Medienspiegel 14. Oktober 2018

+++GRIECHENLAND
Die Geschichte der syrischen Schwimmerin Sarah Mardini: Flucht, Freiheit, Gefängnis
Die Flucht der syrischen Schwimmerin Sarah Mardini übers Mittelmeer sorgte 2015 für Aufsehen. Um anderen Flüchtlingen zu helfen, ist sie regelmässig von Berlin nach Lesbos zurückgekehrt – und sitzt dafür nun in griechischer Haft.
https://www.luzernerzeitung.ch/international/flucht-freiheit-gefangnis-ld.1061292

Im Dschungel von Moria – Überleben im griechischen Flüchtlingscamp
Warteschlangen, Gewalt, Verzweiflung. Die Zustände im überfüllten Lager auf Lesbos werden sich so schnell nicht ändern.
https://www.srf.ch/news/international/im-dschungel-von-moria-ueberleben-im-griechischen-fluechtlingscamp

+++ITALIEN
Italien: Migranten aus Riace müssen in Flüchtlingsheime umziehen
Riace wurde unter Bürgermeister Domenico Lucano zu einem Musterbeispiel für Integration. Nach seiner Festnahme hat die Regierung den Umzug der Flüchtlinge angeordnet.
https://www.zeit.de/politik/ausland/2018-10/italien-riace-dorf-fluechtlinge-buergermeister-umzug
-> https://www.nzz.ch/international/italienische-regierung-ordnet-umzug-von-fluechtlingen-aus-riace-an-ld.1428107
-> http://www.spiegel.de/politik/ausland/riace-in-italien-matteo-salvini-laesst-fluechtlinge-abtransportieren-a-1233165.html
-> https://www.aargauerzeitung.ch/ausland/italienische-regierung-ordnet-umzug-von-fluechtlingen-aus-riace-an-133580240
-> https://www.welt.de/politik/ausland/article182054580/Riace-in-Sueditalien-Salvini-laesst-Fluechtlinge-aus-Vorzeigedorf-raeumen.html
-> https://www.neues-deutschland.de/artikel/1103318.riace-in-italien-salvini-siedelt-fluechtlinge-um.html
-> https://ffm-online.org/migranten-aus-riace-sollen-umgesiedelt-werden/
-> Petition: https://www.change.org/p/io-sto-con-riace-matteosalvinimi-giuseppeconteit
-> https://www.repubblica.it/cronaca/2018/10/13/news/migranti_viminale_cancella_modello_riace-208879662/?refresh_ce

+++MITTELMEER
Der neu entfachte Streit über NGOs im Mittelmeer
Bundeskanzler Sebastian Kurz setzte private Seenotretter helfen, mit Schleppern gleich. Dafür erntet er Kritik, während andere NGOs wieder aktiv geworden sind
http://derstandard.at/2000089325112/Der-neu-entfachte-Streit-ueber-NGOs-im-Mittelmeer

Das Dilemma der Aquarius
Dreieinhalb Wochen befand ich mich an Bord des damals letzten privaten Hilfsschiffs im Mittelmeer – um zu beobachten und zu dokumentieren. Dabei fand ich mich immer wieder in dem Zwiespalt: Geht es um nur um die Rettung von Leben oder ist das Schiff doch Teil des Problems?
http://derstandard.at/2000089309862/Das-Dilemma-der-Aquarius

Bundeskanzler Kurz greift Seenotretter an
Konservativer aus Österreich stellt Nichtregierungsorganisationen auf eine Stufe mit Schleppern
Private Seenotretter versuchen, das Sterben auf dem Mittelmeer zu verhindern. Der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz hat damit ein Problem. Er wirft den Nichtregierungsorganisationen vor, Migranten nach Europa bringen zu wollen.
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1103317.migration-ueber-das-mittelmeer-bundeskanzler-kurz-greift-seenotretter-an.html
-> https://www.zeit.de/politik/ausland/2018-10/oesterreich-sebastian-kurz-seenotrettung-aquarius

+++FREIRÄUME
«Mauern können uns nicht aufhalten»
Seit Samstag ist eine Häuserzeile an der Elsässerstrasse besetzt – zum dritten Mal seit Juni. Telebasel hat mit den Aktivisten gesprochen.
https://telebasel.ch/2018/10/14/haeuser-an-der-elsaesserstrasse-schon-wieder-besetzt/?utm_source=lead&utm_medium=grid&utm_campaign=pos%200
-> https://barrikade.info/Medienmitteilung-Dritte-Besetzung-der-Elsasserstrasse-128-132-Elsi-3-0-1484
-> https://dmadeimdaig.info/elsi-3-0/
-> https://www.nau.ch/news/schweiz/hauser-an-elsasserstrasse-erneut-besetzt-65446819
-> http://www.onlinereports.ch/News.117+M52d3e837b4f.0.html

+++SPORTREPRESSION
Sonntagszeitung 14.10.2018

Gewalt an jedem dritten Fussballspiel

Erstmals zeigen Daten von Clubs und Polizei, welche Delikte Hooligans verüben. Am meisten randalieren sie in Zürich.

Roland Gamp

Mit 2:3 endet die Cup-Partie, ein wahres Fussballfest. Bis feiernde YB-Fans und enttäuschte Anhänger des FC Schaffhausen nach dem Spiel aufeinandertreffen. Am Bahnhof Herblingen SH durchbrechen Fans Absperrungen und attackieren sich. Polizisten gehen mit Pfefferspray dazwischen, werden dabei von Vermummten mit Steinen beworfen. Im Fan-Zug gehen die Scharmützel weiter, Chaoten zünden im Waggon eine Rauchpetarde.

Der Schaden um die Partie vor einem Monat beträgt Tausende Franken, drei Personen wurden verletzt. So steht es im neuen Rapport-System, das Bund und Kantone ein halbes Jahr lang getestet haben. «Es erfasst einheitlich alle Fälle von Gewalt rund um Eishockey- und Fussballspiele. Und ermöglicht so erstmals genaue Statistiken», sagt Markus Jungo, Chef der Polizeilichen Koordinationsplattform Sport (PKPS) in Freiburg. Dort laufen alle Daten zusammen. «Nach sechs Monaten sind die Zahlen noch klein. Aber sie lassen bereits interessante Schlüsse zu.»

Hockey-Verband greift gegen Pyro-Werfer durch

Auffällig sind die Unterschiede nach Sportart. Im Eishockey kam es bei 10 Prozent aller Partien zu gewalttätigen Ereignissen. Beim Fussball waren 35 Prozent der Spiele betroffen – mehr als die Hälfte davon mit besonderer Schwere. «Die Zuschauerzahlen sind je nach Sportart sehr unterschiedlich», sagt Lulzana Musliu vom Bundesamt für Polizei. «Der Hooliganismus ist historisch im Fussball verankert. Auch deshalb gibt es dort deutlich mehr gewalttätige Ereignisse als im Eishockey.»

Die neue Methode erfasst auch, wo sich diese abspielen. Hockey-Chaoten üben vor allem in den Hallen selbst Gewalt aus. «Vor allem bei Pyros ist das ein Problem», sagt Andreas Leuzinger, Chef Sicherheit von Swiss Ice Hockey. Viele Fans seien sich der Risiken einer 1500 Grad heissen Fackel nicht bewusst. «Sie zünden diese unter riesigen Choreo-Flaggen, was für jeden Zuschauer darunter lebensgefährlich ist.»

Beim Spiel zwischen Ambri und Lausanne zeigte das neue System besonders schwere Gewalt an. Maskierte Fans hatten Pyros gezündet und in die Menge geworfen. Als Konsequenz büsste der Verband beide Vereine. «Und wir haben angeordnet, dass alle Lausanner Fans bei Auswärtsspielen die ID zeigen müssen, damit Gewalttäter nicht mehr ins Stadion kommen», sagt Leuzinger. Das habe sich gelohnt. «Seither gab es deutlich weniger Probleme mit Fans bei Lausanner Auswärtsspielen.»

Pyros an 44 Prozent aller Fussballspiele

Das Beispiel zeigt auf, wie das neue Ampelsystem im Idealfall funktioniert. «Nach einem ‹roten› Spiel sitzen vielfach Verantwortliche von Clubs, SBB und Verband mit uns an einen Tisch», sagt Jungo von der PKPS. «Wir schauen dann anhand der Daten, was schieflief. Und welche Reaktion nötig ist.»

Oft geht es in diesen Sitzungen um das Abbrennen von Pyros. Kein Delikt wird öfter beobachtet, im Fussball zum Beispiel während 44Prozent aller Partien. Gleich hoch liegt dort die Quote der Sachbeschädigungen. Bei jedem sechsten Match gab es verletzte Zuschauer. Auch Beamte werden regelmässig bedroht und angegriffen. In vier Prozent sind laut Statistik Menschenleben in Gefahr gebracht worden, oft durch Böllerwürfe.

«Für eine detaillierte Analyse der neuen Erhebung ist es noch zu früh», sagt Philippe Guggisberg, Sprecher der Swiss Football League. «Wir sehen aber, wo die Probleme liegen.» Etwa, dass es anders als im Eishockey eher ausserhalb des Stadions zu Gewalt kommt. «Die Clubs haben enorm viel getan, beispielsweise was die Überwachung mit modernen Kameras und die Verfolgung von Einzeltätern betrifft.» Das sei mit ein Grund, weshalb sich die Hooligans nun fernab der Spiele austoben. «Was für die Vereine kaum zu verhindern ist», sagt Guggisberg. «Irgendwo hört ihre Einflussmöglichkeit auf.»

Betroffen sind dabei oft Zugfahrten, wie auch die PKPS bestätigt. «In sehr vielen Rapporten finden sich entsprechende Zwischenfälle», sagt Jungo. Es sei zum Beispiel schon wiederholt vorgekommen, dass Fans bei der Durchfahrt von Bahnhöfen brennende Pyros in Unterführungen warfen. «Das klingt vielleicht harmlos. Aber wir warten da nur auf die ersten Schwerverletzten.»

Laut SBB verlaufen viele Fahrten der Extrazüge ruhig und ohne Ereignisse. «Vereinzelt müssen wir jedoch Pyros, Wurfgegenstände oder auch Sachbeschädigungen verzeichnen», sagt Sprecher Daniele Pallecchi. Die Transportpolizei sei nur noch in Ausnahmefällen mit dabei. «Die Begleitung der Züge erfolgt in der Regel durch eigenes Personal der entsprechenden Fans und nicht durch SBB-Sicherheitspersonal.»

Die SBB bewerten neben Polizei und Club neu jedes Spiel. Nicht mit dabei sind hingegen die Fans selbst. Ursprünglich schlugen die Macher des Rapport-Systems vor, dass auch Fanarbeit Schweiz die Matchs beobachtet und einstuft. Doch die nationale Fachstelle lehnte ab. «Wir begrüssen ein ganzheitliches Reporting, das Sichtweisen verschiedener Player rund um ein Fussballspiel abbildet», sagt Geschäftsleiter Christian Wandeler. «Die Fanarbeitenden sehen sich in ihren Rollen aber nicht als Informationsgeber.» Die Einteilung der Partien in das Ampelsystem sei kritisch. «Diese Vereinfachung von komplexen Situationen ist aus Sicht von Fanarbeit Schweiz nicht aussagekräftig und kann zu undifferenzierten Einschätzungen führen.»

Daten sollen helfen, umGewalt vorauszusagen

Das Bundesamt für Polizei und die PKPS sind anderer Meinung. «Nach Abschluss der Testphase wurde entschieden, dieses System definitiv einzuführen», sagt Jungo. Im Fussball sind die Spielbewertungen bereits Tatsache seit der neuen Saison, auch im Eishockey werden sie ab Herbst fix eingeführt. Immer im Juni will man die Resultate publizieren, das Jahresbudget für das Reporting beträgt eine halbe Million Franken. «Das ist sicher wenig im Vergleich dazu, wie viel Schaden wir verhindern können», sagt Jungo.

Ziel sei es, Muster in den Daten zu erkennen. Und daraus Schlüsse zu ziehen für Spiele in der Zukunft: «Dass wir schon wissen, wann die Hooligans wo zu welcher Art von Gewalt greifen werden, um mit einem entsprechenden Aufgebot rechtzeitig vor Ort zu sein.»

GC und FCZ an der Spitze der Chaoten

Meist Spiele in Zürich betroffen – viel Gewalt abseits der Stadien.

Es ist ein unrühmlicher Spitzenplatz: GC verzeichnet laut Reporting der Polizeilichen Koordinationsplattform Sport die meisten Problemspiele im Fussball. Der Club war in sechs Monaten an elf Partien mit besonders schwerer Gewalt beteiligt. Dahinter folgten der FCZ mit acht und der FC Basel mit sieben Begegnungen. Im Eishockey führte Rapperswil-Jona (5) die Tabelle der Krawalle an, dahinter folgten die ZSC Lions (4) und der EHC Kloten (3).

In Wahrheit randalieren die Anhänger noch öfter. Das neue System erfasst nur Ereignisse, die direkt im Rahmen eines Spiels stattfinden. Also bei Hin- oder Rückreise, rund um das Stadion oder am Match selbst. Oft gibt es aber auch losgelöst von einer Partie Ausschreitungen, zuletzt auffallend oft in Zürich.

Ende 2017 stürmen Vermummte FCZ-Ultras einen Sportplatz, schlagen dort trainierende GC-Fans zusammen. Im Februar kommt es beim Prime Tower zu einer Auseinandersetzung, bei der auf Personen eingetreten wird, die wehrlos am Boden liegen. Im Mai beteiligen sich Fans beider Clubs an einer brutalen Schlägerei in Basel. Im August bewerfen Vermummte in FCZ-Kleidung mit Flaschen und Steinen Polizisten, die nach einer Messerstecherei am See eingreifen wollen.

Mobile Kameras und besserer Schutz für Anzeigeerstatter

Die Fussballclubs GC und FCZ kennen die Ergebnisse des angesprochenen Reportings aus der vergangenen Saison nicht, weshalb sie sich dazu nicht äussern. Beide Vereine verweisen aber auf ihr aktuelles Engagement im Rahmen der Gewaltproblematik im Umfeld des Fussballs, bei dem sie sich zusammen mit der Stadt Zürich in der Projektgruppe Doppelpass engagieren. Die Gruppe erarbeitet Massnahmen im Bereich der Prävention und Repression.

Zürcher Justizbehörden gehen beim harten Kern von rund 200 gewaltbereiten Ultras aus. Vor einem Monat stellten Clubs, Stadtrat und Polizei erste Massnahmen vor. Sie wollen künftig mobile Kameras einsetzen, um delinquente Fans zu identifizieren. Oder Personen, die Hooligans anzeigen, besser schützen, damit diese nicht aus Angst schweigen.

Was die Fans von den Verschärfungen halten? Die Gruppierungen «Südkurve» des FCZ und «Sektor IV» von GC reagierten nicht auf eine Anfrage.

Roland Gamp

So funktioniert das neue Ampelsystem

Bisher hat nur die Polizei Fan-Gewalt rapportiert – uneinheitlich und ohne Gewichtung der Delikte. Neu wird jedes Spiel von drei Seiten bewertet: einem Polizisten, einem Vertreter des Heimteams und von den SBB. Sie beobachten auch Hin- und Rückreise sowie das Geschehen um das Stadion. Und kreuzen in einem standardisierten Fragebogen an, wer wann welche Verstösse begeht. Die Liste reicht von Körperverletzung und Gewalt gegen Beamte über den Einsatz von Pyros bis zur Gefährdung des Lebens. Sind alle drei Rapporte da, berechnet ein Programm daraus eine Ampelfarbe. Bei Grün gab es gemäss Definition «keine oder wenig gravierende Ereignisse». Unter Rot laufen hingegen Spiele mit «gewalttätigen Ereignissen mit besonderer Schwere». Jedes Delikt ist dabei gewichtet: Sollte es zu einem tödlichen Angriff kommen, stellt die Ampel sofort auf Rot. Aber auch viele kleinere Delikte können in der Summe ein Spiel mit schwerer Gewalt bedeuten. Andererseits können vereinzelt Pyros brennen, die Begegnung bleibt aber auf Grün. Untersucht werden alle Spiele der obersten beiden Ligen im Fussball und im Eishockey, zudem die Cup-Partien ab dem 32.-Final sowie Matchs der Nationalmannschaften. In der Pilotphase waren dies vom 1. Januar bis zum 30. Juni 479 Matchs. Alle Parteien haben einige Tage Zeit, gegen den finalen Rapport Einsprache zu erheben. In der Testphase kam dies nie vor.

Wir haben hier ein ernst zu nehmendes Problem
Die Fussballclubs müssen weitere Optionen gegen Fangewalt prüfen, auch kreative.
https://www.derbund.ch/sonntagszeitung/wir-haben-hier-ein-ernst-zu-nehmendes-problem/story/19323351
-> https://www.20min.ch/schweiz/news/story/Gewalt-an-jedem-dritten-Fussballspiel-26894992
-> https://www.nau.ch/news/schweiz/gewalt-an-jedem-dritten-fussballspiel-65446757
-> https://www.telezueri.ch/zuerinews/fangewalt-gc-und-fcz-sind-tabellenfuehrer-133582571#video=1_d8k8f5ry

+++POLICE ROMANDIE
Forte augmentation des violences contre les forces de l’ordre romandes: interview de Jean-Philippe Rochat
Les violences à l’encontre des forces de l’ordre augmentent de façon inquiétante selon l’Union syndicale des polices romandes (USPRO). 3000 cas de violences et menaces contre les forces de l’ordre ont été enregistrés l’an dernier. Interview de Jean-Philippe Rochat, président de l’USPRO.
https://www.rts.ch/play/radio/forum/audio/forte-augmentation-des-violences-contre-les-forces-de-lordre-romandes-interview-de-jean-philippe-rochat?id=9897131&station=a9e7621504c6959e35c3ecbe7f6bed0446cdf8da

+++POLIZEI TG
Mehr Polizisten
TG-Politiker fordern Überprüfung des Bestands
http://www.tvo-online.ch/mediasicht/65718

+++ANTIFA
Sonntagszeitung 14.10.2018

Ein schneller Klick bei Facebook mit langfristigen Folgen

Wer beim Social-Media-Riesen bei ehrverletzenden Inhalten auf «Gefällt mir» drückt, macht sich strafbar. Das entschied das Zürcher Obergericht in einem wegweisenden Urteil.

Mark Baer

Der Präsident des Vereins gegen Tierfabriken (VgT), Erwin Kessler, vertrete «braunes Gedankengut» und sei «braune Scheisse». Bei solchen und anderen Beiträgen auf Facebook drückte Benjamin Frei im Frühling 2016 fleissig den «Gefällt mir»-Knopf. Der 32-Jährige Basler likte auch Kommentare, in denen Kessler als «Antisemit» bezeichnet wurde.

«Massiv ehrverletzende» Beschuldigungen

Das Zürcher Obergericht entschied, dass Frei damit den Tatbestand der üblen Nachrede erfüllt. Im begründeten Urteil, das den Parteien diese Woche zugestellt wurde, bezeichnen die Richter die Beschuldigungen als «massiv ehrverletzend». Insgesamt drückte Frei, der als Velokurier sein Geld verdient und wie Kessler in Tierschutzkreisen aktiv ist, achtmal auf den Like-Button. Einmal teilte er einen ehrverletzenden Beitrag und postete dazu zwei Kommentare auf seiner eigenen Facebook-Seite.

Durch seine Aktivitäten hätten die ehrverletzenden Vorwürfe eine breite Öffentlichkeit erreicht, heisst es im Urteil. Laut dem Obergericht spiele dabei keine Rolle, dass Frei nicht der Verfasser der gelikten respektive geteilten inkriminierten Beiträge war. Der Beschuldigte habe die ehrverletzenden Äusserungen Dritter im Falle des Likens nicht nur einfach neutral weiterverbreitet, sondern ihnen mit dem «Gefällt mir» offen seine Zustimmung versichert. Die sozialen Medien würden keinen rechtsfreien Raum darstellen, in welchem nach Belieben gehandelt werden könne, urteilen die Richter: «Auch bei der Nutzung von Facebook und anderen sozialen Medienportalen ist die geltende Rechtsordnung zu beachten.»

Er habe auf «strukturellen Antisemitismus» aufmerksam machen wollen

Beim Entscheid des Zürcher Obergerichts handelt es sich um die erste höherinstanzliche Verurteilung für Facebook-Likes. Das Urteil wird eine Wirkung auf die unteren Instanzen haben. Im Mai vor einem Jahr machte ein Urteil des Zürcher Bezirksgerichts Schlagzeilen, bei dem ein 45-Jähriger wegen mehrerer ähnlicher Facebook-Likes verurteilt wurde.

Auch Frei unterlag in erster Instanz am Bezirksgericht Zürich. Im Juni 2017 wurde er wegen übler Nachrede zu einer bedingten Geldstrafe von 1800 Franken verurteilt. Er zog den Fall ans Obergericht weiter und erlitt nun erneut teilweise Schiffbruch. Auf Anfrage reagiert Frei mit Unverständnis auf das Urteil. Mit seinen «Likes» habe er nur auf «strukturellen Antisemitismus» aufmerksam machen wollen. Der 74-Jährige Kessler freut sich über das Verdikt. Es sei für seine Organisation existenzbedrohend, wenn jemand behaupte, dass er ein Judenhasser sei. Kessler rechnet nach diesem Urteil nun mit weniger Anfeindungen und tieferen Rechtsanwaltskosten.

Zuerst denken, dann klicken, rät der Anwalt

Aber was bedeutet der Fall für Social-Media-Nutzer? Der Zürcher Anwalt Martin Steiger rät zur Vorsicht: «Man geht mit Kritik in den sozialen Medien sofort ein Risiko ein, wenn die Gegenseite bereit ist, den Rechtsweg einzuschlagen.» Dies könne dann sehr mühsam werden. «Zuerst Denken und dann klicken hilft immer», sagt Steiger.

Ob der Hahnenkampf zwischen den beiden Tierfreunden nun endet, ist noch nicht entschieden. Frei wurde wiederum zu einer bedingten Geldstrafe von 1800 Franken verurteilt. Zudem muss er teilweise für die Gerichtskosten aufkommen und Kessler eine reduzierte Entschädigung leisten. Der laut eigenen Angaben mittellose Frei hat 30 Tage Zeit, sich vor dem höchsten Gericht in Lausanne gegen das Zürcher Verdikt zu wehren. Ob er das Urteil weiterziehe, sei noch nicht entschieden, sagt Frei.

Ob Benjamin Frei eine Chance vor Bundesgericht haben wird, sei schwierig zu beurteilen, sagt Martin Steiger. «Rein statistisch gesehen, sind seine Chancen vor dem höchsten Gericht schlecht.» 2017 sind lediglich etwas über 13 Prozent der Beschwerden gutgeheissen worden. Steiger hofft trotzdem, dass sich das Bundesgericht schlussendlich der Sache annehmen wird, dies vor allem mit Blick auf den Wahrheitsbeweis. «Wenn Frei beweisen könnte, dass die gelikten Äusserungen wahr sind, so wären die Likes nicht strafbar.»
(https://www.derbund.ch/sonntagszeitung/ein-schneller-klick-bei-facebook-mit-langfristigen-folgen/story/30929703)

NZZ am Sonntag 14.10.2018

Trumps früherer Berater Bannon auf Mission Europa

Steve Bannon will in Europa ein rechtes Netz von Populisten knüpfen. Allerdings hat niemand auf den Amerikaner gewartet.

von Remo Hess, Brüssel

Kommt jetzt die Internationale der Nationalisten? Vor einem Monat gelobte Italiens Innenminister Matteo Salvini in Rom feierlich, «The Movement» beizutreten. Steve Bannon stand neben ihm, und beide lächelten um die Wette in die Kameras, mit gutem Grund. Denn Salvinis Schritt sollte erst der Anfang sein. Unter dem Movement will Bannon, der einstige Wahlstratege Donald Trumps, Europas Rechtspopulisten vereinen. Erstes Ziel: ein Erdrutschsieg bei den Europawahlen im Frühling 2019.

Mischaël Modrikamen ist gerne bereit, die Pläne für Europa zu erläutern. Der belgische Anwalt ist Bannons Mann in Brüssel. Er residiert in Watermael-Boitsfort, der wohlhabendsten Gemeinde in der Hauptstadtregion. Zigarre paffend referiert er in seiner Villa, wie man Politik gegen die «Globalisten» und für das Volk machen werde. Angedacht sei ein Gipfeltreffen der euroskeptischen Parteichefs Ende November.

«Blockade-Minorität» bilden

Von der Alternative für Deutschland (AfD) über den Front-national-Nachfolger Rassemblement national, der Lega und die österreichische FPÖ sollen die nationalistischen Kräfte gebündelt werden, die dann nach der Europawahl eine «Blockade-Minorität» bilden. Ohne die vereinigten Populisten sei dann keine EU-Politik mehr zu machen.

Nur hat sich bis jetzt ausser Salvini kaum jemand zum Mitmachen bereit erklärt. Rassemblement-national-Präsidentin Marine Le Pen liess diese Woche wissen, sie könne gut auf die Hilfe «des Amerikaners» verzichten. Auch die AfD und die FPÖ bleiben auf Distanz. Bannon, so scheint es, hat die natürliche Abneigung rechter Parteien gegen transnationale Organisationen unterschätzt.

Selbst mit dem ungarischen Regierungschef Viktor Orban, dem Star der osteuropäischen Rechtspopulisten, harzt es. Im Mai traf er sich mit Bannon und zeigte durchaus Sympathien für den Amerikaner. Trotzdem sieht sich Orban weiterhin in der Europäischen Volkspartei EVP zu Hause – und erteilte der Einladung Bannons im September eine Absage.

Ein «Klub der Gleichgesinnten»

Man müsse das differenziert sehen, sagt Modrikamen. Es sei logisch und geradezu natürlich, dass die nationalistischen Bewegungen Europas einer Einigung mit Skepsis begegnen. Da gebe es viel Ablehnung, Eifersüchteleien und teils sogar Hass untereinander.

Deshalb sei es wichtig, zu erklären, dass sich das Movement nicht oberhalb, sondern neben den nationalen Strukturen etablieren wolle. Es sei nicht mehr als ein «Klub der Gleichgesinnten», wo man sich austauschen könne. Oder dessen Dienstleistungen in Anspruch nehmen. Halb Denkfabrik, halb Wahlkampfplattform also.

Zu diesem Serviceangebot gehört in erster Linie Unterstützung bei der Wahlkampfführung. Bannon wird das entsprechende Personal aus den USA mitbringen. Zwischen 10 und 15 Personen will er in Brüssel beschäftigen und in Modrikamens Villa einen «War Room» einrichten. Die Methoden sollen dieselben sein, die Bannon schon in Trumps Wahlkampf verwendete: personalisierte Wahlwerbung anhand von digitalen Persönlichkeitsprofilen, bekannt als «targeted advertising».

Allerdings dürfte es schwierig werden, das amerikanische Erfolgsmodell 1:1 auf Europa zu übertragen. Die EU besteht aus 28 Mitgliedstaaten mit unterschiedlichen Sprachen und nationalen Medien. Zudem gibt es gesetzliche Hürden. Der Datenschutz ist im Vergleich zu den USA stärker ausgebaut. So hat die EU-Kommission Mitte September Massnahmen beschlossen, die den Umgang mit personalisierter Wahlwerbung einschränken.

Es ist eine direkte Reaktion auf den Datenskandal der britischen Firma Cambridge Analytica, die auch mit Trumps Wahlkampfteam zusammengearbeitet hatte. Das Unternehmen verwendete Facebook-Daten von Millionen von Nutzern missbräuchlich. Wahlkampf im Stile Trumps erscheint unter diesen Voraussetzungen kaum möglich.

Bannon zahlt selbst

Was die Finanzierung angeht, muss sich Bannon in Europa ebenfalls auf neue Verhältnisse einstellen. Die Mobilisierung von Grossspendern wie in den USA ist nur begrenzt möglich, und es gelten striktere Transparenzpflichten. Überhaupt die Finanzen: Auf die Frage, wer «The Movement» finanzieren wird, bleibt Anwalt Modrikamen im Vagen. Bannon werde einen Teil selbst bezahlen, und auch er werde etwas aus der eigenen Tasche beisteuern.

Ein Hindernis sieht Modrikanem in all dem nicht, im Gegenteil. Noch sei Steve – wie der Belgier den Amerikaner nennt – mit den Zwischenwahlen in den USA beschäftigt, die am 6. November stattfinden. Danach werde Bannon seinen Lebensmittelpunkt nach Europa verlegen. Und dann erst richtig loslegen.
(https://nzzas.nzz.ch/international/trumps-frueherer-berater-bannon-auf-mission-europa-ld.1428087)