Medienspiegel 10. September 2018

+++BASEL
Keine Verbrecher, trotzdem im Knast: Menschen in Ausschaffungshaft erzählen
Die Tage im Bässlergut sind immer gleich. In stumpfer Langeweile warten die Insassen auf den Flug und vertreiben sich die Zeit mit Haareschneiden und Trainieren.
https://tageswoche.ch/form/reportage/keine-verbrecher-trotzdem-im-knast-menschen-in-ausschaffungshaft-erzaehlen/

+++ZÜRICH
Bund soll Bootsflüchtlinge aufnehmen
SP, AL und EVP wollen Bootsflüchtlingen helfen: Sie verlangen vom Kanton Zürich, dass dieser Druck auf den Bund ausübt, um solche Menschen aufzunehmen.
https://www.telezueri.ch/62-show-zuerinews#65192-segment-bund-soll-bootsfluechtlinge-aufnehmen
-> https://www.limmattalerzeitung.ch/limmattal/zuerich/sp-al-und-evp-fordern-vom-kanton-zuerich-mehr-engagement-fuer-bootsfluechtlinge-133137795
-> https://www.toponline.ch/news/zuerich/detail/news/zuercher-kantonsrat-zeigt-sich-offen-gegenueber-bootsfluechtlingen-0095569/

+++SCHWEIZ
Uno stoppt Dublin-Ausweisung eines Folteropfers nach Italien
Mit der Ausweisung eines Folteropfers nach Italien würde die Schweiz das Uno-Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe verletzen. Amnesty International begrüsst den Entscheid des Uno-Ausschusses gegen Folter (CAT), der der Rückführung von besonders verletzlichen Asylsuchenden gemäss der Dublin-Verordnung endlich klare Grenzen setzt.
https://www.amnesty.ch/de/laender/europa-zentralasien/schweiz/dok/2018/uno-stoppt-dublin-ausweisung-eines-folteropfers-nach-italien
-> https://www.fluechtlingshilfe.ch/medien/medienmitteilungen/2018/stopp-fuer-dublin-rueckueberstellungen-vulnerabler-personen-nach-italien.html
-> https://www.20min.ch/schweiz/news/story/UNO-Entscheid-10381476

«Viele Asylsuchende lügen!» – Wirklich?
Laura Affolter hat für ihre Doktorarbeit in Sozialanthropologie die alltäglichen Entscheidungspraktiken im Staatssekretariat für Migration untersucht. Ihre Analyse zeigt: «Wir müssen vorsichtig darin sein, was wir als «Wahrheit» oder Fakt akzeptieren. Nur weil vielen Gesuchstellenden aufgrund der sogenannten Unglaubhaftigkeit Asyl verweigert wird, heisst dies nicht, dass diese Personen tatsächlich alle gelogen haben und noch weniger, dass sie keine Flüchtlinge sind. Es heisst bloss, dass ihnen nicht geglaubt wird. Und dafür kann es viele Gründe geben.»
https://www.fluechtlingshilfe.ch/fakten-statt-mythen/beitraege-2018/ueber-die-glaubwuerdigkeit-von-asylsuchenden.html

«Wir sind in der Schweiz und haben Angst, unsere Meinung zu sagen»
China gewinne in der Schweiz zunehmend an Einfluss als Überwachungsstaat. Die Grundrechte der Tibeter müssten deshalb besser geschützt werden, fordert Jigme Adotsang.
https://www.derbund.ch/schweiz/standard/wir-sind-in-der-schweiz-und-haben-angst-unsere-meinung-zu-sagen/story/31453147
-> https://rabe.ch/2018/09/10/tibet-petition-schweden-swiss-skills/

Nichtstun ist keine Option
Henok Afewerki absolvierte als einer der ersten Flüchtlinge die Integrationsvorlehre in der Schweiz. Heute ist der 23-jährige Eritreer auf bestem Weg zum Eidgenössischen Berufsattest (EBA) als Logistiker. Die Post unterstützte als Pilotbetrieb das Projekt des Bundesrats von Anfang an. Der Lernende schildert seine Erfahrungen mit dem Integrationsprojekt und Mario Gattiker, Staatssekretär für Migration, ordnet das Engagement der Post ein.
https://post-medien.ch/nichtstun-als-keine-option

+++DEUTSCHLAND
»Hunderttausende müssen auf die Straßen gehen«
Geschichten der Rettungsschiffe »Lifeline« und »Cap Anamur« ähnlich. Gespräch mit Stefan Schmidt
https://www.jungewelt.de/artikel/339615.seenotrettung-und-fl%C3%BCchtlingshilfe-hunderttausende-m%C3%BCssen-auf-die-stra%C3%9Fen-gehen.html

Nächster Abschiebeflieger nach Kabul am Dienstag trotz katastrophaler Lage?
PRO ASYL appelliert: Neuer Bericht der UN muss zur Aussetzung der Abschiebung führen
https://www.proasyl.de/pressemitteilung/naechster-abschiebeflieger-nach-kabul-am-dienstag-trotz-katastrophaler-lage/

+++GRIECHENLAND
Migration: Griechische Ägäis-Inseln vor dem Flüchtlingskollaps
Knapp 6400 Menschen können auf den griechischen Ostägäis-Inseln aufgenommen werden – mittlerweile sind es aber mehr als 20.000. Die Behörden sind überfordert, es droht die Schließung von Aufnahmelagern.
http://www.spiegel.de/politik/ausland/fluechtlinge-aegaeis-inseln-vor-dem-kollaps-griechenland-warnt-a-1227423.html
-> https://www.zeit.de/politik/ausland/2018-09/griechenland-inseln-aegaeis-fluechtlinge-lager

+++ITALIEN
Das außerordentliche Aufnahmezentrum von Rosolini: Asylsuchende mit eingeschränkter Bewegungsfreiheit
Am 2. August haben wir wieder das CAS* von Rosolini besucht, das von Alessandro Frasca geleitet wird und zurzeit 101 Personen im Alter von 18 bis 30 Jahren beherbergt. Diese Menschen sind vor allem sub-saharianischer Herkunft, manche kommen jedoch auch aus dem Irak, Pakistan, Bangladesch, Afghanistan und Ägypten. Die Kapazität der Einrichtung liegt bei 118 Plätzen und ist auf 240 erweiterbar, auch wenn in Notfallsituationen schon über 250 Personen beherbergt wurden. Am 1. Juni 2018 hat das Zentrum den Zuschlag für weitere zwei Jahre Betrieb erhalten.
https://www.borderlinesicilia.org/de/das-ausserordentliche-aufnahmezentrum-von-rosolini-asylsuchende-mit-eingeschraenkter-bewegungsfreiheit/

Untersuchung von Antonio Mazzeo: Der Hotspot für Migrant*innen in Messina. Unmenschlich und rechtswidrig.
Quelle: StampaLibera – Ein wahrer Slum, überfüllt, aus Dutzenden aufeinander gestapelten Containern aus Zinkblech, Zeltlagern, Zäunen und Trennwänden; wenige baufällige Toiletten und drei Hallen mit Hunderten Stockbetten, die aneinander befestigt sind, aufdringlich, erstickend. Ein modernes und verbrecherisches Lager zur Durchsetzung der „Eindämmungs“-Politik und der Kontrolle von Immigration der Europäischen Union und aller aufeinanderfolgenden Regierungen Italiens, seit August 2014. Damals wurde das Erstaufnahmezentrum in den Räumen der ehemaligen Kaserne „Gasparro“ im Viertel Bisconte von Messina eröffnet. Im Sommer 2017 wurde es dann um einen Zoo-Hotspot-Bereich für die Identifikations-, der Inhaftierungs- und Ausweisungsprozeduren „unerwünschter“ Migrant*innen erweitert, entsprechend der Sicherheitswahlkampagne Minnitis und des Partito Democratico zuvor, und heute der von Salvini und der 5-Sterne-Bewegung.
https://www.borderlinesicilia.org/de/untersuchung-von-antonio-mazzeo-der-hotspot-fuer-migrantinnen-in-messina-unmenschlich-und-rechtswidrig/

+++MITTELMEER
Bootsflüchtlinge: Mehr als 100 Tote bei Unglück im Mittelmeer befürchtet
Nach Angaben der Organisation „Ärzte ohne Grenzen“ könnten Anfang des Monats erneut Dutzende Menschen im Mittelmeer ertrunken sein. Es soll sich um Flüchtlinge gehandelt haben, die von Libyen aus in zwei Booten aufgebrochen waren.
http://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/bootsfluechtlinge-mehr-als-100-tote-bei-unglueck-im-mittelmeer-befuerchtet-a-1227469.html#ref=rss
-> https://www.blick.ch/news/ausland/fluechtlinge-mehr-als-100-tote-bei-unglueck-im-mittelmeer-befuerchtet-id8837273.html

+++EUROPA
EU-Kommission: Frontex soll weitreichendere Kompetenzen erhalten
Die EU-Kommission will die Rolle der Grenzschutzagentur stärken. Neben mehr Personal sind dazu einem Bericht zufolge auch Eingriffe in nationale Hoheitsrechte vorgesehen.
https://www.zeit.de/politik/ausland/2018-09/europaeisches-parlament-neuausrichtung-grenzschutzagentur-frontex

+++LIBYEN
Tripolis: Küstenwache verschwunden, UNHCR zählt Geflüchtete
Die sogenannte libysche Küstenwache der Hauptstadt Tripolis „bleibt an Land“, nun bereits seit 6 Tagen, schreibt der Corriere della Sera. Die Zeitung bezieht sich auf ein Gespräch mit Massud Abdel Samat, dem Marineoffizier, der für die Koordinierung der vier Patrouillenschiffe zuständig ist, die Italien im letzten Jahr „geschenkt“ hat. Es fehle an „Treibstoff, Ersatzteilen oder Mannschaften“. Nur aus der östlich von Tripolis gelegenen Stadt Khoms brechen noch Patrouillenschiffe auf. Unterdessen ist das UNHCR Personal damit beschäftigt, die herumirrenden Geflüchteten in der Hauptstadt zu registrieren und ein kleines „Not-Kit“ (Seife, Decke, Pyjama, Lebensmittel) an sie zu verteilen.
Bei der Gelegenheit zeigt sich der UNHCR schockiert über die mitgeteilten Misshandlungen und Folter von Frauen und sogar Kleinkindern. „Trafficker“ hätten sich als UNHCR-Mitarbeiter verkleidet. In und ausserhalb der libyschen Lager in und um Tripolis habe der UNHCR inzwischen 55.000 Geflüchtete registriert.
https://ffm-online.org/tripolis-kuestenwache-verschwunden-unhcr-zaehlt-gefluechtete/

+++GEORGIEN
Georgien hat einen der höchsten Bevölkerungsanteile an Binnenflüchtlingen weltweit
Land der Geflüchteten
In Georgien leben über 275 000 Binnenflüchtlinge, viele davon immer noch unter prekären Bedingungen.
https://jungle.world/artikel/2018/36/land-der-gefluechteten

+++JENISCHE/SINTI/ROMA
Ausländische Fahrende: Kein Kurswechsel
Der Grosse Rat ist der Ansicht, dass es weiterhin die Aufgabe des Kantons sein soll, einen Transitplatz für ausländische Fahrende zur Verfügung zu stellen.
https://www.bernerzeitung.ch/region/kanton-bern/auslaendische-fahrende-warnung-vor-kurswechsel-fruchtet/story/19013677
-> https://www.derbund.ch/bern/kanton/festgefahren-bei-fahrenden/story/12118923

+++FREIRÄUME
bernerzeitung.ch 10.09.2018

Von Graffenried mag Müllers Kritik nicht kommentieren

Alec von Graffenried steigt nicht auf die Kritik von Philippe Müller ein, er handle gegenüber der Reitschule inkonsequent.

Christoph Hämmann

Der kantonale Polizeidirektor Philippe Müller (FDP), rund 100 Tage im Amt, liess es am Samstag in dieser Zeitung krachen – fast so, als wäre er immer noch der bissige Parlamentarier, der er zuvor in Stadt und Kanton jahrelang gewesen war.

Nach den Ausschreitungen vor der Berner Reitschule am vorletzten Wochen­ende sei das Polizeikorps frustriert, sagte Müller, man wünsche sich «deutlich mehr Rückhalt vom Gemeinderat». Statt den Polizisten den Rücken zu stärken, mache der Gemeinderat das Gegenteil.

Schliesslich verlangte Müller: «Der Gemeinderat soll in corpore und zusammen mit Polizisten vor die Reitschule stehen mit einem Transparent, auf dem steht: ‹Keine Gewalt gegen Polizisten›.» Stadtpräsident Alec von Graffenried (GFL) lehnte es am Montag ab, zu dieser und anderen Forderungen Müllers explizit Stellung zu nehmen.

«Wir reden direkt mit dem Regierungsrat», sagte er. «Wir kommunizieren nicht via Medien mit anderen Behörden.» Von Graffenried bestätigt, dass Müller und er sich bereits letzte ­Woche austauschten, wie dies auch Müller im Gespräch mit dieser Zeitung erwähnt hatte. «Das Interview zeigt, dass wir noch mehr Gesprächsbedarf haben», so von Graffenried.

«Haltloser Vorwurf»

Stadt und Kanton haben laut von Graffenried «so viele gemein­same Themen, wir sind ohnehin immer miteinander im Gespräch». Von einem Zerwürfnis zwischen den beiden Staatsebenen will er nichts wissen.

«Sicher bewerten wir gewisse Dinge unterschiedlich, aber von einer Krise kann meines Erachtens keine Rede sein.» Die Idee mit dem Transparent habe er «nicht ganz verstanden», sagt der Stadtpräsident. «Der ­Gemeinde­rat leitet die Geschicke dieser Stadt. Ich glaube nicht, dass ein Auftritt mit einem Transparent unserem Auftrag angemessen wäre.»

Müllers Vorwürfe an die Stadtregierung zielten unter anderem auf von Graffenrieds Kritik am Polizeieinsatz. «Ich bin missverstanden worden», sagt der Stapi. Der Vorwurf, dass er nicht hinter der Polizei stehe, sei haltlos.

Samstag vorbesprochen

Vor dem kommenden Wochenende, an dem der «Marsch fürs Läbe» und Gegendemonstrationen sowie das Cupfussballspiel zwischen Breitenrain und dem FC Zürich auf der Agenda stehen, plädiert der Stadtpräsident für Deeskalation auf allen Ebenen.

«Die Leitung der Regionalpolizei und der Gemeinderat haben den Samstag vorbesprochen», so von Graffenried. «Da hat kein Blatt Platz zwischen der Polizei und der Stadt.»
(https://www.bernerzeitung.ch/region/bern/stapi-von-graffenried-wir-reden-nicht-via-medien/story/21793918)

derbund.ch 10.09.2018

Stadtpräsident bestreitet Krise mit dem Kanton

Die Kantonsregierung erteilt der Berner Stadtregierung im Umgang mit Kundgebungen Handlungsanweisungen. Auch andere Themen belasten das Verhältnis.

Christoph Aebischer und Simon Wälti

Die Kantonsregierung hat genug. Sie erteilt Berns Stadtregierung Handlungsanweisungen, wie sie mit der Kundgebung «Marsch fürs Läbe» von nächstem Samstag umgehen soll. Via «Berner Zeitung» stellt Polizeidirektor Philippe Müller (FDP) Forderungen, und die Finanzdirektorin Beatrice Simon (BDP) doppelt auf Telebärn nach: «Wir müssen endlich Ordnung hinkriegen. Das ist im Sinn der Gesamtregierung.» Die Situation ist nach dem eskalierten Polizeieinsatz vor der Reitschule angespannt: Weil Ultrarechte nächsten Samstag auf dem Bundesplatz mitdemonstrieren wollen, ist mit einer Gegenveranstaltung von Linksautonomen zu rechnen.

Irritationen nehmen zu

Das Verhältnis zwischen Stadt und Kanton war schon vorher belastet. Die Eskalation zwischen dem bürgerlichen Regierungsrat und der linksgrün regierten Stadt reiht sich ein in eine Abfolge von Konflikten.

Verstimmung nach den Kürzungen des Grundbedarfs für Sozialhilfeempfänger: Berns Sozialdirektorin Franziska Teuscher (Grünes Bündnis) wendet sich 2017 direkt gegen die von Regierung und Grossem Rat beschlossenen Kürzungen im Sozialhilfegesetz. Danach fragt Gesundheits- und Fürsorgedirektor Pierre Alain Schnegg (SVP) die Stadt gar nicht erst an, ob sie bei einem Integrationsprogramm für Sozialhilfeempfänger mitwirken wolle.

Gerangel um Kompetenzen im Gastgewerbe: Überzeitbewilligungen oder Bewilligungen für Aussenbestuhlung bei Restaurants und temporären Bars kann das städtische Polizeiinspektorat nicht selber erteilen. Das letzte Wort hat der kantonale Regierungsstatthalter. In Zürich entscheidet die Stadt selber. Die bernische Regierung lehnte eine Änderung schon einmal ab. 2013 überwies der Grosse Rat dann einen zweiten GLP-Vorstoss. Seither herrscht Funkstille. Die Kantonsregierung ist dem Vernehmen nach weiterhin nicht gewillt, hier einzulenken.

Druck via die geplanten Änderungen beim Finanzausgleich: Die Stadt soll aufgrund neuer Berechnungsmodi weniger Geld erhalten als Abgeltung für die Zentrumslasten. Grossräte lassen durchblicken, dass Reklamationen der Stadt angesichts der «frivolen» Finanzpolitik kaum Gehör finden dürften. Im Hinblick auf die Debatte im Stadtrat vollzogen bürgerliche Kräfte den Schulterschluss. Weil die Zustimmung zum Budget auch in der Mitte bröckelte, krebste der Gemeinderat beim geplanten Stellenausbau zurück.

Die Direktiven zum Umgang mit dem Kulturzentrum Reitschule als vorläufiger Höhepunkt: Der Gemeinderat solle die Reitschule wegen der Kundgebung «Marsch fürs Läbe» vorübergehend schliessen, sagte der neue Polizeidirektor Philippe Müller (FDP) in aller Öffentlichkeit. Kooperiere diese nicht, müsse der Gemeinderat endlich Sanktionen ergreifen. Zum Beispiel solle die Stadt der Reitschule den Strom abstellen oder Subventionen zurückhalten. Zudem solle der Gemeinderat mit einem Transparent vor der Reitschule ein Ende der Gewalt gegen Polizisten fordern. Müller zieht den Vergleich zu den Young Boys, die im Stadion ein Transparent gegen Rassismus entrollten.

Stadt reagiert zurückhaltend

Stadtpräsident Alec von Graffenried (GFL) hält den Ball flach. «Die unterschiedliche politischen Ausrichtung von Gemeinderat und Regierungsrat führt zwar zu unterschiedlichen Haltungen und entsprechend auch zu Differenzen», sagte er gestern. Aber diese würden bilateral ausdiskutiert. Von einer Krise könne keine Rede sein. Auf Müllers Einzelabfertigung der Gemeinderäte geht von Graffenried im Gespräch nicht ein. Müller taxierte einzig Sicherheitsdirektor Reto Nause (CVP) als verlässlichen Partner der Polizei. Der Stadtpräsident selber stehe nur zur Hälfte hinter ihr und die anderen drei Gemeinderatsmitglieder gar nicht.

Nause reagierte bei Telebärn positiv auf Müllers Klartext. Es sei «störend», wenn nach einem Einsatz der Polizei in den Rücken gefallen werde. Kein Verständnis zeigt er für linke Forderungen, den Polizeieinsatz zu untersuchen. «Es gibt dafür keine Veranlassung», sagte Nause auf Anfrage. Nause ist das einzige bürgerliche Mitglied des Gemeinderats. Franziska Teuscher, Ursula Wyss (SP) und Michael Aebersold (SP) liessen Anfragen des «Bund» unbeantwortet.

«Selber schuld»

Im Grossen Rat sorgte Müllers Botschaft für unterschiedliche Reaktionen. Gemäss Adrian Haas (FDP, Bern) ist die Stadt «selber schuld», weil sie an verschiedenen Orten übertreibe. Das Verhältnis zwischen Kanton und Stadt sei nicht unbedingt schlechter geworden, doch der Kanton spreche vermehrt an, was ihn störe. Bei der Polizei habe Müller als oberster Vorgesetzter auch eine Fürsorgepflicht gegenüber seinen Angestellten (siehe Box). Bei der BDP vernimmt man ähnliche Töne: BDP-Fraktionschefin Anita Luginbühl sagt, Müller habe sich schützend vor die Polizisten gestellt, was verständlich sei. «Mir persönlich haben die mutigen Worte des Regierungsrats imponiert.»

Die Stadtberner Grossrätin Natalie Imboden (Grünes Bündnis) fand Müllers Auftritt ziemlich deplatziert und den Tonfall herablassend. Über das Verhältnis Kanton – Stadt äussert sie sich besorgt. Im Grossen Rat sei das Verständnis für städtische Belange traditionell nicht sehr gross, nun giesse auch noch der Regierungsrat Öl ins Feuer. «Die Regierung würde gescheiter Besonnenheit walten lassen und das grosse Ganze im Auge behalten», rät sie dem Gremium.

Der Könizer GLP-Grossrat Thomas Brönnimann fordert in einer Mail an den «Bund» die Rückkehr zu einem lösungsorientierten Dialog: «Gegenseitige Schuldzuweisungen erscheinen aus neutraler Warte kontraproduktiv, um real existierende Probleme zu lösen. Und die gibt es. Auf beiden Seiten.»

Polizeieinsatz gibt zu reden

Die FDP sorgt sich um die Gesundheit der Kantonspolizisten, nachdem beim Einsatz vor der Berner Reitschule drei von ihnen verletzt worden sind. Sie erinnert an die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers. In einem gestern eingereichten Vorstoss kritisieren die unterzeichnenden FDP-Grossräte die mangelnde Unterstützung durch den Stadtberner Gemeinderat. Der Regierungsrat solle abklären, ob er via Ressourcenvertrag oder via Aufsicht über die Gemeinden Druck auf die Stadt ausüben könnte. Die Situation sei «unzumutbar».

SP und Alternative Liste ihrerseits regen mit Interpellationen eine unabhängige Aufarbeitung des in der Nacht auf den 2. September eskalierten Polizeieinsatzes an. Dabei wurden auch 14 Besucher der Reitschule verletzt.

Seit 2011 hat die Stadt Bern keine eigene Polizei mehr. Diese wurde damals in die Kantonspolizei integriert. Seither kauft die Stadt Polizeidienstleistungen ein. Sie bezahlt dafür über 30 Millionen Franken pro Jahr. (cab)
(https://www.derbund.ch/bern/spannungen-zwischen-stadt-bern-und-kanton/story/26102009)

Erikastrassenfest gegen Verdrängung
Am Samstag fand in der Klybecker Erikastrasse ein Strassenfest statt. Hier kam es im Frühling zu einer Massenkündigung: 21 Parteien aus drei Häusern haben auf Ende November 2018 die Kündigung wegen Totalsanierung erhalten. Dies kurz nachdem die Häuser vom Verwalter Walter Weisshaupt an die Zürcher Immobilienspekulanten „BEM Property Group“ vermittelt wurden. Die Bewohner*innen waren dabei alles andere als untätig – mit einer lokalen Genossenschaft haben sie selbst ein Angebot gemacht. Sie erhielten eine unbegründete Absage.
https://dmadeimdaig.info/erikastrassenfest-gegen-verdraengung/

+++DEMO/AKTION/REPRESSION
„Marsch fürs Läbe“ erwartet politisch explosive Mischung
Diesen Samstag findet die grosse Demonstration gegen Abtreibung statt. Eine Gegen-Demo der Linksautonomen soll auch geplant sein.
https://www.telebaern.tv/118-show-news/27597-episode-montag-10-september-2018/65167-segment-marsch-fuers-laebe-erwartet-politisch-explosive-mischung#marsch-fuers-laebe-erwartet-politisch-explosive-mischung

+++SEXWORK
Die Schweiz streitet über Prostitutionsverbot
Eine kleine Zürcher Nichtregierungsorganisation sorgte mit der Forderung eines Prostitutionsverbotes nach schwedischem Vorbild für gehörigen Wirbel. In der Schweiz gilt Sexarbeit als „richtiger“ Beruf.
http://www.swissinfo.ch/ger/kaeuflicher-sex_die-schweiz-streitet-ueber-prostitutionsverbot/44345260

Telebasel Themenwoche: Rotlicht
Das Basler Rotlicht-Milieu ist im Wandel: Kontaktbars werden zu Hipster-Lokalen und legendäre Knillen machen dicht. Die Themenwoche begibt sich auf Spurensuche.
https://telebasel.ch/2018/09/10/telebasel-themenwoche-rotlicht/?utm_source=lead&utm_medium=carousel&utm_campaign=pos%200
-> https://telebasel.ch/2018/09/10/sie-haengen-ihre-brueste-raus-und-fassen-den-leuten-in-den-schritt/?channel=105100

+++JUSTIZ
Staatsanwaltschaft und Gerichte sollen Polizei besser informieren
Der Informationsfluss zwischen den Strafverfolgungsbehörden soll sich laut einem SVP-Vorstoss weiter verbessern. Der Grosse Rat überwies am Montag ein entsprechendes Postulat.
https://www.bernerzeitung.ch/region/bern/staatsanwaltschaft-und-gerichte-sollen-polizei-besser-informieren/story/29903580

+++KNAST
Zwei Jahre «Kurzzeithaft»? Baselland steckt Häftling monatelang ins letzte Loch
Der Kanton Baselland sperrt einen Mann aus Algerien fast zwei Jahre ins Gefängnis, das nur für Kurzstrafen oder die Dauer einer U-Haft ausgelegt ist. Die Haftbedingungen verstossen in mehrfacher Hinsicht gegen Bundesrecht.
https://tageswoche.ch/gesellschaft/zwei-jahre-kurzzeithaft-baselland-steckt-haeftling-monatelang-ins-letzte-loch/

+++POLICE BE
Reitschul-Krawall: Öffentliche Kritik vom Kanton an Stadt Bern
Der Streit zwischen dem Regierungs- und Gemeinderat geht weiter. Jetzt fordert die FDP gewährleistete Gesundheit der Polizisten während einem Einsatz.
https://www.telebaern.tv/118-show-news/27597-episode-montag-10-september-2018#reitschul-krawall-oeffentliche-kritik-vom-kanton-an-stadt-bern

Angriffe gegen Einsatzkräfte der Kantonspolizei Bern: Fürsorgepflicht für die Angestellten des Polizeicorps
Die FDP-Fraktion hat heute im Kantonsparlament eine dringliche Interpellation zu den Auseinandersetzungen vom 2. September auf der Berner Schützenmatte eingereicht. Die FDP verlangt Auskunft inwiefern der Kanton Bern gegenüber den Angestellten des Polizeicorps seiner Fürsorgepflicht als Arbeitgeber nachkommen kann. Die FDP-Interpellation im Wortlaut:
http://www.fdp-be.ch/newsmedienmitteilungen/114130-fuersorgepflicht-fuer-die-angestellten-des-polizeicorps

Polizei schoss tatsächlich mit einem Gummischrot-Smiley
Nach dem Reitschul-Krawall startete die Diskussion um das aufgezeichnete Smiley auf dem Gummischrot-Geschoss. Nun ist klar: Es stammt von der Polizei.
https://www.telebaern.tv/118-show-news/27597-episode-montag-10-september-2018/65165-segment-polizei-schoss-tatsaechlich-mit-einem-gummischrot-smiley#polizei-schoss-tatsaechlich-mit-einem-gummischrot-smiley
-> https://www.derbund.ch/bern/stadt/ein-polizist-malte-das-smiley-auf-gummischrot/story/24150093
-> https://www.bernerzeitung.ch/region/bern/smileys-auf-gummischrot-es-war-doch-ein-polizist/story/18960202
-> https://www.20min.ch/schweiz/bern/story/-Smiley-widerspricht–gebotenem-Respekt–18990117
-> https://www.blick.ch/news/schweiz/bern/berner-beamte-outete-sich-bei-seinem-chef-polizist-verzierte-gummi-geschoss-mit-smiley-id8836438.html
-> https://www.watson.ch/!687124718
-> https://www.nau.ch/smiley-auf-gummischrot-stammt-von-berner-polizisten-65417028
-> https://www.nzz.ch/schweiz/der-smiley-auf-dem-gummischrot-stammt-von-einem-berner-polizisten-ld.1418994

+++POLIZEI CH
Gewalt gegen Beamte: Polizeigewerkschafterin Johanna Bundi Ryser lässt nicht locker
Johanna Bundi Ryser ist die erste Frau an der Spitze der Polizistengewerkschaft VSPB. Im Kampf gegen die Gewalt an Beamten schreckt sie auch vor Kritik an ihrer Chefin, Bundesrätin Simonetta Sommaruga, nicht zurück.
https://www.tagblatt.ch/schweiz/das-sprachrohr-der-polizisten-ld.1051972

Sicherheitsdirektoren-Konferenz: Pierre Maudet droht ein weiterer Machtentzug
Es gilt die Unschuldsvermutung, doch nur schon der Vorwurf des Verdachts auf Vorteilsnahme gegen Pierre Maudet wirft ein ungutes Licht auf die Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren (KKJPD). Nun könnte der KKJPD-Vorstand dem Genfer Regierungsrat folgen.
https://www.aargauerzeitung.ch/schweiz/sicherheitsdirektoren-konferenz-pierre-maudet-droht-ein-weiterer-machtentzug-133141495

+++ANTIFA
Rechte Grüsse aus Kreuzlingen
Der Holocaust-Leugner Bernhard Schaub, ist in Kreuzlingen gemeldet, mischt aber die rechte Szene in Deutschland auf. Von 1996 bis 1998 arbeitete er für die Migros Klubschule in Frauenfeld.
https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/kreuzlingen/rechte-grusse-aus-kreuzlingen-ld.1052249

Schweizer Ex-Lehrer begeistert Neonazis
Der Rechtsextreme Bernhard Schaub lebt in Deutschland und ruft von dort zum Sturz des Systems auf. Er sei in der Szene bestens vernetzt, sagen Experten.
https://www.20min.ch/schweiz/news/story/Der–Hardcore-Neonazi–aus-der-Schweiz-13373254
-> https://www.derbund.ch/ausland/europa/schweizer-ruft-deutsche-neonazis-zum-aufstand-auf/story/16009170
-> https://www.20min.ch/ausland/news/story/dadad-16073567
-> https://nzzas.nzz.ch/schweiz/schweizer-ruft-deutsche-neonazis-zu-umsturz-auf-ld.1418507

Antifa Ostschweiz, es gibt kein ruhiges Hinterland
Die Welt rückt weiter nach rechts. Über Trump wurde ja schon einiges geschrieben. In Italien regiert eine extrem rechte Partei und verhindert die Rettung von geflüchteten Menschen. In Schweden besteht die grosse Wahrscheinlichkeit, dass eine ähnliche Partei an die Macht kommt. Im Osten Deutschlands „demonstrieren“ erneut sogenannte besorgte Bürger Seite an Seite mit Neonazis. Und mindestens ein Schweizer Nationalrat weiss nichts besseres zu tun, als zu behaupten die menschenverachtenden Forderungen dieser mindestens rechtsoffenen Gesellen würden nicht genügend ernst genommen.
https://barrikade.info/Antifa-Ostschweiz-es-gibt-kein-ruhiges-Hinterland-1396

Chemnitz, wie hast du’s mit der Schweiz?
In Sachsen zeigt sich, was passieren kann, wenn der Populismus von SVP und AfD auf echte Wut trifft. Auch sonst gibt es mehr Gemeinsamkeiten, als man auf den ersten Blick vermuten würde.
https://www.republik.ch/2018/09/10/chemnitz-wie-hast-du-s-mit-der-schweiz?utm_source=newsletter&utm_medium=email&utm_campaign=republik%2Fnewsletter-editorial-zweimal-chemnitz-einmal-die-geldpolitik

Wie ein Altbundesrat bei den Nazis den übelsten Hetzfilm der Schweizer Geschichte produzierte
Im Herbst 1938 sorgt der antikommunistische Propagandafilm «Die Rote Pest» in der Schweiz für Empörung. Seine Macher sind ein ehemaliger Bundesrat und ein künftiger Obersturmbannführer der SS – ein Blick zurück.
https://www.nzz.ch/schweiz/der-altbundesrat-und-sein-hetzfilm-ld.1418663

Antikommunismus: Um uns und unter uns
Die Ära des Kalten Krieges war in der Schweiz geprägt von einer antikommunistischen Hysterie. Nur in diesem Kontext lässt sich die Geheimarmee P-26 richtig interpretieren.
https://www.woz.ch/-8fc6

+++GEWALT-GEWALT-GEWALT
Trotz Identifikation der Täter – Genfer Frauenschläger weiter auf freiem Fuss
Im August wurden in Genf fünf Frauen attackiert. Ermittelt wird in Frankreich – bislang ohne Erfolg.
https://www.srf.ch/news/schweiz/trotz-identifikation-der-taeter-genfer-frauenschlaeger-weiter-auf-freiem-fuss