In Basel wird heute 17. August um 20 Ihr zu einer rassistischen Demonstration aufgerufen. Die Demo will Solidarität bekunden mit der «Clique Negro-Rhygass» und «Gugge Mohrekopf» und empört sich über Rassismuskritiker*innen, die die rassistische Symbolik der Logos und Parties solcher Fasnachtsgruppen angreifen.
In den sozialen Medien zeigen sich bereits über 1600 Personen interessiert an der Demo teilzunehmen. Wir veröffentlichen hier eine Stellungnahme, die uns heute zugeschickt wurde:
Am letzten Samstag feierte die Fasnachtsgugge «Clique Negro-Rhygass» ihr jährliches «Negro-Fest». Aufgespannt war ein Banner mit ihrem Logo: Eine karikierte Schwarze Person mit hervorstehenden Lippen, Bastrock, Ringen und einem Knochen im Haar. Passant*innen meldeten das rassistische Emblem und ihr Name bei Zeitungen und bei der Organisation «Stopp Rassismus». Inzwischen wurde auch eine Petition lanciert, die gar um die Auflösung dieser Gugge und der «Gugge Mohrekopf» fordert. Laut Medien finden weder der Obmann der «Clique N* Rhygass» noch das Basler Fasnachts-Comité Handlungsbedarf. Es sei keine rassistische Intention dahinter, sondern handle sich um Tradition. Diese «Tradition» beschützen wollen auch andere Fasnächtler*innen. In sozialen Medien wird Solidarität bekundet mit den beiden «Guggen» und über die Rassismuskritiker*innen hergezogen und für heute 17. August um 20 Uhr wird zu einer bewilligten Demonstration aufgerufen. Ein «Solidaritäts Marsch» für die beiden Fasnachtsgruppen. Über 1600 Personen zeigen sich interessiert daran teilzunehmen.
Wir, verschiedene Schwarze und antirassistische Kollektive und Einzelpersonen rufen gegen die Demo auf und fordern stattdessen eine vertiefte Auseinandersetzung mit alltäglichen kolonialen Symbolen in der Schweiz auf. Wir fordern eine Fasnachtskultur, die Rassismus und anderen Formen der Diskriminierung entgegentritt.
Wir befinden uns inmitten der UNO-Dekade für Menschen mit afrikanischen Hintergrund (2015-2024). Diese wurde in der Schweiz letztes Jahr lanciert und folglich anerkannt. In dieser wird einerseits festgehalten, dass Rassismus gegenüber Schwarze auf einer Geschichte von Kolonialismus, Versklavung und Genozid beruhe. Wir wissen inzwischen, dass die Schweiz Teil solcher Kolonialenprojekte war.
Das «N»- und das «M»-Wort sind Begriffe, die innerhalb von «Rassentheorien» Menschen in unterschiedliche «Rassen» einteilte. Schwarze wurden als «N» und «M» klassifiziert, manchmal an der Grenze zum Tier verortet und meistens als «wild», «unzivilisiert» herabgesetzt, im Gegensatz zu den weissen Kolonisatoren, die als aufgeklärt, fortschrittlich und zivilisiert verstanden wurden. Mit solchen «Rassentheorien» wurde Ausbeutung, Entmenschlichung und die Vernichtung von Lebenskulturen legitimiert. Diese wirken bis heute in Diskriminierungen und Ungleichheit fort. Wie die neusten Studien der eidgenössichen Kommission gegen Rassismus und der Fachstelle für Rassismusbekämpfung bestätigen, gilt das auch für die Schweiz.
Das Emblem der «Clique N Rhygass» bestärkt diese Idee. Baströcke und nackte Haut wurden in Europa zu Zeichen von «Unzivilisiertheit» und «Dekadenz», sowohl 1927 oder 1958, die beiden Gründungsjahre auf die sich die Gruppe beruft. Dasselbe gilt für den Knochen im Haar, der darüber hinaus noch die koloniale Phantasie befeuert, in der Schwarze des Kannibalismus und Aberglauben bezichtigt werden.
Wenn diese Begriffe und Embleme als «Tradition» beibehalten werden, wird auch die koloniale Tradition von Rassismus legitimiert. Schwarze Menschen, die sich allenfalls durchaus an der Fasnacht und Gugge erfreuen könnten, wird damit signalisiert, dass sie vor allem dann willkommen sind, wenn über ihre Entmenschlichung und Diskriminierung gelacht werden darf. Weniger mit ihnen, als über sie.
Wir nehmen die Deklaration des Obmanns und des Fasnachts-Comités ernst, dass sie nicht rassistisch sein wollen. Aber rassistische und koloniale Fantasien dementieren, Rassismus zur Ansichtssache und subjektiven Empfindung herabstufen, führt nicht zu weniger Diskriminierung. Rassistische Vorstellungen zirkulieren ganz offensichtlich noch heute. Wer diese Bilder reproduziert trägt dazu bei, dass sie nicht aus der Welt verschwinden.
Intention reicht nicht, sondern auf die Wirkung kommt es an. Wir müssen also unsere Handlungen ändern. Es geht nicht darum bestimmte Fasnachtsgruppen aufzulösen, sondern darum die Tradition der Basler Fasnacht auf ihre rassistische Praxis hin zu prüfen, gegen Rassismus anzutreten und eine Tradition aufzubauen, die nicht diskriminierend ist. Dass N-Wörter und M-Köpfe nicht als rassistische Symbole erkannt werden, zeigt vor allem auf, wie fest sie in unserem Alltag verankert sind. Und somit, dass wir alle uns mit Rassismus, seiner Struktur und wie er wirkt auseinandersetzen müssen.
Setzen wir bei Antirassismus, Antikolonialismus und Antidiskriminierung an. Ihre Tradition ist ebenso lange, wie die des Rassismus.