl. Bis dieser Boom sich auf die Geschlechterverhältnisse auswirkt, wird es aber noch dauern.
https://www.derbund.ch/schweiz/standard/immer-mehr-frauen-wollen-polizistin-werden/story/22115094
-> https://www.20min.ch/schweiz/news/story/Immer-mehr-Frauen-wollen-Polizistin-werden-20955441
-> https://www.srf.ch/news/regional/aargau-solothurn/mehr-weiblicher-nachwuchs-polizist-ist-kein-maennerberuf-mehr

+++POLIZEI AUT
Racial Profiling: Das kannst du tun, wenn du betroffen bist oder Zeug*in wirst
Die selektive Polizeikontrolle von Menschen aufgrund ihrer Haut- und Haarfarbe sowie ihrer Gesichtszüge, Racial Profiling, ist eigentlich verboten. Dennoch kommt es immer wieder vor. Wir erklären, was Betroffene und Zeug*innen tun können.
https://ze.tt/racial-profiling-das-kannst-du-tun-wenn-du-betroffen-bist-oder-zeugin-wirst/

Rapper T-Ser: „Vertraue der Gesellschaft tausendmal mehr als der Exekutive“
Der Musiker und seine Kollegen wurden am Wochenende in einem Wiener Park von der Polizei kontrolliert. Sie sehen darin rassistische Motive. Ein Gespräch über das Schwarzsein in Österreich
http://derstandard.at/2000089616978/Rapper-T-Ser-Vertraue-der-Gesellschaft-tausendmal-mehr-als-der

+++POLICE TECH
Polizei der Zukunft – wenn der Computer Verbrechen vorhersagt
Den Dieb anhalten, bevor er den Einbruch begeht, den Täter verhaften, bevor er sich dem Opfer genähert hat. Was wie aus einem Science-Fiktion-Film klingt, ist heute schon Realität.
https://www.srf.ch/sendungen/dok/polizei-der-zukunft-wenn-der-computer-verbrechen-vorhersagt