Die Migrations- und Asylpolitik steht seit Jahren im Zentrum einer tendenziösen und irreführenden Berichterstattung, die nicht nur fremdenfeindlichen fearteien, sondern der vorherrschenden neoliberalen Politik insgesamt hilft: Anstatt die zunehmende soziale Ungleichheit und Prekarisierung zu thematisieren, werden Flüchtlinge und Migrant*innen als kulturelle und ökonomische Bedrohung stigmatisiert.
Gefunden auf sozialismus.ch
Die Zuwanderung von Geflüchteten wird in der Öffentlichkeit heute als eines der grössten Probleme unserer Gesellschaft dargestellt. Medien und Politik beklagen die hohen Kosten, die Flüchtlinge angeblich verursachen, die Bevölkerung hat Angst vor der billigen Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt und einer Verschärfung der Wohnungsnot in den Städten. Gleichzeitig werden die hohe Erwerbslosenquote und Sozialhilfeabhängigkeit bei Flüchtlingen als finanzielles Desaster, und kulturelle und religiöse Verschiedenheiten als Unwille, sich in die Gesellschaft einzubringen, dargestellt. Dies alles führt dazu, dass eine repressive Handhabung des Asylwesens und somit eine möglichst tiefe Anerkennungsquote seit Jahren als öffentliches Interesse gilt. Die Schweizer Behörden möchten möglichst wenige geflüchtete Menschen aufnehmen. Diese öffentliche Wahrnehmung schlägt sich in einem Asylgesetz nieder, das fast jährlich verschärft wird, in ausländerfeindlichen Verfassungsartikeln und in einem hoch bürokratischen Bewilligungssystem, welches häufig nur temporäre, der Wirtschaft angepasste Bewilligungen vorsieht. Aus Geflüchteten und Schutzsuchenden werden Kriminelle, fanatische Islamisten, Konkurrenten, Lohndrücker und ewige Sozialhilfebezüger – kurz: sie werden zu den Sündenböcken für die Ängste und die steigende Armut vieler Schweizer*innen.
Diese öffentliche Debatte, die Geflüchtete direkt mit Sparzwang, Lohndumping, Kriminalität und Wohnungsnot in Verbindung bringt, ist verdreht und falsch – sie ist Ergebnis einer rechtskonservativen, fremdenfeindlichen Hetzkampagne und einer starken Wirtschaftslobby. Sie macht die schwächsten unserer Gesellschaft zu Sündenböcken für teilweise bestehende soziale Probleme, ohne die tatsächlichen Ursachen aufzuzeigen oder gar zu bekämpfen. Menschen in ähnlich prekären Lebenslagen werden gegeneinander aufgehetzt, obwohl das einzige, was sie unterscheidet, die Nationalität, die Hautfarbe, die Muttersprache ist. Um dieser Entwicklung entgegenzutreten, müssen die wahren Ursachen für Sparmassnahmen, Lohnsenkungen und Wohnungsnot aufgedeckt werden, damit sich Schweizer*innen endlich vereint mit Geflüchteten und Migrant*innen dagegen zur Wehr setzen können.
Das Boot ist nicht voll!
Im Jahr 2016 ersuchten rund 27’000 Menschen um Asyl in der Schweiz. 2015 waren es 39’000, 2014 nur 24’000. Die Anerkennungsquote lag jährlich im Durchschnitt bei ca. 25%. 2016 haben also lediglich 5’900 Menschen in der Schweiz Asyl erhalten.1 Weltweit sind aber fast 60 Millionen Menschen auf der Flucht vor Kriegen, Hungersnöten, religiöser, politischer, geschlechtsspezifischer oder ethnischer Verfolgung und Perspektivlosigkeit.2 Länder wie Pakistan, der Libanon, die Türkei oder Äthiopien beherbergen Millionen von Geflüchteten, und das seit Jahren. Nicht das Boot der Schweiz ist voll, die Boote, die täglich versuchen, das Mittelmeer zu überqueren, um nach Europa zu gelangen, sind voll. Wie kommt es, dass man in der Schweiz glaubt, mit wenigen Tausend Menschen jährlich die Aufnahmekapazitäten schon ausgeschöpft zu haben? Seit Jahren zeichnet sich ab, dass die Zuwanderung von Geflüchteten zunehmen wird. Kriege im Nahen Osten und verschiedenen afrikanischen Staaten, Hungersnöte, Korruption und steigende soziale Ungleichheit treiben immer mehr Menschen zur Flucht aus ihrer Heimat. Der Westen macht dabei gute Geschäfte – im Waffenhandel, mit Potentatengeldern, bei der Rohstoffausbeutung und den ungleichen wirtschaftlichen Handelsbeziehungen zwischen dem Norden und dem Süden, ja sogar mit den Geflüchteten selbst. Die Schweiz hat seit Jahren nichts gegen die Fluchtursachen unternommen, sondern macht munter weiter ihre milliardenschweren Profite. Auch hat sie sich angesichts der vorhersehbaren Migrationsströme nach Europa nicht vorbereitet, um möglichst viele Geflüchtete aufnehmen zu können, sondern tatenlos zugesehen bzw. versucht, möglichst viele Rückübernahmeverträge und Migrationspartnerschaften (häufig mit repressiven Regimen) zu schliessen, um die Menschen so schnell wie möglich wieder los zu werden. Nun wird so getan, als wäre urplötzlich aus dem Nichts eine „Flut“ von Menschen wie ein „Heuschreckenschwarm“ über Europa hereingebrochen, vor der man sich schützen muss. Dass die Schweiz heute nur gerade über soziale Infrastrukturen für die Erstaufnahme von ca. 5000 Menschen verfügt, hat aber nichts mit einer tatsächlich erreichten Grenze der Aufnahmefähigkeit zu tun, sondern war eine politische Entscheidung, die im Nachhinein mit fremdenfeindlichen Angstkampagnen gerechtfertigt wird. Doch was wäre, wenn die Schweiz tatsächlich Verantwortung übernehmen würde? Was wäre, wenn die Schweiz sich dazu entscheiden würde, so vielen Geflüchteten wie möglich Schutz und eine neue Heimat zu bieten? Was wäre dann alles möglich?
Wohin geht das Geld?
Die Schweiz ist eines der reichsten Länder der Welt. Geld und Ressourcen sind im Überfluss vorhanden. Die offizielle Arbeitslosigkeit liegt seit Jahren zwischen 3 und 4 Prozent. Es herrscht sogar Arbeitskräftemangel in vielen Bereichen wie im Gesundheits- oder im Bildungswesen. Seit 2010 sind jährlich mehr Lehrstellen zu besetzen, als es Schulabgänger*innen gibt. Das BIP der Schweiz betrug 2015 rund 660 Milliarden Franken. Die Schweiz gilt, berechnet am BIP pro Kopf, als eines der 10 reichsten Länder der Welt.3 Das durchschnittliche Einkommen (Median) eines Schweizers liegt aktuell bei ca. 50’000 Franken pro Jahr. Wieso also plagt in einem der reichsten Länder der Welt so viele Menschen die Angst vor der Armut?
Tatsächlich profitieren nicht alle vom Reichtum der Schweiz. Dieser ist auf wenige Menschen verteilt, während die grosse Masse immer stärker von Abstiegsängsten geplagt wird. Doch wie kann es sein, dass in einem der reichsten Länder der Welt Leute in Armut leben? Wo geht das ganze Geld hin? Der Staat gibt einen Haufen Geld aus, für Dinge, die keinem Menschen etwas nützen. Als die Bankenkrise im Jahr 2008 ausbrach, wurden innert kürzester Zeit und ohne demokratische Legitimierung Kredite in Milliardenhöhe gesprochen um Banken zu retten. Die Steuern werden für Unternehmen und für Reiche stetig gesenkt, während Menschen mit geringem- und mittlerem Einkommen einen immer grösseren Anteil des öffentlichen Haushaltes finanzieren müssen. Durch die Angstmacherei, dass Unternehmen und Reiche ganz abwandern würden, wenn man ihnen nicht immer neue Steuergeschenke macht, haben die Wirtschaftsverbände es geschafft, die wirtschaftlichen Interessen der Reichen und der Grosskonzerne als Interesse aller zu verkaufen. Dass dem nicht so ist, zeigt die soziale Ungleichheit bezüglich Einkommen und Vermögen. Die Schweiz gilt nach dem international gebräuchlichen Gini-Koeffizient zur Bemessung der Vermögensverteilung als eines der Länder mit der grössten Vermögensschere. Wenn 0% bedeutet, dass jeder gleichviel besitzt und 100%, dass einer alles besitzt, dann betrug die Vermögensungleichheit in der Schweiz 2014 rund 80%. Auch bei der Einkommensverteilung kann seit Jahren ein starker Anstieg der Toplöhne beobachtet werden, während die tiefen und mittleren Löhne mehr oder weniger stagnierten.
Während die Unter- und Mittelschicht von Abstiegs- und Existenzängsten geplagt werden, fahren Reiche und Grossunternehmen Gewinne in Milliardenhöhe ein. Wirtschaftsinteressen (der Reichen und der Grosskonzerne) sind längst zum Landesinteresse geworden, nach deren Pfeife Politiker*innen aller Couleur tanzen. Während die Budgets für die Armee, die Sicherung der Grenzen und anderer repressiver Massnahmen stetig aufgestockt werden, erfährt der öffentliche Sektor seit Jahren eine Kürzung nach der anderen. Im Bildungssektor, im Gesundheitssektor, bei den öffentlichen Infrastrukturen und im sozialen Wohnungsbau wird eine rigide Sparpolitik betrieben. Durch Stellenabbau, Ökonomisierung und Auslagerung werden Kosten gespart, wo es nur geht. Städten, Gemeinden und Kantonen fehlt das Geld an allen Ecken und Enden. Von diesen Sparmassnahmen sind die Geringverdienenden überdurchschnittlich stark betroffen, der Sozialstaat wird ausgehöhlt und die soziale Ungleichheit steigt weiter an.
Ursachen bekämpfen!
Abstiegsängste und Privilegienverluste machen die Menschen empfänglich für Angstkampagnen. Geflüchtete dienen heute als Sündenböcke für alle sozialen Probleme der Unter- und Mittelschicht: Arbeitslosigkeit, Lohnsenkungen, steigende Krankenkassenprämien, teure Mieten, Kriminalität, Sozialhilfeabhängigkeit. Es gelingt den rechten Parteien und der Wirtschaftslobby, die Menschen der unteren Gesellschaftsschichten gegeneinander auszuspielen, während die wahren Ursachen für die zunehmende Armut und Unzufriedenheit im Dunkeln bleiben. Es ist an der Zeit, die wahren Ursachen zu erkennen und eine breite Solidarisierung der Bevölkerung gegen die Aushöhlung des Sozialstaates und die Ausbeutung einer Mehrheit zu Gunsten einiger weniger Superreichen und Grossunternehmen anzustreben.
Durch eine höhere Besteuerung von Reichen, Banken und Konzernen könnte die Schweiz zusätzliche Steuereinnahmen in Milliardenhöhe einnehmen. Die Ausgaben im Flüchtlingsbereich sind ein Klacks gegen die Steuergeschenke, die seit Jahren an die oberen 1% der Gesellschaft gemacht werden. Das Budget für die Schweizer Armee sowie die Milliarden, die für die Inhaftierung und Ausschaffung von kriminalisierten Geflüchteten oder für die Abschottung Europas und der Schweiz ausgegeben werden, könnten zum Ausbau der sozialen Infrastrukturen, des Bildungs- und des Gesundheitssektors und dem sozialen Wohnungsbau verwendet werden.
Wieso fehlt es an bezahlbarem Wohnraum?
Die Wohnungsnot in den Städten spitzt sich zu. Familien, Alleinerziehende und Geringverdienende haben grosse Mühe, bezahlbaren Wohnraum zu finden. Dabei wurden 2016 zahlreiche neue Wohnungen gebaut, sodass 2016 mehr als 56’000 Wohnungen in der Schweiz leer standen. Dazu kommen zahlreiche leerstehende Büroflächen, die zu Wohnraum umgewandelt werden könnten. Immobilienfirmen treiben durch Verknappung des Angebotes die Preise in die Höhe. Die entstehenden Neubauten sind häufig überteuerte und grossflächige Luxusappartements oder Büroflächen, weil sich damit am meisten Geld verdienen lässt. Dieser Markt jedoch ist längst übersättigt und so stehen viele Büroflächen und Neubauten jahrelang leer, bis sie vermietet werden können. Während Investoren und Immobilienfirmen sich stets nach der grössten Profitabilität richten, fehlt zunehmend der Wohnraum für die Bevölkerung. Nicht nur werden kaum noch bezahlbare Wohnungen gebaut, bestehender Wohnraum mit angemessener Miete wird total saniert und so wieder profitabel gemacht. Die bisherigen Bewohner*innen können sich in der Folge den gestiegenen Mietzins meist nicht mehr leisten und stehen auf der Strasse. Die Verknappung von bezahlbarem Wohnraum hat eine verstärkte Konkurrenz zwischen MieterInnen zur Folge. Dies trifft insbesondere Menschen mit fremdländischen Namen, Menschen ohne Schweizer Pass und Menschen mit geringen Deutschkenntnissen. So haben Personen mit geringem Einkommen und einem tamilischen oder eritreischem Namen massive Probleme, eine Wohnung zu finden und sind vermehrt auf die Unterstützung von Anlaufstellen angewiesen. Diesem Trend muss endlich ein Ende gesetzt werden! Insbesondere in den Städten der Schweiz braucht es mehr bezahlbaren Wohnraum. Der Neubau von bezahlbarem Wohnraum muss staatlich gefördert werden. Bestehende Wohnungen müssen geschützt und Rennovationen zur Steigerung der Energieeffizienz subventioniert werden. Mit diesen Massnahmen können die Wohnungsnot gelindert und die Mieten gesenkt werden. Bereits heute hat eine Solidarisierung zwischen Mieter*innen und Aktivist*innen begonnen, welche gemeinsam für den Erhalt von günstigem Wohnraum und ein Recht auf Stadt auf die Strasse gehen. Diese Bewegung gilt es zu unterstützen und weiter aufzubauen.
Stopp der Ausbeutung von Geflüchteten und Migrant*innen!
Medienberichte zu der „Flüchtlingswelle“ oder der „Flüchtlingskrise“ erwecken immer wieder den Eindruck, Migration sei nicht nur eine einseitige Bewegung, sondern auch ein einseitiges Interesse derer, die kommen. Dabei wird verschwiegen, dass die westlichen kapitalistischen Länder längst ausgeklügelte Systeme entwickelt haben, um Migration möglichst gewinnbringend und produktiv zu verwerten. Die Migrationspolitik stellt das juristische und politische Werkzeug dar, mit Hilfe dessen die Schweiz versucht, die Migration möglichst zu den eigenen Gunsten zu steuern. Nicht menschenrechtliche Fragen oder Gedanken der Weltoffenheit oder des Nationalismus stehen dabei zuvorderst, sondern die Wirtschaftsinteressen des Landes.
Der offensichtlichste Beweis dafür, dass die Schweiz mit politischen und juristischen Mitteln die Voraussetzungen schafft für eine kapitalistische Verwertung von Migrant*innen, liegt in dem hochbürokratischen und komplexen System der verschiedenen Bewilligungen, die Migrant*innen erteilt werden. Die Liste reicht von N (Asylsuchend), über F (vorläufige Aufnahme Flüchtling/Ausländer*innen), G (Grenzgänger*innen), L (Kurzaufenthalter*innen), B (Asyl oder Aufenthaltsbewilligung) und C (Niederlassungsbewilligung). Jede dieser Bewilligungen zeichnet sich durch eine variierte Palette an gewährleisteten bzw. verwehrten Rechten aus.
Während hochqualifizierte Migrant*innen meist problemlos an eine Aufenthaltsbewilligung (B) bzw. eine Niederlassungsbewilligung (C) kommen, ist der bürokratische weg für Geflüchtete immens. Der Asylstatus wird äusserst restriktiv vergeben, ein grosser Teil der Geflüchteten wird in ein europäisches Land weggewiesen oder abgelehnt und kriminalisiert. Wiederum eine beträchtliche Anzahl Geflüchteter erhält anstatt Asyl nur eine temporäre Aufenthaltserlaubnis (sogenannte vorläufige Aufnahme F). Die vorläufige Aufnahme wird jährlich überprüft, es besteht kein Anspruch auf Familiennachzug, um eine Arbeitsstelle anzutreten, muss der Arbeitgeber ein Gesuch stellen und es wird eine Sonderabgabe auf das Einkommen erhoben. Diese Bedingungen führen zu erheblichen Nachteilen auf dem Arbeitsmarkt. Verstärkt wird die Wirkung zusätzlich durch die Aberkennung von in Drittstaaten erworbenen Qualifikationen und Bildungstiteln, sodass ausgebildete Menschen in der Schweiz als unqualifizierte Arbeitskräfte gelten. In Branchen wie der Landwirtschaft, der Reinigung, der Pflege und dem Baugewerbe werden Menschen mit unsicheren Aufenthaltstiteln und Sans Papiers schamlos ausgebeutet.
Stundenlöhne unter 15 Franken, bis zu 55 Arbeitsstunden in der Woche, befristete und saisonale Arbeitsverträge ohne Sicherheit und Arbeiter*innenschutz sind keine Ausnahmen. Der Druck auf Menschen mit unsicheren Aufenthaltstiteln (insbesondere F) ist enorm hoch: Um die Familie aus einem Drittstaat nachziehen zu können oder um den unsicheren Aufenthaltstitel in eine sichere(re) Bewilligung umzuwandeln, sind finanzielle Mittel unerlässlich. Um nach Jahren der Trennung endlich wieder mit der Familie vereint zu sein, werden ausbeuterische Arbeitsbeding-ungen hingenommen und ausgehalten.
Durch die Kriminalisierung eines grossen Teils der Geflüchteten (sogenannte „Wirtschaftsflüchtlinge“) ist ausserdem eine neue Gesellschaftsschicht im Entstehen: die der Nothilfe-Bezüger*innen. Insbesondere Menschen aus den Maghreb-Staaten haben keine Chance auf einen legalen Status, können aber von der Schweiz häufig nicht mit Gewalt ausgeschafft werden. Seit 2008 erhalten Menschen mit abgewiesenen Asylentscheiden oder Nichteintretensentscheiden (NEE) keine Sozialhilfe mehr. Sie fallen in die Nothilfestrukturen, wo sie einen Bunker als Schlafplatz sowie ein paar Franken im Tag zum Überleben erhalten. Ohne Arbeitsbewilligung sind sie wie herkömmliche Sans Papiers ebenfalls besonders verletzlich auf dem Arbeitsmarkt und müssen ausbeuterische Anstellungsbedingungen hinnehmen. Die beabsichtigte Wirkung dieser Massnahme – dass diese Menschen die Schweiz verlassen – ist nach 8 Jahren noch immer nicht zu spüren. Vielmehr bilden Nothilfe-Bezüger*innen und Untergetauchte heute eine neue unterste soziale Schicht, deren Zugehörige aufgrund ihrer höchst prekären Lebensverhältnisse anfällig auf psychische Erkrankungen und Radikalisierung werden und zum Überleben auf Schwarzarbeit und Kriminalität angewiesen sind.
Für erwerbslose Schweizer*innen oder andere Migrant*innen werden diese Arbeitskräfte deshalb schnell zu harten Konkurrent*innen, die es den Unternehmen ermöglichen, die Lohne zu drücken. Dieser Entwicklung muss entgegengetreten werden! Kurz- und mittelfristig kann die Einführung eines allgemeingültigen Mindestlohnes Lohndumping verhindern. Bildungstitel aus Drittstaaten müssen als Arbeitsqualifikation anerkannt werden und der finanzielle Druck auf Menschen, die ihre Familie nachziehen wollen, muss verringert werden. Die Kriminalisierung einer breiten Masse von Geflüchteten im Rahmen der Dublin-Verordnung und die Verelendung dieser Menschen im Nothilfe-System muss sofort gestoppt werden. Zudem ist es unerlässlich, die Arbeiter*innenrechte zu stärken. Anstatt als Konkurrent*innen sollen sich Arbeiter*innen aller Nationalitäten als solidarische Gemeinschaft verstehen und gemeinsam für bessere Arbeitsbedingungen und eine Demokratisierung der Wirtschaft einstehen.
Zurück auf die Strasse!
Es ist wichtig, Ängste und Befürchtungen der Bevölkerung ernst zu nehmen. Während viele Ängste von den Medien und einzelnen Parteien regelrecht geschürt werden und mit den Lebensrealitäten nicht viel zu tun haben, gibt es auch tatsächliche Verschlechterungen in vielen Bereichen. Beispiele dafür sind die zunehmende Wohnungsnot, Lohndumping, die steigende Anzahl Working Poors, Arbeitslosigkeit und soziale Ungleichheit. Während die rechtskonservativen und wirtschaftsliberalen Parteien diese Unsicherheiten ausnutzen, um ihre Angstkampagnen zu führen und beinahe jede Abstimmung mit denselben fremdenfeindlichen, nationalistischen und wirtschaftsliberalen Argumenten4 gewinnen können, fehlt es der progressiven Linken seit Jahren an einer glaubwürdigen Alternative. Diese linke Perspektive gilt es nun zu entwickeln. Es ist dabei notwendig, sowohl kurzfristige Ziele und Massnahmen zu formulieren, wie auch mittel- und langfristige Perspektiven einer solidarischen Gesellschaft aufzuzeigen. Damit auf Wohnungsnot und Lohndumping nicht mit Ausländerfeindlichkeit und Konkurrenzkampf, sondern mit Solidarität und Arbeiter*innenkämpfen geantwortet wird. Damit Flüchtlingsboote nicht mit Abschottung von Europa ferngehalten, sondern mit Grosszügigkeit und Solidarität empfangen werden. Damit Steuergeschenke an Reiche und Grosskonzerne nicht mehr als Landesinteresse akzeptiert, sondern als kapitalistische Interessen der Herrschenden bekämpft werden. Damit sich die Bevölkerung nicht mehr durch Rassismus und Fremdenfeindlichkeit spalten lässt, sondern gemeinsam auf die Strasse geht. Für eine starke linke Solidaritätsbewegung!