Medienspiegel 22. Juni 2018

+++LUZERN
Bei Dienststelle kündigten über 100 Mitarbeiter – Nach Freistellung wird immer mehr Kritik an Luzerner Asylchefin laut
Die Freistellung des Leiters aller Luzerner Asylzentren ist bei Weitem nicht der erste Abgang in der Dienststelle. Die Personalfluktuation ist hier doppelt so hoch wie sonst beim Kanton. Für ehemalige Mitarbeiter ist klar: Verantwortlich sei der Führungsstil von Silvia Bolliger. Dies kostete sie bereits einmal den Job.
https://www.zentralplus.ch/de/news/politik/5571345/Nach-Freistellung-wird-immer-mehr-Kritik-an-Luzerner-Asylchefin-laut.htm
-> https://www.luzernerzeitung.ch/zentralschweiz/luzern/freigestellter-asylzentren-leiter-will-keine-weitere-eskalation-ld.1031089
-> https://www.zentralplus.ch/de/news/politik/5571253/Eklat-Kanton-stellt-Leiter-der-Luzerner-Asylzentren-per-sofort-frei.htm

+++ST. GALLEN
Deutsch für Flüchtlinge: Die St.Galler Sprachschule Integra zieht um
Die Sprachschule Integra ist für Asylsuchende in der Region St.Gallen die erste Anlaufstelle, um Deutsch zu lernen. Jetzt zügelt die Schule von St.Fiden ins «Tschudiwies». Das hat vor allem Vorteile, aber auch einen Nachteil.
https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/stgallen/deutsch-fur-fluchtlinge-ld.1031487

+++ZÜRICH
Newsletter vom 21.06.2018
Liebe Unterstützerinnen und Unterstützer
Viel zu lange haben Sie nichts mehr von hierzuhause und der Familie M. gelesen, dafür möchten wir Sie um Entschuldigung bitten. Bevor wir versuchen, Ihnen einen Überblick zur Situation von Familie M. in Tschetschenien zu geben, lassen Sie uns die lange Sendepause erklären.
http://www.hierzuhause.ch/de/?section=newsletter&cmd=displayInBrowser&standalone=true&code=&email=&id=69

zsz.ch 22.06.2018

«Der Spruch mit dem Zelt war weder sachlich noch angebracht»

Zelt und Schlafsack kaufen, das schlug das Sozialsekretariat einem Flüchtling vor, der keine neue Wohnung fand. Diese Meldung sorgte vor wenigen Tagen für Schlagzeilen. Der künftige Gemeindepräsident von Rafz, Kurt Altenburger (SP), äussert sich im Interview dazu. Es seien Fehler gemacht worden, gibt er zu.

Ein junger Mann aus Eritrea fand in der Gemeinde Rafz keine Wohnung. Stattdessen wurde ihm vom Sozialsekretariat empfohlen, Zelt und Schlafsack zu kaufen. Darüber berichtete der «Tages-Anzeiger» in seiner Ausgabe vom Donnerstag. Offenbar liegt der Zeitung ein Schreiben der Gemeinde Rafz vor, indem stehe, es sei zumutbar, ein Zelt aufzustellen und einen Schlafsack zu kaufen.Der mittlerweile 18-Jährige habe nach drei Jahren die vorläufige Aufnahme als anerkannter Flüchlting in der Schweiz erhalten. Von der Asylunterkunft Embrach zog er nach Rafz in eine befristete Wohnung. Er habe nach Ablauf des befristeten Mietvertrages Ende Februar keine neue Unterkunft gefunden, heisst es im Artikel weiter. Ausserdem sei er vom Deutschkurs abgemeldet worden, weil er seine ganze Energie in die Wohnungssuche habe stecken müssen. Inzwischen konnte der Eritreer in einer WG in Zürich untergebracht werden.

Kurt Altenburger, bisher waren Sie Sozialvorstand, am 1. Juli treten Sie ihre erste Legislatur als Gemeindepräsident von Rafz an. Diese Woche sorgte der Umgang des Rafzer Sozialamts mit einem eritreischen Flüchtling medial für Aufsehen. Wie beeinflusst der Vorfall ihren Amtsantritt?

Kurt Altenburger: Ich bin nicht glücklich über die Situation. Die Schlagzeilen belasten sowohl die Gemeinde als auch mich persönlich. Die Unterstellung, in Rafz sei jemand schikaniert worden, hängt in der Luft. Das will ich nicht so stehen lassen. Denkbar sind für mich eine Gegendarstellung oder eine Medienmitteilung.

Ein solcher Umgang mit einem vorläufig aufgenommenen Flüchtling ist nicht unbedingt so, wie man es von Ihrer Partei, der SP, erwartet.

SP hin oder her: Klientinnen und Klienten haben Auflagen zu erfüllen. Wenn sie das nicht tun, kann auch ein Mitglied der SP dieses Verhalten nicht einfach durchwinken. Das wäre ausserdem ungerecht gegenüber anderen, die sich an die Regeln halten. Gleichbehandlung ist ein wichtiger Wert in der SP.

Gemäss dem vom «Tages Anzeiger» zitierten Email-Verlauf hat die Sozialsekretärin geschrieben, es sei «zumutbar, ein Zelt aufzustellen». Schliesslich sei bald Frühling. Wohl kaum eine übliche Empfehlung. Wie kam es zu dieser Auskunft?

Wenn ich das wüsste… Der Spruch mit dem Zelt war sicherlich weder sachlich noch angebracht. Es ist ein Fehler passiert. Dafür möchte ich mich als politisch Verantwortlicher entschuldigen. Es war deplatziert, und es war keine Absicht, den Mann aus der Gemeinde zu vertreiben.

Hat dieser Vorfall Konsequenzen für die Mitarbeitenden im Sozialsekretariat?

Darüber möchte ich an dieser Stelle keine Auskunft geben. Wir werden den Fall aber mit Sicherheit besprechen und reflektieren.

Wie sollen solche Situationen künftig vermieden werden?

Das ist eine gute Frage, die wir auf dem Sozialsekretariat besprechen werden. Denkbar wäre zum Beispiel, Klientinnen und Klienten in solchen Situationen früher nach den Nachweisen für die Wohnungssuche zu fragen.

Sie sind der Meinung, der Mann habe zu verstehen gegeben, er wolle aus Rafz weg. Dennoch sei das Verhalten ihm gegenüber keine Strafe gewesen und man habe ihn nicht loswerden wollen. Sondern?

Er hat gesagt, er wolle weg. Auch hat er die Auflage, per Anfang März eine neue Wohnlösung in Rafz oder an einem anderen Ort zu finden, schlicht nicht erfüllt. Er ist erst Ende Februar aufs Sozialsekretariat gegangen und dort vorgebracht, er brauche eine neue Wohnung. Als vorläufig aufgenommener Flüchtling hat er das Recht und die Pflicht, sich selbst darum zu kümmern. Das Sozialsekretariat ist nicht per se für die Wohnsituation verantwortlich. Nachweise über Bemühungen von seiner Seite haben wir keine erhalten. Und dies, obwohl diese Aufgabe schriftlich mit ihm vereinbart war. Gleichwohl haben wir ihm vorübergehende Wohnlösungen vermittelt.

Nebst dem Vorfall mit dem Zelt wurden dem Mann auch die Deutschkurse gestrichen, damit er sich voll und ganz der Wohnungssuche widmen kann. Finden Sie das sinnvoll?

Der Sprachkurs, den der junge Mann per Ende Februar abgeschlossen hatte, wurde nicht gestrichen, sondern nicht weitergeführt und vorläufig auf Stand-by gestellt. Grund dafür war, dass die Wohnsituation zu diesem Zeitpunkt oberste Priorität hatte, und nicht die Schule.

Kathrin Stutz, Leiterin der Zürcher Rechtsberatungsstelle, hat in diesem Zusammenhang gesagt, viele Landgemeinden hätten keine professionelle Sozialbetreuung. Was sagen Sie zu diesem Vorwurf?

Ich finde, das kann man nicht so sagen. Unsere Mitarbeitenden haben Aus- und Weiterbildungen im Sozialbereich gemacht. Überforderung würde ich klar von der Hand weisen.

Wie steht es sonst um das Asylwesen in Rafz?

Es leben 9 Asylbewerbende, 33 vorläufig aufgenommene Personen sowie 4 vorläufig aufgenommene Flüchtlinge hier. Diese Leute sind dezentral in der Ortschaft platziert. Natürlich kommt es immer wieder zu kleineren Spannungen, aber ich bin nicht der Meinung, dass die Gemeinde nicht genügend für die Integration tut. Seit September 2017 betreibt die Gemeinde Rafz zusammen mit den umliegenden Gemeinden einen eigenen Sprachkurs samt Kulturvermittlung.
(https://www.zsz.ch/der-spruch-mit-dem-zelt-war-weder-sachlich-noch-angebracht/story/21398535)

+++SCHWEIZ
«Natürlich machen sie es extra»
Papierlose Asylsuchende sollen ihre Handys herausgeben. Das fordern Parlamentarier bis weit in die Mitte. Doch das stellt die Betroffenen unter Generalverdacht.
https://www.derbund.ch/schweiz/standard/Natuerlich-machen-sie-es-extra/story/18284497
-> https://www.fluechtlingshilfe.ch/medien/medienmitteilungen/2018/schutzsuchende-werden-generell-kriminalisiert.html
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/notwendige-identitaetspruefung-behoerden-sollen-smartphones-von-asylbewerbern-auswerten-duerfen
-> https://www.parlament.ch/press-releases/Pages/mm-spk-s-2018-06-22.aspx
-> https://www.parlament.ch/de/ratsbetrieb/suche-curia-vista/geschaeft?AffairId=20170423

Erstes Individualbeschwerdeverfahren gegen die Schweiz vor dem UN-Kinderrechtsausschuss
Der UN-Kinderrechtssausschuss hat die Ausweisung einer kurdisch-jesidischen Familie aus der Schweiz nach Griechenland vorerst ausgesetzt. Der Vorwurf, eine Rückführung verstosse gegen die UN-Kinderrechtskonvention, müsse überprüft werden.
https://www.humanrights.ch/de/menschenrechte-schweiz/inneres/gruppen/kinder/rueckfuehrung-griechenland

+++DEUTSCHLAND
Berlin: Was Flüchtlinge über den Asylstreit denken
Obergrenzen, Ankerzentren und Zurückweisungen an der Grenze beschäftigen nicht nur Politiker. Geflüchtete in Berlin zeigen teils Verständnis für den deutschen Asylstreit – teils haben sie Angst, dass nun die Gesetze restriktiver werden.
http://www.deutschlandfunk.de/berlin-was-fluechtlinge-ueber-den-asylstreit-denken.862.de.html?dram:article_id=420943

Maghreb-Staaten: Grüne werfen Regierung vor, die Verfolgung Homosexueller zu verharmlosen
Homosexualität gilt in den Maghreb-Staaten als Straftat – es drohen bis zu drei Jahre Haft. Trotzdem will die Bundesregierung die Länder als sichere Herkunftsstaaten einstufen. Die Grünen kritisieren das scharf.
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/gruene-werfen-bundesregierung-verharmlosung-von-homosexuellen-verfolgung-vor-a-1214393.html

Rechte Kampfbegriffe zu Migration: Skandale, Tourismus und Industrien
Markus Söder spricht von „Belehrungsdemokratie“ und normalisiert damit rechte Vokabeln. Von „Asyltourismus“ bis „Asylindustrie“ – ein Glossar.
http://taz.de/Rechte-Kampfbegriffe-zu-Migration/!5513699/

Flüchtlingskrise – Libanon stößt an seine Grenzen
Die Flüchtlingsströme stellen das Land vor große Herausforderungen. In der Bevölkerung droht die Stimmung zu kippen. Merkel hat bei ihrem Besuch weitere Unterstützung zugesagt.
https://www.zdf.de/nachrichten/heute/merkel-sagt-libanon-hilfe-in-fluechtlingskrise-zu-100.html

+++UNGARN
Ungarn: Sogenanntes »Stop Soros«-Gesetzespaket beschlossen
Ausgerechnet am Weltflüchtlingstag verabschiedete das ungarische Parlament drakonische Gesetze, die Menschenrechtsarbeit in Ungarn massiv erschweren. Im Windschatten des europäischen Rechtsrucks wird die Arbeit von Flüchtlingshelfern in Ungarn kriminalisiert. »Rote Linien« seiner europäischen Partner ignoriert Orbán.
https://www.proasyl.de/news/ungarn-sogenanntes-stop-soros-gesetzespaket-beschlossen/

+++ITALIEN
Die Fratze des Rassismus
Rom unterstützt Abschottung Europas und EU-Pläne von Flüchtlingslagern in Nordafrika. Hetze gegen Sinti und Roma
https://www.jungewelt.de/artikel/334681.die-fratze-des-rassismus.html
-> https://www.srf.ch/news/international/neue-regierung-in-rom-die-anderen-sind-bloss-statisten

+++BALKANROUTE
Migration Europas Puffer im Südosten
Immer mehr Migranten suchen über Albanien und Bosnien-Herzegowina einen Weg in die EU.
http://www.fr.de/politik/flucht-zuwanderung/migration-europas-puffer-im-suedosten-a-1529953

+++MITTELMEER
„Lifeline“: Malta lässt Rettungsschiff nicht anlegen
Auch Malta verwehrt dem deutschen Rettungsschiff „Lifeline“ mit 200 Flüchtlingen an Bord die Aufnahme. Italien verweigerte dies ebenfalls und drohte mit der Beschlagnahme privater Rettungsschiffe.
http://www.tagesschau.de/ausland/rettungsschiff-italien-107.html
-> http://www.tagesschau.de/ausland/rettungsschiff-italien-105.html
-> http://ffm-online.org/2018/06/22/malta-oeffnet-lifeline-keinen-hafen/#more-55473

Vor Libyen: Mehr als 200 Flüchtlinge im Mittelmeer ertrunken
Um von Afrika nach Europa zu kommen, riskieren Flüchtlinge auf dem Mittelmeer weiterhin ihr Leben: Allein in den vergangenen Tagen sind laut Uno-Angaben mehr als 200 Menschen ertrunken.
http://www.spiegel.de/panorama/fluechtlinge-aus-afrika-mehr-als-200-migranten-im-mittelmeer-ertrunken-a-1214373.html
-> http://www.tagesschau.de/ausland/unhcr-mittelmeer-fluechtlinge-101.html

Mittelmeer-Migranten: Falsche Slogans und Hotspots am falschen Ort
Mission Lifeline – das nächste Rettungsschiff mit Migranten, das einen sicheren Hafen sucht. Gesucht werden europäische Lösungen im großen Rahmen
https://www.heise.de/tp/features/Mittelmeer-Migranten-Falsche-Slogans-und-Hotspots-am-falschen-Ort-4090172.html

Flüchtlingspolitik Italien will zwei Rettungsschiffe beschlagnahmen
Italiens Regierung bleibt im Umgang mit Rettungsschiffen im Mittelmeer hart: Zwei Schiffe deutscher Seenotretter will sie beschlagnahmen und überprüfen. An Bord der „Lifeline“ sind mehr als 200 Flüchtlinge.
http://www.tagesschau.de/ausland/rettungsschiff-italien-103.html
-> http://de.euronews.com/2018/06/22/rettungseinsatz-im-mittelmeer-italien-verweigert-einfahrt-in-sicheren-hafen
-> http://de.euronews.com/2018/06/22/deutsche-ngo-in-bedrangnis-salvini-fordert-stop-der-rettungsschiffe
-> https://www.nzz.ch/international/salvini-will-retter-vertreiben-ld.1396932
-> https://www.neues-deutschland.de/artikel/1092026.seenotrettung-im-mittelmeer-italien-will-seefuchs-und-lifeline-beschlagnahmen.html
-> https://www.tagesanzeiger.ch/ausland/europa/italien-will-schiffe-deutscher-fluechtlingshelfer-beschlagnahmen/story/25308186
-> https://www.watson.ch/international/italien/692930914-italiens-rechtsaussen-minister-silvini-will-schiffe-von-fluechtlingshelfern-beschlagnahmen

+++EUROPA
Vor dem EU-Gipfel: Widerstand gegen Asyl-Kompromisse
EU-Kommissionschef Juncker wollte mit seinem Entwurf zur Asylpolitik wohl Merkel helfen. Doch nach heftigem Protest fällt die Erklärung wohl ins Wasser.
http://taz.de/Vor-dem-EU-Gipfel/!5515171/

Visegrád-Staaten und Österreich: Der Brückenbau zum rechten Ufer
Österreichs Kanzler Sebastian Kurz rückt in Ungarn mit den Visegrád-Staaten zusammen – in der Migrationspolitik sind sie sich einig.
http://taz.de/Visegrad-Staaten-und-Oesterreich/!5515068/
-> http://taz.de/Kommentar-Visegrad-und-Oesterreich/!5515183/

+++LIBYEN
Damit sie das Schreien hören
Beim Fest der Linken ist der Dokumentarfilm »Reserve Slaves« zu sehen, der vor einer Rückkehr der Sklaverei warnt
Beim Fest der Linken ist an diesem Samstag der Dokumentarfilm «Reserve Slaves» zu sehen, der am Beispiel dreier Geflüchteter aus Libyen vor einer Rückkehr der Sklaverei warnt – und dabei auch die EU ins Visier nimmt.
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1092132.reserve-slaves-damit-sie-das-schreien-hoeren.html

Libya turmoil a hurdle for EU’s north Africa migration centre plan
Fighting for Libyan oil terminals highlights obstacles, ahead of emergency EU meeting on migration crisis
https://www.theguardian.com/world/2018/jun/22/libya-turmoil-a-hurdle-for-eus-north-africa-migration-centre-plan?CMP=twt_gu

+++FLUCHT
«Wir sind verantwortlich für diese Kinder»
Vanja Crnojevic engagiert sich für minderjährige Flüchtlinge, die sonst niemanden haben. Manchmal hält sie das Elend kaum aus.
https://blog.derbund.ch/mamablog/index.php/78090/wir-sind-verantwortlich-fuer-diese-kinder/

+++FREIRÄUME
„Besetzlinge“ okkupieren Gewächshaus auf Lok-Depot
Mit viel Geld hat die Christoph Merian Stiftung (CMS) ein Gewächshaus und Container für ein Projekt der „Urban Farmers AG“ ermöglicht. Seit dem unplanmässigem Projekt-Abbruch stehen die Fazilitäten seit Ende März leer. Gestern Donnerstag haben „Besetzlinge“ (wie sie sich selbst nennen) die Fazilitäten okkupiert. Sie wollen sich „den leerstehenden Raum für Begrünung nehmen“.
http://www.onlinereports.ch/News.117+M5253a824277.0.html

+++REPRESSION DE
Klage gegen Innenministerium: Linksradikale wollen Daten-Auswertung beim Verfassungsschutz stoppen
Die angeblichen Betreiber von „linksunten.indymedia“ klagen nach SPIEGEL-Informationen gegen das Innenministerium. Sie wollen verhindern, dass der Verfassungsschutz beschlagnahmte Unterlagen auswertet.
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/linksunten-indymedia-org-klage-gegen-bundesinnenministerium-a-1214364.html

+++BIG BROTHER
Datenschützer brauchen mehr Geld – Rendez-vous
Die Schnelligkeit des digitalen Wandels stehe in keinem Verhältnis zum Geld, das die kantonalen Datenschützer zur Verfügung hätten, um die Leute vor den Gefahren eben dieses Wandels zu schützen. Dieser Meinung sind die Datenschützer. Sie benötigten mehr Ressourcen.
https://www.srf.ch/play/radio/popupaudioplayer?id=d3e55b1f-829d-49ba-a2ef-8fd456f63e83
-> Tagesschau: https://www.srf.ch/play/tv/popupvideoplayer?id=fc469228-5caa-43ef-bfc0-343471b59829
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/mehr-daten-weniger-ressourcen-kantonale-datenschuetzer-beklagen-personalmangel

Wie intelligente Kameras in der Schweiz Einzug halten
Gesichtserkennung soll den öffentlichen Raum sicherer machen: Spezielle Software unterstützt die Polizei bei der Strafverfolgung und kann Gefährder identifizieren. Noch ist die Skepsis gross, doch der Fortschritt scheint unaufhaltsam.
https://www.nzz.ch/schweiz/wie-intelligente-kameras-in-der-schweiz-einzug-halten-ld.1396204

Eine Kamera elektrisiert die Werber
In der ZKB-Filiale im Zürcher Hauptbahnhof analysieren intelligente Kameras Alter und Geschlecht der Kunden, damit diese passende Werbung zu sehen bekommen. Hinter der Software steckt ein St. Galler Startup.
https://www.nzz.ch/schweiz/eine-intelligente-kamera-elektrisiert-die-werber-ld.1397102

Datenkrake Polizei? Palantir als die Spitze des Eisberges
Neue gesetzliche Befugnisse und technische Anschaffungen erweitern die Überwachungsmöglichkeiten der deutschen Polizei immens. Die Bürger- und Persönlichkeitsrechte geraten unter die Räder
https://www.heise.de/tp/features/Datenkrake-Polizei-Palantir-als-die-Spitze-des-Eisberges-4090056.html

Wahlkampfmanöver statt dringend überfälliger Aufklärung – Untersuchungsausschuss in Hessen zur Vergabe an Palantir beschlossen
Auch in Hessen wird im Oktober 2018 ein neuer Landtag gewählt. Grund genug für die Oppositionsparteien im hessischen Landtag – das sind SPD, FDP und Linke – sich einzuschießen auf das Spitzenpersonal der CDU. Als gefundenes Fressen entdeckten SPD und FDP Unregelmäßigkeiten bei der Auftragsvergabe im hessischen Innenministerium. Die Beschaffung einer Auswertesoftware der amerikanischen Firma Palantir geschah reichlich hemdsärmelig, nämlich freihändig. Und ähnlich soll es auch mit Abschleppaufträgen für falsch abgestellte Fahrzeuge durch die Polizei Hessen in den letzten Jahren zugegangen sein. SPD und FDP sahen darin eine Chance, angesichts der Sommerpause und ganze vier Monate vor der Wahl einen Untersuchungsausschuss zu beantragen [1]. Leider bleiben die desaströsen Auswirkungen der Vergabepolitik des hessischen Innenministeriums der letzten Jahre auf die IT-Infrastruktur der gesamten deutschen Polizeibehörden im Untersuchungsauftrag gänzlich unberücksichtigt.
https://police-it.org/untersuchungsausschuss-in-hessen-zur-vergabe-an-palantir-beschlossen

+++POLICE GE
Sicherheit | An Polizeiakademie Savatan werden auch Walliser Aspiranten ausgebildet
Genf beteiligt sich vollständig an Westschweizer Polizeischule
Der Kanton Genf schliesst sich nach knapp zweijähriger Probezeit vollständig der Polizeiakademie Savatan an, an der auch Aspiranten aus der Waadt und dem Wallis ausgebildet werden. Dies kündigte der Genfer Staatsrat am Freitag an.
http://www.1815.ch/news/schweiz/news-schweiz/genf-beteiligt-sich-vollstaendig-an-westschweizer-polizeischule/
-> https://www.ge.ch/document/geneve-ancre-sa-participation-academie-police-savatan

+++POLIZEI ZH
Weiter keine Nationalitäten-Angaben in Polizeimeldungen
Das Parlament bleibt dabei: Die Stadtpolizei Zürich soll auf Angaben zur Nationalität von Tatverdächtigen in Polizeimeldungen verzichten. Die SVP scheiterte mit ihrem Postulat, diese Neuerung wieder abzuschaffen.
https://www.limmattalerzeitung.ch/limmattal/zuerich/weiter-keine-nationalitaeten-angaben-in-polizeimeldungen-132719941

+++ANTIFA
App der Identitären Bewegung: Pokémon Go für Rechtsextreme
Seit Monaten arbeitet die Identitäre Bewegung an einer App, die Rechtsextreme vernetzen soll. Das hat auch der Verfassungsschutz im Blick.
http://taz.de/App-der-Identitaeren-Bewegung/!5515080/

bernerzeitung.ch 22.06.2018

Hauptsache, Hass

Sie nennen sich selber Patrioten. Sie fordern die Abschiebung aller illegalen Migranten und die Abschaffung des Asylrechts – zur Verteidigung der Schweiz.

Kurt Pelda

«Das hier ist eine Menora», sagt die junge Frau mit den blonden Haaren. Sie zeigt auf einen siebenarmigen Kerzenleuchter, der neben einer Musikanlage in einer Wandnische steht. «Es ist ein Symbol des Judentums. Da soll doch jemand noch behaupten, wir seien Nazis», fügt sie hinzu. Dabei lacht sie, doch geht ihre Stimme fast unter in dem harten Rechtsrock, der durch das Lokal dröhnt. Die Tätowierung am Unterarm der ganz in Schwarz gekleideten Frau straft ihre Worte allerdings Lügen. In Frakturschrift steht da «Meine Ehre ist meine Treue», angelehnt an den Wahlspruch der SS. In der Elitetruppe des Dritten Reichs war damit die Treue zu Adolf Hitler gemeint.

Knapp 40 Besucher haben sich in der Altstadt des Waadtländer Weinstädtchens Aigle versammelt. Die Eingangstür des Lokals ist nicht angeschrieben, kaum etwas lässt von aussen vermuten, dass hier ein Neonazitreffen stattfindet. Die Rechtsextremisten sind auf Diskretion bedacht. Tattoos und T-Shirts der Teilnehmer lassen aber wenig Zweifel an der vorherrschenden Gesinnung aufkommen: Was die Résistance Helvétique (RH), eine relativ junge rechtsextrem-katholische Bewegung, auf Facebook angepriesen hat, ist in Wirklichkeit ein Stelldichein teilweise hartgesottener Neonazis. Da ist etwa ein sogenannter Hammerskin mit dem Übernamen «Butcher», ein gelernter Metzger. Der muskulöse Mittvierziger hat sich auf seinen kurz geschorenen Hinterkopf ein Hakenkreuz tätowieren lassen.

Ein wesentlich jüngerer Schwarzgekleideter rollt seinen Ärmel hoch, um einer anderen Blondine, die sich neben ihn gesetzt hat, stolz ein Tattoo an seinem Oberarm zu zeigen. Es ist ein Wikingerkompass, ein bei Rechtsextremen ebenfalls beliebtes Symbol. Auf einem schwarzen T-Shirt eines Teilnehmers sind die Umrisse der Schweiz abgebildet, darüber ein Sturmgewehr 90 der Schweizer Armee. In grossen weissen Lettern steht da: Defend Helvetia. Gemeint ist nicht die militärische Landesverteidigung, sondern die Abwehr dunkelhäutiger und muslimischer «Invasoren». «Verteidige die Schweiz», «Verteidige Europa», das sind Kampfsprüche der identitären Bewegung, die sich für die «kulturelle Reinhaltung» des Alten Kontinents und gegen die «Migrantenflut» einsetzt.

Artig halten sich die tätowierten Skinheads und Kampfsportler an die Vorschriften und gehen draussen vor der massiven Holztüre rauchen. Am Ausschank bezahlt jeder so viel, wie er für gut befindet, denn das Lokal hat keine Lizenz für den Verkauf von Alkohol. Im Angebot befinden sich Tell-Dosenbier aus dem Coop und Westschweizer Weisswein im Plastikbecher. Der Verkaufserlös besteht somit aus freiwilligen Beiträgen und Spenden für die «gute Sache» der selbst ernannten Patrioten, Identitären und Neonazis.

Demonstrationen für Assad

In der Schweiz ist die Résistance Helvétique die wohl aktivste Gruppe am äussersten rechten Rand des politischen Spektrums. Gegründet 2014 – unter anderem von einstigen Anhängern der Partei National Orientierter Schweizer (Pnos) –, hat sie sich von den Kantonen Wallis und Waadt bis nach Genf ausgebreitet. In ihrem Programm fordert sie ein Verbot politischer Parteien, die Abschiebung aller illegalen Migranten und die faktische Abschaffung des Asylrechts. Man ist für die Verstaatlichung von Unternehmen mit nationaler Bedeutung, für Handelsbeschränkungen und gegen die Einfuhr von Koscher- beziehungsweise Halalfleisch. Getreu ihrer erzkatholischen Ausrichtung will die RH auch die Abtreibung und die Sterbehilfe verbieten.

Auf sich aufmerksam macht dieser unheimliche «Widerstand» zum Beispiel mit Strassenpatrouillen von Muskelmännern in Genf, die vorgeben, die Bevölkerung zu schützen – mit roten Armbinden, auf denen das Schweizer Kreuz prangt. Oder mit Demonstrationen zugunsten des syrischen Diktators Bashar al-Assad und gegen Muslime nach dem Motto: «Islam raus aus Europa». Dass die Aktionen der Splittergruppe in der Öffentlichkeit überhaupt wahrgenommen werden, hängt auch mit der professionell gemachten Facebook-Seite von RH zusammen. Sie bringt es auf fast 10’000 Likes. Zum Vergleich: Der Westschweizer Ableger der Pnos kommt gerade einmal auf 3300.

Einer der Männer im Lokal legt dem verdeckt recherchierenden Reporter die Vorteile einer Allianz zwischen den rechtsextremen «Patrioten» und Russland nahe. «Putin ist ein natürlicher Verbündeter im Kampf gegen unsere politischen Eliten.» Ein älterer, hagerer Herr fragt den Journalisten zuerst misstrauisch, ob er auch katholisch sei. Dann beginnt er von einem Europa der Nationen zu schwärmen, der Stämme und der Clans. Gemeinsam solle der Alte Kontinent die Gefahr abwenden, die durch die Einwanderung von kulturlosen Sozialschmarotzern drohe. Wir seien doch alle Europäer mit einer langen christlichen Kultur. Das dürfe man nicht einfach wegschmeissen.

In einem Nebenraum sind Kleider und identitäre Devotionalien auf einem Tisch zum Verkauf ausgebreitet. Auf einem T-Shirt steht auf Englisch «Weisses Erbe», in roter Schrift. Auf einem andern sind ein Totenkopf und zwei gekreuzte Buschmesser abgebildet. Aufgedruckt sind die Worte «100 Prozent reiner Hass» sowie die Zahlen 88 und 14. Das sind Neonazi-Codes. 8 steht für «H», den achten Buchstaben des Alphabets. «HH» ist die Abkürzung für «Heil Hitler!». Die zweite Zahl steht für einen englischen Satz mit 14 Wörtern. Es gibt verschiedene Variationen davon, aber es geht immer um die Rettung der angeblich von «Untermenschen» bedrohten weissen Rasse. Der Ausspruch geht auf den zu 190 Jahren Gefängnis verurteilten amerikanischen Rassisten und Terroristen David Lane zurück.

Auf dem Verkaufstisch ausgelegt sind auch einige französischsprachige Magazine, die dem Mediensprecher der Résistance Helvétique, David Rouiller, gehören. Der 45-jährige Sohn eines ehemaligen Bundesrichters blickt auf einen illustren Werdegang zurück. 2001 reiste er in den Nordirak, um bei der Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) gegen die Türken zu kämpfen. Nach seiner Rückkehr in die Schweiz wandelte er sich vom linksgerichteten Guerillero zum Mitgründer der rechtsextremen Résistance Helvétique.

Professionelles Propagandahandwerk

Beehrt wird das Treffen ausserdem durch einen kurzen Besuch von Pascal Junod. Der Genfer Anwalt war einst ein Vertreter der «Nouvelle Droite» in der Romandie. Den Holocaust hat Junod laut der britischen Zeitung «The Guardian» als unwichtige Angelegenheit verharmlost. Ende der Neunzigerjahre forderte der damalige Parteipräsident und heutige Bundesrat Ueli Maurer seinen Ausschluss aus der SVP – wegen Junods rechtsradikaler Ansichten. Die RH scheint ein Sammelbecken von alten und neuen Extremisten zu sein.

Neben Kraftprotzen fürs Grobe finden sich im Lokal der Résistance auch die feinen Denker, die weder durch Tattoos noch durch rasierte Glatzen auffallen. Sie tragen neutrale Hemden statt T-Shirts mit rechtsextremen Sprüchen oder Symbolen. Damit können sie sich in Wirtschaft und Gesellschaft bewegen, ohne erkannt zu werden. Einer der Intelligenten ist der Walliser Jimmy Dellea, Mitte zwanzig, grünliche Augen, mit kurz gestutztem, schütterem Bart und einem Bürstenschnitt. Er hat die Handelsmatura abgeschlossen. Stolz erzählt er, dass er für viele Beiträge auf der Facebook-Seite der RH verantwortlich sei. Professionelles Propagandahandwerk habe er in Frankreich gelernt. Bei welcher Gruppe verrät er nicht, aber es ist bekannt, dass die Résistance gute Beziehungen zu neofaschistischen Gruppen im Ausland hat, zum Beispiel mit der französischen Bastion Social oder der italienischen Casa Pound.

Auf Delleas Profil in den sozialen Medien steht unter Beruf «Handelsangestellter/Militär». Dellea war früher beim Westschweizer Ableger der Pnos, bevor er zusammen mit dem ehemaligen PKK-Kämpfer Rouiller und anderen die RH gründete. 2016 wurde er zum Oberleutnant der Infanterie befördert. Man kann sich nur über die sogenannten Personensicherheitsprüfungen der Schweizer Armee wundern, wenn sich solche Leute mit dem Offiziersgrad schmücken dürfen. Könnte es sein, dass die Behörden die Gefahr durch Rechtsextreme unterschätzen?

Zwei Drittel mehr Mitglieder

Tatsache ist, dass der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) seit Jahren einen starken Rückgang rechtsextremer Ereignisse mit Gewalteinsatz verzeichnet – ganz im Gegensatz zu den Linksra­dikalen. Dort ist die Entwicklung umgekehrt. Aufmerksam auf rechtsextreme Veranstaltungen werden die Behörden aber oft erst, wenn die Antifa oder andere Linksextremisten die Treffen der «Faschisten» mit Gewalt zu verhindern drohen. Fachleute schätzen die Zahl der gewaltbereiten Rechtsradikalen in der Schweiz auf 200 bis 300. Auch wenn die Zahl der als gefährlich eingestuften Personen am linken Rand des politischen Spektrums das Drei- bis Vierfache betragen soll, scheinen rechte Gruppierungen derzeit unterschätzt zu werden. Zu den gewaltbereiten Formationen gehören Blood & Honour oder die Hammerskins. Sie sind international vernetzt und auch innerhalb der Pnos oder der Résistance Helvétique vertreten. Was passieren kann, wenn Ideen aus diesem Milieu populär werden, zeigt sich in diversen west- und osteuropäischen Ländern.

Der Zustrom von rund einer Million Migranten und Flüchtlingen im Jahr 2015 und die daraus resultierenden Integrationsprobleme stellen den Hauptgrund dar für die Wahlerfolge der AfD, dem Rassemblement National in Frankreich oder der Lega in Italien. Auch wenn die Schweiz keine vergleichbaren Asylprobleme kennt, ist diese Entwicklung nicht spurlos an ihr vorbeigezogen. So hat die Pnos, das Sammelbecken von Rassisten und Neonazis, nach Jahren des Dümpelns ihre Mitgliederzahl allein in den letzten zwölf Monaten von 450 auf 740 gesteigert, wie die Kleinpartei kürzlich bei ihrer Generalversammlung bekannt gab. Das ist eine Zunahme um zwei Drittel. Auf Facebook verzeichnet die Pnos inzwischen rund 16’000 Likes.

Ähnlich wie die Résistance Helvétique versucht die Pnos geschickt, Ressentiments zu schüren – gegen den Islam, gegen Migranten und die «politische Elite», die angeblich die Werte der alten Eidgenossenschaft verrät. Auch wenn der NDB im Moment wenig Gefahr von ganz rechts ortet, kann man sich fragen, wie lange jemand im Internet Hass auf Muslime und Asylanten schüren kann, bis der eine oder andere Verblendete real Jagd auf Dunkelhäutige, Bärtige oder Kopftuch tragende Frauen macht. Sollte es in der Schweiz zu einem islamistischen Terroranschlag kommen oder die Zahl der Asylanträge wieder sprunghaft steigen, wären auch Attentate Rechtsextremer auf Empfangszentren oder Durchgangsheime durchaus denkbar. Waffen wären dabei kaum ein Problem, denn viele Schweizer Rechtsextreme besitzen seit längerem Schusswaffen – ganz legal.

«Steuern sind freiwillig»

Auch wenn es dazu keine exakte Statistik gibt, lassen die Aktivitäten in den sozialen Medien vermuten, dass die Szene der sogenannten Reichsbürger und Staatsleugner ebenfalls deutlichen Zulauf hat. Diese Leute glauben meist an Verschwörungstheorien – zum Beispiel, dass Kondensstreifen am Himmel in Wirklichkeit von Sprühvorrichtungen der Flugzeuge stammen, mit denen die «politische Elite» die Bevölkerung vergiften und dummhalten will. Der Staat ist für die Anhänger der Reichsbürger-Ideologie nichts anderes als eine Firma. Verkehrsbussen sind in dieser Sicht zum Beispiel Kostenvoranschläge eines Unternehmens, auf die man nicht einzugehen braucht. Ähnliches gilt für Steuern, deren Bezahlung Staatsleugner als freiwillig darstellen. Monika Racheter, eine schillernde 61-Jährige mit Berufserfahrung als Verkäuferin und Reinigungsfachfrau, brüstet sich zum Beispiel damit, dass sie wegen Nichtbezahlung von Bussen schon zweimal im Gefängnis sass. Oft versuchen Staatsverweigerer und sogenannte Selbstverwalter als Querulanten den Behörden das Leben schwer zu machen. Das hält sie manchmal aber nicht davon ab, Sozialhilfe oder AHV-Ergänzungsleistungen von ebendiesem Staat einzufordern, dessen Existenz sie im gleichen Atemzug leugnen.

Heino Fankhauser, ein anderer «Selbstverwalter» aus dem Kanton Bern, behauptet von sich, ohne Wohnadresse, Arbeitsplatz und Bankkonto über die Runden zu kommen und keine Einkommenssteuern zu bezahlen. Er lebe von Spenden, und zwar dafür, die Menschen über den Scheinstaat Schweiz und seine Scheingesetze aufzuklären. Man kann Reichsbürger und Staatsverweigerer nicht einfach als Neonazis abtun, dafür gibt es zu viele Unterschiede. Leute wie Fankhauser glauben allerdings, dass die Regierenden die Öffentlichkeit auch dort systematisch belügen, wo es um das Dritte Reich geht. So hat Fankhauser Adolf Hitler in einem Interview als «einen sehr wissenden Mann» bezeichnet, der die Gesetze der Menschen und der Spiritualität gekannt habe.

Anders als der deutsche Verfassungsschutz stuft der NDB die Reichsbürger nicht als Gefahr für die innere Sicherheit ein. Gewalttätige Aktivitäten dieser Szene habe er in der Schweiz bisher nicht feststellen können, schreibt der Nachrichtendienst auf Anfrage von Bernerzeitung.ch/Newsnet. «Des Weiteren sieht der NDB derzeit keine systematischen Verbindungen zwischen den Reichsbürgern und der gewalttätig-rechtsextremen Szene in der Schweiz, wobei vereinzelte persönliche Berührungspunkte möglich sind.» Beispiele für Verbindungen zwischen Staatsleugnern und Neonazis gibt es. Da ist etwa der «Filmemacher» Heinz Christian Tobler, Sohn eines nicht ganz unbekannten, inzwischen verstorbenen Zürcher Politikers. Tobler vertritt Reichsbürgerthesen und verbreitet zugleich Antisemitisches.

Weisse sollen aus dem All gekommen sein

Auf seinem Youtube-Kanal und seiner persönlichen Website prangen Hakenkreuze. Nazisymbole kommen auch in seinen Videos zuhauf vor. Befreundet ist er mit dem deutschen Reichsbürger und Anhänger der rechtsesoterischen Anastasia-Bewegung, Frank Willy Ludwig, der gelegentlich zu Vorträgen in die Schweiz kommt. Dabei sammelt Ludwig Spenden und bessert sich so sein Einkommen auf. In einer Präsentation, die der Deutsche anlässlich eines Referats im Kanton St. Gallen auf eine Leinwand projizierte, waren Hakenkreuze eingebaut. Auch Ludwigs Visitenkarte ist mit der Swastika übersät. Lachend sagt er dazu, dass diese Symbole Antifaschisten und andere linke Hetzer zu­verlässig von ihm fernhalten würden. In Ludwigs obskurer Rassentheorie kamen Menschen mit weisser Hautfarbe vor 600’000 Jahren unter anderem vom Sternbild des Grossen und Kleinen Wagens auf die Erde, während jene mit schwarzer, roter und gelber Haut «von ganz anderen Sonnensys­temen» stammen.

Auch in der Schweiz gibt es nicht wenige Leute, die solcherlei glauben und damit in eine braunesoterische Parallelwelt abtauchen. Man kann diese Leute als harmlose Spinner abtun, man kann sich aber auch gut vorstellen, dass die Hetze gegen Andersdenkende und Andersaussehende böse enden wird. Steter Tropfen höhlt den Stein, untergräbt das Vertrauen in Staat, Politik und Medien und verführt Menschen in eine Scheinwelt, in der Vernunft, Fakten und Logik gar nichts mehr bedeuten.

Pauschal verdächtigt

Ins Visier der Reichsbürger geraten sind besonders Vertreter von Justiz und Polizei. Ihnen werden schwerste Verbrechen vorgeworfen, und man droht ihnen, sie vor Fantasiegerichten der Staatsleugner zur Rechenschaft zu ziehen und abzuurteilen. Vor kurzem haben Reichsbürger im Internet eine Liste mit mehr als 18’000 Namen von Richtern, Staatsanwälten und Polizisten aus Deutschland und der Schweiz veröffentlicht.

Die Angeprangerten werden pauschal verdächtigt, Kinder vergewaltigt zu haben. Unter den rund 6500 Namen aus der Schweiz befinden sich auch Bundesrichter und Vertreter der Bundesanwaltschaft, darunter die leitende Staatsanwältin für Terrorismusverfahren, unzählige Staatsanwälte in den Kantonen und zum Beispiel auch der Kommandant der Kantonspolizei Zürich. Registriert hat die Website ein Kleinunternehmer in Filderstadt bei Stuttgart. Blauäugig ist wohl, wer glaubt, dass so viel Hass auf den «Scheinstaat» und seine Vertreter nicht irgendwann auch in Gewalt umschlagen kann.

In Zahlen

10’000
So viele Likes zählt die Facebook-Seite der erst 2014 von einstigen Anhängern der Partei National Orientierter Schweizer (Pnos) gegründeten Résistance Helvétique. Die junge Bewegung breitet sich derzeit vor allem in der Region des Genfersees aus. Als Vergleich: Die FB-Seite der bisher viel bekannteren Westschweizer Pnos hat nur 3300 Likes.

200–300
Fachleute schätzen, dass dies die ungefähre Anzahl von gewaltbereiten Rechtsradikalen in der Schweiz ist. Am linken Rand des politischen Spektrums ist es das Drei- oder Vierfache.
(https://www.bernerzeitung.ch/schweiz/standard/hauptsache-hass/story/11180113)