+++BERN
Asylzentrum in Schafhausen bleibt
Die Heilsarmee darf im ehemaligen Schulhaus von Schafhausen weiterhin ein Durchgangszentrum für Asylsuchende betreiben.
https://www.derbund.ch/bern/kanton/asylzentrum-in-schafhausen-bleibt/story/15829968
+++SCHWYZ
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/abstimmungen/abstimmungen/abstimmungen-sz/klares-ja-in-schwyz-der-kanton-kann-das-asylzentrum-biberhof-kaufen
-> https://www.nau.ch/nachrichten/schweiz/2018/06/10/biberhof-schwyz-kann-asylzentrum-fur-535-millionen-franken-kaufen-65350024
+++SCHWEIZ
Die Ausschaffungsmaschinerie bekämpfen!
Am 16. Juni 2018 ruft „Solidaritè sans frontieres“ zu einer grossen überregionalen Demonstration in Bern gegen Ausschaffungen auf. Ihre Forderungen mögen auf den ersten Blick zwar radikal wirken, jedoch zeigt die Zusammenarbeit mit einigen Unterstützenden wie der SP auf, dass eine ganzheitliche Perspektive auf die Ausschaffungsmaschinerie als Teil der Migrationspolitik fehlt.
https://barrikade.info/Die-Ausschaffungsmaschinerie-als-Teil-des-Migrationsregime-bekampfen-1187
+++MITTELMEER
Seenotrettung Aquarius: 629 Boat-people vor Italien blockiert
In der Nacht von Samstag auf Sonntag (09./10.06.2018) hat das Rettungsschiff Aquarius, mit dem Personal der NGO „Ärzte ohne Grenzen“, 629 Bootsflüchtlinge im zentralen Mittelmeer aufgenommen. Das italienische Innenministerium unter Minister Matteo Salvini (Lega) verweigert das Anlaufen des Schiffs in Italien. An Bord sind u.a. 40 Bootsflüchtlinge, die nach Sinken ihres Boots aus dem Wasser gerettet wurden, 123 unbegleitete Minderjährige, 11 Kleinkinder und 7 Schwangere.
http://ffm-online.org/2018/06/10/seenotrettung-aquarius-628-boat-people-vor-italien-blockiert/
Italien droht mit Schliessung der Häfen für Flüchtlinge
Hunderte Menschen sind am Wochenende aus Seenot gerettet worden. Der neue italienische Innenminister Matteo Salvini droht nun mit einer Hafensperre.
https://www.bernerzeitung.ch/ausland/europa/italien-droht-mit-schliessung-der-haefen-fuer-fluechtlinge/story/17089184
Mehr als 1000 Flüchtlinge gerettet
»Seawatch 3« von italienischen Behörden über Stunden im Hafen von Reggio di Calabria festgehalten
Die Überfahrt über das Mittelmeer oder den Atlantik hat unzähligen Flüchtlingen bereits das Leben gekostet. Dieses Wochenende konnten viele von ihnen gerettet werden. Doch die italienischer Behörden machen den Seenotrettern das Leben schwer.
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1090683.sos-mediterranee-mehr-als-fluechtlinge-gerettet.html
-> http://www.spiegel.de/politik/ausland/mittelmeer-mehr-als-1000-fluechtlinge-gerettet-italien-fordert-hafensperre-a-1212209.html
Seenotrettung: Marokkanische Marine rettet Hunderte Migranten
Die marokkanische Marine hat mehr als 450 in Seenot geratene Flüchtlinge nach Nordafrika zurückgebracht. Sie wollten über den Seeweg Europa erreichen.
https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2018-06/seenotrettung-fluechtlinge-migranten-marokko-marine-mittelmeer-atlantik
++++EUROPA
NZZ am Sonntag 10.06.2018
Europa schottet sich ab: «Flüchtlingslager funktionieren nicht. Sie schaffen Gewalt und Elend»
Die Flüchtlingsströme reissen nicht ab. Die EU reagiere zunehmend mit Abschottung, sagt Migrationsexperte Steffen Angenendt.
von Gordana Mijuk
Die EU will seit zwei Jahren ihr Asylwesen reformieren. Flüchtlinge sollen besser verteilt werden. Doch die Reform steckt fest. Während der Westen mehr Fairness möchte, will der Osten partout keine Flüchtlinge.
Steffen Angenendt: Es gibt mindestens vier Akteure mit unterschiedlichen Interessen. Die west- und nordeuropäischen Staaten, die in den vergangenen Jahren viele Flüchtlinge aufgenommen haben, die südlichen Staaten Italien und Spanien, die momentan die Bürde tragen, die Visegradstaaten, die keine Flüchtlinge wollen, und die EU-Institutionen, die eine gemeinsame europäische Politik möchten. Grundlegende und schnelle Reformen sind derzeit nicht zu erwarten.
In Italien könnte die Lage eskalieren. Die neue Regierung will 500 000 Migranten ausschaffen. Es ist absehbar, dass sie sich nicht an das Dublin-Abkommen hält, das besagt, dass Asylbewerber in dem Land einen Antrag stellen, in dem sie zuerst eingereist sind.
Das sind starke Sprüche der Italiener. Doch wie wollen sie 500 000 Migranten ausschaffen? Sie konnten es bisher ja auch nicht. Italien droht EU-Abkommen zu brechen und das Völkerrecht – einschliesslich der Genfer Flüchtlingskonvention – zu missachten.
Italien kann die Migranten nicht zurückschaffen, doch es kann sie in EU-Länder durchwinken.
Italien winkt viele Migranten jetzt schon durch, und das ist gefährlich. Ohne Dublin oder ein funktionierendes Asylsystem können auch die offenen Binnengrenzen nicht aufrechterhalten werden – sprich das Schengen-Abkommen. Und wenn Schengen bröckelt, ist auch die EU als Ganze in Gefahr. Freizügigkeit im Innern ist das, wofür die EU steht.
Dänemark will Flüchtlingslager ausserhalb der EU, Österreich will die Aussengrenzen sichern, und in Belgien fordern Hardliner, die Flüchtlingskonvention zu missachten. Die EU steuert auf einen harten Kurs zu.
Ja, die nördlichen Staaten nähern sich in ihren Positionen den osteuropäischen Ländern an und nicht umgekehrt. Ich sehe drei Tendenzen in der EU-Asylpolitik. Erstens wird der Schutz der Aussengrenze intensiviert. Zweitens wird versucht, die Asylpolitik zu externalisieren.
Was heisst das?
Es geht um Lager – innerhalb und ausserhalb der EU. Menschen werden kaserniert, um sie möglichst schnell wieder abschieben zu können. In der politischen Diskussion geistern vor allem Lager ausserhalb der EU herum. Der Kern dieser Idee ist: Asylverfahren sollen ausserhalb von Europa stattfinden, damit die Menschen gar nicht nach Europa kommen. So hätte Europa auch nicht die Last, sie wieder abzuschieben.
Wo sollen diese Lager stehen?
Man versuchte, nordafrikanische Staaten zu einer Kooperation zu bewegen. Das hat nicht funktioniert. Diese Länder wissen, was sie sich damit einhandeln würden: Solche Aufnahme- und Beratungszentren ziehen noch mehr Migranten ins Land, die dann möglicherweise für lange Zeit bleiben werden. Und können die Länder, in denen die Lager stehen, sich darauf verlassen, dass die EU anerkannte Flüchtlinge tatsächlich aufnimmt? Und was geschieht mit den Abgewiesenen?
Gibt es denn solche Lager?
Es gibt arme Länder wie Niger, wo sich die Delegationen gegenseitig auf den Füssen stehen. Die versuchen, die Regierung mit Geld zu überzeugen. Je ärmer das Land ist und je autokratischer die Länder sind, desto einfacher ist es, Vereinbarungen abzuschliessen. Doch es ist keine nachhaltige Politik. Vor Ort kann dies nur neue Fluchtbewegungen auslösen.
Der dänische Ministerpräsident Lars Løkke Rasmussen will Lager in Europa, aber nicht in der EU. Was meint er damit?
Ich rätsle auch. Vielleicht meinte er damit Westbalkanstaaten. Die Diskussion ist aber verquer. Statt darüber nachzudenken, wie die Interessenunterschiede zwischen den europäischen Staaten ausgeglichen werden können, werden krude Überlegungen angestellt über Lagereinrichtungen. Es gibt eine politische Fixierung auf das Thema Lager insbesondere in osteuropäischen Ländern. Lager sind zum Synonym für die Lösbarkeit der Migrationskrise geworden. Das ist absurd. Lager funktionieren nicht. Sie schaffen Gewalt und Elend.
Und was ist die dritte Tendenz?
Man will Umsiedlungsprogramme. Die Idee ist, dass jeder EU-Staat selbst bestimmt, wie viele Flüchtlinge er über diese Programme aufnimmt. Das Uno-Hochkommissariat für Flüchtlinge UNHCR bietet schon lange solche Programme an, die nie ausreichten. Nun tun dies auch Staaten.
Harte Aussengrenzen, Lager ausserhalb der EU, Umsiedlungsprogramme – wird das die neue EU-Flüchtlingspolitik?
Diese Dreifaltigkeit ist attraktiv für Europa, weil man sie mit Obergrenzen verbinden kann. Und wenn die Grenzen zu sind, kommen auch keine anderen Flüchtlinge rein. Diese Triage haben osteuropäische Staaten vorgeschlagen, und ich befürchte, viele west- und nordeuropäische Länder gehen in diese Richtung. In Deutschland etwa haben wir bereits eine asylpolitische Wende. Und auch in Skandinavien ist die Zeit, als man liberal mit Flüchtlingen umging und sie zu schützen versuchte, vorbei.
Hardliner hinterfragen gar die Genfer Flüchtlingskonvention.
Sie ist extrem unter Druck. Sind die Grenzen zu, ist die Flüchtlingskonvention für den Zugang zu Asylverfahren in Europa schlicht irrelevant.
(https://nzzas.nzz.ch/international/lager-funktionieren-nicht-sie-schaffen-gewalt-und-elend-ld.1393193)
+++TUNESIEN
NZZ am Sonntag 10.06.2018
Farid ist ein «seriöser Schlepper» – bis sein Boot kentert und über 100 Menschen sterben
In der Nacht des 2. Juni sind vor der Küste Tunesiens rund hundert Migranten ertrunken. Es ist das grösste Flüchtlingsdrama im Land. Der Kapitän ist auf der Flucht. Die Geschichte einer Tragödie.
von Beat Stauffer
An diesem Abend des 2. Juni weht eine sanfte Brise. Perfekte Verhältnisse für die Überfahrt. Der Fischkutter liegt gut einen Kilometer vor der tunesischen Inselgruppe Kerkenna vor Anker. Der Kapitän wartet in einer Kabine. Die Meute soll ihn nicht sehen. Niemand soll in wiedererkennen.
Die Männer kommen in kleinen Gruppen, es soll nicht auffallen. Von einem Strand der Insel werden sie in einem kleinen Holzboot abgeholt und zum Fischkutter gefahren. Immer neue Gruppen werden auf dem Schiff abgeladen, bis sich Rumpf und Deck des alten Fischerkahns mit Menschen füllen. Am Schluss sind es rund 180 meist junge Männer aus dem tunesischen Hinterland, die dicht gedrängt auf die Abfahrt warten. Sie alle träumen von einem besseren Leben in Europa.
Arm und ohne Perspektive
Kurz vor 21 Uhr sticht der Kapitän in See. Die italienische Insel Lampedusa ist rund 160 Kilometer entfernt. Der alte Kutter braucht für die Strecke sechs bis sieben Stunden. Keiner der Migranten weiss, wer der Mann hinter dem Steuer ist. Er benutzt verschiedene Namen, Telefonnummern, Facebook-Seiten. Bekannt ist er als Farid. Die Migranten trauen ihm. Er hat einen guten Ruf. Und Farid ist stolz darauf. Noch kurz vor der Fahrt sagte er: «Ich bin seit fast sechs Jahren im Geschäft. Ich bin ein seriöser Schlepper. Lieber gebe ich den Kunden das Geld zurück, als sie in Gefahr zu bringen oder zu betrügen.»
In dieser Nacht wird Farid seinem Ruf aber nicht gerecht. Nach zwei Stunden Fahrt fliesst Wasser ins Schiff. Panik bricht aus. «Umkehren!», rufen die Passagiere. Bald sind die ersten verzweifelten Schreie aus dem Rumpf zu hören, wo das Wasser immer höher steigt. Farid versucht nach einigem Zögern, das Boot zu wenden. Das Manöver misslingt, das Schiff beginnt zu kentern.
Es ist 22 Uhr 45, als die tunesische Küstenwache einen Notruf erhält. Bis die Rettungskräfte vor Ort ankommen, sind die meisten jedoch bereits ertrunken. Nur 68 Personen können gerettet werden. Die meisten anderen sind in dieser Nacht wahrscheinlich ums Leben gekommen.
Farid gehört weder zu den Toten noch zu den Geretteten. Kurz vor dem Kentern springen er und ein Helfer über Bord, wie überlebende Migranten erzählen. Offenbar mit einer Schwimmweste und einem Rucksack. Seither ist er auf der Flucht.
Doch wer ist der Mann, der für das grösste tunesische Schiffsunglück verantwortlich ist? Ein kaltblütiger Profiteur? Ein rücksichtsloser Menschenhändler? Über ein Jahr traf sich die «NZZ am Sonntag» immer wieder mit Farid, dessen richtiger Name der Zeitung bekannt ist. Bei den Treffen erzählte er von seinem Leben als Schlepper. Es gehört zur Ironie dieser Geschichte, dass Farids Kahn in Tunesien gesunken ist. Das Land ist seine Heimat, die Überfahrt vor einer Woche hätte seine letzte sein sollen.
Farid war einst nicht anders als die Männer gewesen, die er in dieser Nacht auf sein Schiff nahm. Er stammt aus einem Kaff im Hinterland der südtunesischen Hafenstadt Sfax, weit weg vom Meer. Mit 14 verliess er die Schule, um seiner Familie zu helfen. Er arbeitete auf Olivenplantagen, auf dem Bau. «Ich konnte so mehr schlecht als recht meine Eltern und die fünf Geschwister über die Runden bringen.» Perspektiven hatte er keine. Nicht einmal an Heirat war zu denken.
Als in Tunesien 2010/2011 Aufstände begannen, verschlechterte sich die Lage vor allem für Arme wie Farid. Er ging nach Libyen, um Arbeit zu suchen. In Zuwara, der ersten grösseren Stadt nach der tunesischen Grenze, heuerte er bei einem Fischer an, der mehrere Schiffe besass. «Ich hatte keine Erfahrung, doch er stellte mich ein. Ich war kräftig und lernte schnell. Ich half dem Mechaniker auf dem Kutter, unterstützte die Fischer bei ihrer Arbeit, reparierte die Netze und kochte für die Mannschaft.»
Doch als der Arabische Frühling auch in Libyen für Unruhe sorgte, war hier nichts mehr wie früher. Mehrere Zehntausend Afrikaner, aber auch Flüchtlinge aus anderen Ländern, wollten Libyen verlassen. Farids Chef, ein bauernschlauer Typ, realisierte, dass er nun richtig viel Geld verdienen konnte. «Du kannst locker das Zehn- oder Zwanzigfache verdienen, und das Risiko ist nicht gross, sagte mir mein Chef», erzählt Farid. Und schon 2012 begann Farid, statt Fische Migranten zu laden und nach Europa zu bringen. Er lernte, auch Schiffe zu steuern und Motoren zu reparieren. Oft war er nur mit einem Gehilfen auf den Überfahrten.
Das Geschäft lief hervorragend. Fast fünf Jahre lang fuhr Farid zwischen April und Oktober Migranten nach Lampedusa oder nach Sizilien – bis zu fünf Mal im Monat. Pro Fahrt verdiente er 2500 Euro, eine astronomische Summe im Vergleich zu seinem Lohn als Hilfsarbeiter. Ab und zu wurden seine Schiffe von der italienischen Küstenwache kontrolliert. Doch man konnte sie offenbar schmieren.
Nur einmal sei er in eine harte Kontrolle geraten, erzählte Farid. Da habe er sich aber unter die Flüchtlinge gemischt. Später konnte er aus dem Aufnahmezentrum schleichen und sich absetzen. Mit der Küstenwache in Zuwara gab es ohnehin keine Probleme. Farids Chef hatte ein Abkommen mit ihr. Kontrolliert wurde nur jedes zehnte Boot. Und auch in diesem Fall fand man rasch eine Lösung. «Die Milizen von Zuwara haben uns unterstützt und die auslaufenden Boote stets auch eskortiert.»
«Ein Drecksjob»
Dass seine Chefs manchmal bewaffnete Milizionäre engagierten, um die Flüchtlinge ruhigzu- stellen, nahm er hin. «Einmal habe ich gesehen, wie sie einen Afrikaner über Bord geworfen haben. Warum, weiss ich nicht, ich hatte zu tun mit dem Steuern. Wahrscheinlich hat er sich aufgelehnt.»
Das setzte ihm aber zu, wie er sagt, auch die Bilder der angeschwemmten Leichen am Strand von Zuwara. «Es sind ja meist auch Muslime. Da sagte ich mir: Hör auf, das ist ein Drecksjob.» 2017 wollte Farid umsatteln, Drogen transportieren. Doch der Drogenhandel machte ihm mehr Angst als das Schleusen von Menschen. Nach einer Überfahrt hörte er auf. «Ich habe dem Boss gesagt, meine Mutter sei krank, und bin nach Tunesien zurück.»
Farid kehrte in sein Dorf zurück. Dort galt er inzwischen als erfolgreicher Händler. Er half seiner Familie, baute Häuser für sie. Er erzählte allen, er habe einen Fischkutter besessen und handle nun mit chinesischen Importen. «Seit ich einen Anzug trage und ein teures Auto fahre, haben die Leute Respekt vor mir. Als ungelernter Landarbeiter wurde ich verspottet. Einmal machte ich ein Fest und lud tausend Leute ein. Das ganze Dorf und viele aus der Nachbarschaft.»
Farid hätte mit dem Geld etwas Neues beginnen können. Doch das Geschäft mit den Migranten liess ihn nicht los. Er fing wieder an zu schleusen. Diesmal ging er jedoch nach Algerien. Das Geschäft hatte sich hierhin verschoben, weil in Libyen die Milizen nun mit den Italienern kooperierten und die Boote stoppten.
In Algerien legten die Schiffe in der Gegend von Oran in Richtung Spanien los; von Algerien aus ist es der kürzeste Weg nach Europa. Fünfmal sei er vor die Küste in der Nähe von Almería gefahren und habe die Migranten dort ausgeladen. «Die letzten 50 bis 100 Meter mussten sie, wie immer bei mir, schwimmen». Farid wollte ja mit seinem Boot zurückfahren können. «Meine Kunden hatten meistens Schwimmwesten dabei oder leere PET-Flaschen in einem kleinen Rucksack», beteuert er.
Die letzte Überfahrt
Im November 2017 geriet Farid mit einem Schiff in einen Sturm. Und zum ersten Mal, so sagt er, ertranken Menschen auf der Überfahrt, unter ihnen eine syrische Familie. «Das war ein Schock für mich. Ich wollte aufhören.» Auch kamen ihm die Behörden auf die Spur. Und wegen der toten Syrer drohten ihm Islamisten.
Farid kehrte zurück nach Tunesien. Doch ans Aufhören war nicht zu denken. Er sagt, er sei von den «Harraga» regelrecht bestürmt worden, weiterzumachen. So werden junge ausreisewillige Einheimische genannt. Er organisierte im März und April zwei Überfahrten. Doch das Geschäft sei schwieriger geworden, sagte Farid noch vor wenigen Wochen. Er wollte wieder zurück nach Libyen. Die Überfahrt am letzten Samstag hätte die letzte aus Tunesien sein sollen.
Sonntag, 3. Juni, 2 Uhr morgens. Während die Küstenwache noch immer nach Überlebenden sucht, klingelt bei Farids bestem Freund das Telefon. «Verdammte Scheisse, es ist etwas passiert!», schreit Farid in den Hörer. «Das Schiff ist gekentert. Ich muss sofort weg.» Er sei nicht schuld. Es sei sein Chef gewesen, der ihn gezwungen habe, so viele Migranten auf den alten Fischerkahn zu laden. Dann hängt Farid auf.
–
Landesweites Entsetzen
Das Schiffsunglück vom 2. Juni hat in Tunesien für einen Aufschrei in der Bevölkerung gesorgt. Es ist wohl die grösste Flüchtlingstragödie, die das Land je gesehen hat. Bis gestern Samstag wurden 77 Leichen geborgen. Beobachter und Nichtregierungsorganisationen befürchten, dass mehr als 100 Menschen ertrunken sind. Besonders gross ist die Bestürzung in Südtunesien.
14 Opfer sollen aus dem Ort El Hamma stammen, neun aus Bani Kheddache bei Medenine. Dort kam es am Donnerstagabend zu Ausschreitungen. Das Schiffsunglück hat auch politische Folgen. Am Mittwoch entliess Innenminister Lotfi Brahem zehn Polizeioffiziere, weil sie sich von Schleppern hatten bestechen lassen. Wenige Stunden nach der Entlassung musste auch der Innenminister selbst seinen Posten räumen. Beat Stauffer
(https://nzzas.nzz.ch/international/farid-ist-ein-serioeser-schlepper-bis-sein-boot-kentert-und-ueber-100-menschen-sterben-ld.1393229)
+++FREIRÄUME
Die Grosse Halle wird saniert
Die Stadtberner sprechen den Baukredit für die Reithalle.
https://www.derbund.ch/bern/stadt/die-grosse-halle-wird-saniert/story/22383186
-> https://www.bernerzeitung.ch/region/bern/stadt-bern-gibt-reitschule-erneut-den-segen/story/18483126
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/abstimmungen/abstimmungen/abstimmungen-bern/ja-zum-baukredit-svp-blitzt-mit-reitschul-referendum-ab
-> http://www.20min.ch/schweiz/bern/story/Berner-sagen-ja-zu-3-Mio-Kredit-fuer-die-Reitschule-10018869
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/abstimmungen/abstimmungen/abstimmungen-bern/kommunale-abstimmung-erneute-reitschul-abstimmung-in-der-stadt-bern
-> https://www.bernerzeitung.ch/region/kanton-bern/alle-abstimmungen-im-kanton-bern/story/21237936
-> http://www.bern.ch/themen/stadt-recht-und-politik/abstimmungen-und-wahlen/abstimmungen/abstimmungsdaten
-> https://www.blick.ch/news/schweiz/kommunale-abstimmung-stadtberner-sprechen-sich-zum-sechsten-mal-fuer-die-reitschule-aus-id8478728.html
-> https://www.nau.ch/nachrichten/schweiz/2018/06/10/bern-sagt-ja-zur-reitschule-niederlage-fur-erich-hess-svp-65350066
-> https://www.telebaern.tv/118-show-news/24798-episode-sonntag-10-juni-2018/59572-segment-berner-stadtbevoelkerung-sagt-ja-zur-reitschule
+++AUSLÄNDER_INNEN-RECHT
NZZ am Sonntag 10.06.2018
Ausschaffungen: Warum kriminelle Ausländer zu Polemik führen
Die meisten Landesverweisungen werden gegen Drogenhändler und Diebe verhängt. Und gegen Täter, die in der Schweiz gar keine langfristige Aufenthaltsbewilligung haben.
Von Lukas Häuptli
Ein Sturm fegte über das Bundesamt für Statistik. Am letzten Mittwoch schrieb der «Tages-Anzeiger» von «Statistikern im politikfreien Raum», denen ein «besonders ärgerlicher» Fehler unterlaufen sei, am Freitag der «Blick» von «Verrechnern vom Dienst» und von einem zubereiteten «Zahlensalat». Das Bundesamt selbst hatte am Montag im Internet eine erste Statistik zu den 2017 verhängten Landesverweisungen veröffentlicht. Am Mittwoch folgte eine zweite. Und am Donnerstag nahm das Amt sowohl die erste als auch die zweite wieder vom Netz. Das sei «aufgrund der Reaktionen» geschehen, schrieb es in einer Medienmitteilung.
Allerdings geht es im Kern gar nicht um einen angeblichen oder tatsächlichen Fehler des Bundesamts für Statistik. Es geht vielmehr darum, wie die Ausschaffungsinitiative und deren Umsetzungsbestimmungen von Staatsanwaltschaften und Gerichten angewendet werden. Und das ist keine statistische, sondern eine rechtliche und – vor allem – eine politische Frage.
Seit Jahren ein Politikum
Bei der Ausschaffungsinitiative, welche die Stimmberechtigten 2010 angenommen hatten, stehen sich nämlich seit Jahren zwei Lager gegenüber – auf der einen Seite die SVP, welche die wortgetreue Umsetzung ihrer Initiative verlangt: Ausländer, die bestimmte Delikte begehen, müssen automatisch aus dem Land gewiesen und ausgeschafft werden. Alles andere sei, kritisiert sie, Ausdruck der Kuscheljustiz.
Auf der anderen Seite stehen diejenigen, die auf den rechtsstaatlichen Grundsatz der Verhältnismässigkeit verweisen: Trotz dem Automatismus muss man jeden Fall einzeln prüfen und in einem Härtefall auf eine Landesverweisung verzichten können.
Bleibt die Frage: Wie häufig darf das sein? Oder anders gefragt: Wie hoch darf der Anteil der Härtefälle an denjenigen Fällen sein, in denen Verfassung und Gesetz eine sogenannt obligatorische Landesverweisung fordern? In der ersten Statistik des Bundesamts lag der Anteil bei 46, in der zweiten bei 31 Prozent. Noch ist nicht klar, was genau der Grund für den Unterschied ist; der Bund hat dazu eine Arbeitsgruppe eingesetzt.
Unbestritten sind zwei Dinge: Erstens steigt der Anteil der ausländischen Täter, die eigentlich ausgeschafft werden müssten, aber nicht ausgeschafft werden. Das wird sich spätestens dann zeigen, wenn das Bundesamt für Statistik nicht nur die Zahlen zu den verhängten Landesverweisungen veröffentlicht, sondern auch die zu den vollzogenen Landesverweisungen. Bereits jetzt ist nämlich absehbar, dass zahlreiche Täter nicht ausgeschafft werden können – zum Beispiel deshalb, weil deren Heimatstaaten für die Ausschaffungen nicht Hand bieten.
Zweitens zeigen die Zahlen, die das Bundesamt für Statistik diese Woche veröffentlichte: Am meisten Landeverweisungen werden gegen ausländische Drogenhändler und Diebe verhängt. Und gegen Täter, die in der Schweiz keine längerfristige Aufenthaltsbewilligung haben.
Knapp tausend Fälle
So sind letztes Jahr insgesamt 915 obligatorische Landesverweisungen verhängt worden, wie sie die Ausschaffungsinitiative verlangt. In 639 Fällen ging es um Täter, die hauptsächlich wegen Diebstahls verurteilt wurden. Weitere 333 Fälle betrafen Delinquenten, die in erster Linie des Drogenhandels schuldig gesprochen wurden. Lediglich in Einzelfällen ging es um ganz schwere Straftaten wie Vergewaltigungen, schwere Körperverletzungen oder Tötungsdelikte.
Noch auffälliger ist das Bild, wenn man den Aufenthaltsstatus der Betroffenen anschaut: So wurde letztes Jahr gegen 35 Ausländer eine Landesverweisung verhängt, die mit einer Niederlassungs- oder einer Aufenthaltsbewilligung in der Schweiz lebten. Das sind nicht einmal 4 Prozent. Mehr als 96 Prozent der Landesverweisungen betrafen dagegen Ausländer, die sich in der Schweiz mit einer Kurzaufenthaltsbewilligung, als Asylsuchende oder illegal aufhielten.
Nach den Veröffentlichungen des Bundesamts für Statistik forderte die SVP umgehend die Abschaffung der Härtefallklausel. Diese ist im Strafgesetz festgeschrieben und lautet so: Das Gericht kann ausnahmsweise von einer Landesverweisung absehen, wenn diese für den Ausländer einen schweren persönlichen Härtefall bewirken würde.
(https://nzzas.nzz.ch/schweiz/ausschaffungen-warum-kriminelle-auslaender-zu-polemik-fuehren-ld.1393224)
+++BIG BROTHER
Hooligan-Experten: Schweizer Polizei in Putins Dienst
Die Bundespolizei schickt fünf Hooligan-Experten an die WM. Sie erklären den Russen das Kuhglocken-Phänomen.
https://www.aargauerzeitung.ch/schweiz/hooligan-experten-schweizer-polizei-in-putins-dienst-132665198