antira-Wochenschau: Ausschaffungsdeal mit Sri-Lanka, EU-Aussengrenze in der Sahara, Solidarity-Cities

Widerständiger Rückblick auf eine Woche voller Rassismus.

Was ist neu?

Sommaruga feiert ihren Ausschaffungsdeal in Sri-Lanka
Bundesrätin Sommaruga hat vor zwei Jahren mit den Herrschenden in Sri Lanka ein Ausschaffungsdeal abgeschlossen. Seither haben geflüchtete Medienschaffende, Menschenrechtsaktivist*innen und Oppositionspolitiker*innen aus Sri Lanka sowie Kämpfer*innen der Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE) in der Schweiz weniger Chancen auf Asyl. Diese Woche reiste Sommaruga erneut nach Sri Lanka und erweiterte das Abkommen. Seit 2016 wurden insgesamt 37 Menschen mit Gewalt nach Sri Lanka verschleppt. Im gleichen Zeitrahmen sind 354 Menschen aus Sri Lanka in der Schweiz – vermutlich aus Angst vor Verschleppung – untergetaucht.


Gewerkschaften wehren sich gegen den Angriff auf Lohnschutz
Weil viele EU-Arbeitsmigrant*innen in der Schweiz gezwungen sind, schlechte Jobangebote anzunehmen, führte die Personenfreizügigkeit zu Lohndruck. Die Gewerkschaften hatten dem freien Personenverkehr unter der Bedingung zugestimmt, dass sogenannte flankierende Massnahmen (FlaM) den Gewerkschaften Macht geben die Löhne zu beobachten und Lohndumping zu bestrafen. Zahlreiche Berichte zeigen, dass die FlaM die Löhne nur sehr beschränkt schützen. Dieser geringe Lohnschutz geht dem Bundesrat und dem Arbeitgeberverband dennoch schon zu weit. Im Rahmen der laufenden Verhandlungen über ein neues Rahmenabkommen mit der EU, wollen sie die FlaM aufs Spiel zu setzen. Negativ betroffen wären davon besonders Migrant*innen.

Die Frauenrechtsorganisationen Terre des Femmes (TdF) Schweiz und TdF Deutschland spalten sich
Trotz der fast identischen Leitbilder ist zwischen TdF Schweiz und TdF Deutschland bereits vor Jahren ein Streit ausgebrochen, der nun dazu geführt hat, dass die beiden Organisationen ihre Zusammenarbeit beendet haben. Grund dafür sind unterschiedliche Meinungen zu Sexarbeit und zum Kopftuch. Ausschlaggebend für die Trennung war erstens eine Kampagne in der Schweiz gegen die Kriminalisierung der Sexarbeit, welche TdF Schweiz unterstützt. TdF Deutschland hingegen sucht die Kriminalisierung der Sexarbeit.
Zweitens entstanden bereits 2010 aufgrund der Forderung nach einem Vollverschleierungsverbot in der Schweiz inhaltliche Differenzen zwischen TdF Schweiz und TdF Deutschland. Während TdF Schweiz gegen das Verbot argumentierte, setzte sich TdF Deutschland für ein Verbot ein, da aus ihrer Sicht das Kopftuch vor allem Symbol von einer patriarchalisch fundierten Geschlechterhierarchie sei.

Was ist aufgefallen?

Das SEM will Asylsuchende in die Landwirtschaft bugsieren
Das SEM hat in den letzten drei Jahren 2015-2017 30 aufgenommene Asylsuchende und vorläufig Aufgenommene an Landwirtschaftsbetriebe “vermittelt”. Offenbar sucht das SEM nach Modellen, wie Geflüchtete in der Landwirtschaft ausgebeutet werden können. Die Vermittelten erhielten 3200 Franken bei 60 Stunden Arbeit pro Woche (Mindestlohn in der Landwirtschaft), wovon dann noch für Kost und Logis was abgezwackt wurde. Dabei wurde offenbar gar nicht erst geschaut, ob die betroffenen Leute überhaupt in der Landwirtschaft arbeiten wollen und wurden unter Androhung von Sanktionen durch den Sozialdienst in dieses Programm hineingedrängt.

EU-Aussengrenzen faktisch in die Sahara verschoben
Auf Druck der EU haben die Behörden in Niger das Transportieren von Migrant*innen vor zwei Jahren unter hohe Strafen gestellt. Die EU investierte in Millionenhöhe in den Sicherheitsapparat Nigers, konkret in Ausbildung und Ausrüstung. Der Sicherheitsapparat versucht seither in der Wüste um Agadez die Migration gegen Norden zu blockieren. Dies macht die Flucht durch die Sahara nur noch gefährlicher. 3 Mal so viele Menschen sterben bei der Durchquerung der Sahara wie im Mittelmeer.
Auch im Sudan, ein anderes wichtiges Transitland für viele Flüchtende, investierte die EU zur Migrationsabwehr seit 2015 mehr als 200 Millionen Euro. Nun will die EU nochmals 5 Millionen in ein Polizeizentrum in Khartoum investieren. Damit intensiviert die EU die Zusammenarbeit mit einem Regime, vor dem selbst 2.7 Millionen Menschen auf der Flucht sind. Problematisch ist ausserdem, dass im Sudan auch (ehemals paramilitärische) Spezialkräfte und der Geheimdienst am Grenzschutz beteiligt sind. Kräfte die z.T. am Völkermord in Dafur beteiligt waren.


Gericht verurteilt rassistisches Vorgehen der aargauer Kantonspolizei
Zwei Moldawier wurden nach einer Polizeikontrolle, in der kein Tatverdacht festgestellt werden konnte, unrechtmässig für 13 Stunden festgehalten. Ihr Anwalt kritisiert das Vorgehen der Kantonspolizei scharf: “Obwohl den Polizisten nach einem Blick in den Kofferraum rasch klar gewesen sein musste, dass es sich nicht um Einbrecher handelte, wurden sie wie Schwerkriminelle behandelt. Wären sie mit österreichischem oder italienischem Nummernschild am Auto unterwegs gewesen, wären sie nicht festgenommen worden.” Wie nicht anders zu erwarten, ist das Schuldeingeständnis der Kantonspolizei äusserst dürftig ausgefallen: „Die Kantonspolizei ist zurzeit dabei, den Beschwerdeentscheid des Regierungsrates vertieft zu analysieren und die künftige Praxis entsprechend anzupassen.“

Was können wir tun?

Städte fordern eine progressivere Flüchtlingspolitik
„Solidarity City“-Bündnisse in europäischen und amerikanischen Staaten stellen sich quer gegen die Abschottungspolitik ihrer nationalen Regierungen. Sie fordern Abschiebestopps und die direkte Aufnahme von Geflüchteten in den beteiligten Städten.
Eine stärkere politische Vernetzung beginnt sich zu etablieren zwischen Städten wie Athen, Barcelona, Neapel und Berlin. Die Netzwerke beziehen sich unter Anderem auf die Charta von Palermo. Darin fordert der Bürgermeister die Abschaffung der Aufenthaltsgenehmigung, die Verknüpfung bürgerlicher Rechte mit dem Wohnort sowie die bedingungslose Gewährleistung des Rechts auf globale Bewegungs- und Niederlassungsfreiheit.

Was steht an?

Demo für sichere Fluchtrouten und Häfen
Menschen auf dem Mittelmeer sterben zu lassen, um die Abschottung Europas weiter voranzubringen und politische Machtkämpfe auszutragen, ist unerträglich.
Gegen diese menschenverachtende Politik hat sich die internationale SEEBRÜCKE-Bewegung gebildet. Diese solidarisiert sich mit allen Menschen auf der Flucht und ruft deshalb am 1. September zur Demo in Zürich auf, um für sichere Fluchtrouten und eine stärkere Seenotrettung zu demonstrieren.
Samstag | 1. September | 14:00 | Helvetiaplatz Zürich

Wo gibts Widerstand?

Smash Borders like Piñatas
Aktivist*innen aus Zürich haben die Limmat in einen politischen Parcours verwandelt. Mit Transparenten und Skulpturen an den Flussbrücken wollen sie auf die verheerende Grenzpolitik im Mittelmeer und die repressive Praxis der Grenzschutzagentur Frontex aufmerksam machen.

 Auch der schweizer Staat ist mit dem Bau des ersten Bundesasylzentrums, der Mitfinanzierung von Frontex oder als eifriger Dublin-Rückschaffer Unterstützer dieser mörderischen Politik.
Die Aktion soll zudem das Privileg aufzeigen, Wochenende für Wochenende in ausgelassener Stimmung die Limmat runtertuckern zu können, während Menschen auf dem Mittelmeer in denselben Gummibooten ertrinken.

Sehenswertes / Hörenswertes