+++BERN
Gemeinschaft statt Geschenke: Unter den Flüchtlingen herrscht Adventsstimmung
Es herrscht Adventsstimmung bei jenen, die eigentlich keine
Weihnachten feiern. In Niederbipp backen Flüchtlinge Guetzli.
http://www.solothurnerzeitung.ch/solothurn/weitere-regionen/gemeinschaft-statt-geschenke-unter-den-fluechtlingen-herrscht-adventsstimmung-130799033
+++AARGAU
Der Aargauer Beat war Bankangestellter – jetzt klettert er lieber mit Asylsuchenden
http://www.aargauerzeitung.ch/aargau/kanton-aargau/der-aargauer-beat-war-bankangestellter-jetzt-klettert-er-lieber-mit-asylsuchenden-130799117
Schweiz am Sonntag 18.12.2016
Beat will Berge versetzen
Früher war Beat Baggenstos aus Menziken Bankangestellter. Heute
klettert er lieber mit Asylsuchenden.
Von Katja Schlegel
Eyub krallt sich in der Wand fest. Wie ein Frosch klebt er mit
angezogenen Beinen am überhängenden Stück. Dann schnellt er nach oben und packt zu – und strahlt. Unten auf der Matte klatschen und johlen seine Kollegen. Zurück auf sicherem Boden hält er den Daumen hoch. «Ich mag das», sagt er und knetet seinen Oberarm. Tuts weh? «Ein bisschen. Braucht viel Kraft.» Beat Baggenstos klopft Eyub auf die
Schulter, gut gemacht habe er es, sehr gut. «Und das gleich beim
ersten Mal.»
Eyub ist 18 Jahre alt und kommt aus Eritrea. Zum ersten Mal in seinem
Leben ist er eine Kletterwand hoch, ungesichert. Fällt er, purzelt er
auf eine dicke Matte. Bouldern nennt sich das. Beat – hier in der
Halle «Minimum» in Zürich nennen sich alle beim Vornamen – streckt
Eyub den Sack mit dem Magnesium hin. «Noch einmal?», fragt er.
Einst war Beat (34) Banker in Zürich, trug zur Arbeit Hemd und
Krawatte. Heute klettert er mit Flüchtlingen, trägt atmungsaktive
Leibchen und weite Hosen, seine nackten Füsse stecken in
Kletterfinken. Er hat sein Leben auf den Kopf gestellt. Und der
gebürtige Menziker will noch mehr: Er will Berge versetzen.
Alles hinter sich gelassen
Der Auslöser für diesen Lebenswandel waren Zigaretten: «Ich habe mit
dem Rauchen aufgehört und musste mich bewegen», sagt Beat. Er lief
los. Und lief und lief und lief. Bis zu 51 Kilometer am Stück, durch
Berg und Tal. Aber das Rennen war nichts gegen das Klettern. «Das
macht süchtig», sagt er. «Du stehst vor einer Wand und überlegst dir,
wie du da hochkommst, wie du das Problem löst.» Je schwieriger die
Wand, desto genauer, kraftsparender und fokussierter müsse man sich
bewegen. «Du weisst in jedem Moment, ob du deine Sache gut machst.
Denn wenn nicht, fällst du. So lernt man, dass Scheitern zum Leben
gehört. Aber du stehst auf und versuchst es von Neuem.» Und wenn man oben sei, die Wand bezwungen habe, überkomme einen ein gewaltiges Erfolgsgefühl. «Dieses Ganzheitliche, dieses Fokussieren hat etwas Meditatives, etwas ganz und gar Einnehmendes.»
Vor einem Jahr liess Beat sein altes Leben in Zürich hinter sich. Er
kündigte seinen Job bei der Deutschen Bank und brach auf, in seinem
Rucksack nicht mehr als Schlafsack, Zelt und Kletterzeug, und flog
nach Argentinien, nach Patagonien. «Dieses Abschütteln und Aufbrechen war absolut befreiend», sagt er. Vier Monate lang kletterte er in der argentinischen Wildnis und vergass dabei alles um sich herum.
Eigentlich hatte er nach ein paar Wochen weiter nach Indien und Nepal
reisen wollen, aber alle Flüge verpasst. Dafür reiste er via Mexiko
nach Äthiopien. Das war im letzten Frühling. Der Frühling, in dem die
Flüchtlingsströme anschwollen.
Beat reiste in den Libanon und schloss sich einer
Flüchtlings-Organisation an, half im Management und im Aufbau der
Organisation. Doch die Idee, die er bereits in Äthiopien gehegt hatte,
ging ihm nicht aus dem Kopf: «Ich wollte mit den Flüchtlingskindern
klettern, ihnen so eine Abwechslung ermöglichen, eine Ablenkung vom
Erlebten.» Von Klettern als Therapieform hatte er viel gelesen und
entsprechende Projekte studiert, auch eines im Libanon. Doch es gab
ein Problem: «Es ist praktisch unmöglich, die Kinder in das
Klettergebiet zu bringen. Häufig fehlen ihnen gültige Papiere, ohne
die man die vielen Checkpoints nicht passieren kann.» Die Kinder zum
Berg zu bringen, schien unmöglich. Also drehte Beat den Spiess um:
«Wenn ich die Kinder nicht zum Berg bringen kann, bringe ich den Berg
zu den Kindern. Ganz einfach», sagt er und lacht.
Ganz einfach? Tatsächlich. Beat will ein Boulder-Mobil bauen: einen
Truck, auf dessen Ladeflächen Kletterwände montiert werden und mit dem von Flüchtlingssiedlung zu Flüchtlingssiedlung gefahren werden kann.
«Das gemeinsame Klettern stärkt das Selbstvertrauen der Kinder und
hilft ihnen, ihre Resilienz und Problemlösekompetenz zu stärken, um
mit ihrer Situation zurechtzukommen und sich in diesem Umfeld zu
behaupten», sagt Beat. Eine tolle Idee, doch auch eine teure. Ende
September hat Beat gemeinsam mit Erlin Agich die Organisation
«ClimbAid» gegründet, in der sich bereits über 20 Kletterer
ehrenamtlich engagieren, und sammelt Spenden. 50 000 Franken brauchen sie, um den fahrenden Berg, den «Rolling Rock», umzusetzen und zu betreiben und die Kletterausrüstung für die Kinder zu besorgen.
Noch fehlt ein grosser Batzen. Aber Beat glaubt an seinen Traum. Im
kommenden Sommer will er zurück in den Libanon und den Truck bauen.
Bis dahin klettert er zweimal pro Woche mit jungen Asylsuchenden im
«Minimum» in Zürich, dank der Unterstützung von Geschäftsleiter Adi
Schiess kostenlos. Ein grossartiges Erlebnis für Beat: «Diese Freude,
die diese jungen Leute am Klettern haben, hat alle meine Erwartungen
übertroffen.» Diese Freude auch den Jungen im Libanon ermöglichen zu
können, dafür gibt Beat alles. «Dafür versetze ich Berge.»
–
Der Fels rollt
Die Non-Profit-Organisation ClimbAid will die physische und
psychosoziale Entwicklung junger Flüchtlinge mit Klettern fördern.
Nicht nur in der Schweiz, sondern insbesondere im Libanon: Mit einem
mobilen Boulder-Block, dem «Rolling Rock», will ClimbAid durch das
Land reisen. Noch werden Spendengelder gesammelt. Am 22. Dezember
findet im «Minimum» ein grosser Spendenanlass mit Nina Caprez statt.
Infos auf www.climbaid.org
+++FRIBOURG
Hervé Kalati venant de Fribourg raconte surune expérience de délits de
faciès en Suisse #racialprofiling
https://www.facebook.com/allianzgegenracialprofiling/videos/1065326783576526/
+++LUZERN
Sie besingen die Menschlichkeit
LUZERN ⋅ 220 junge Leute singen gemeinsam für Menschenrechte und
Toleranz. Im Chor erstmals dabei ist eine Gruppe junger Asylbewerber.
Besonders beliebt bei ihnen ist «Es Burebüebli».
http://www.luzernerzeitung.ch/nachrichten/zentralschweiz/luzern/Sie-besingen-die-Menschlichkeit;art9647,919947
+++NIDWALDEN
Stans plant regionales Ausschaffungscenter mit 60 Plätzen
NIDWALDEN ⋅ Die Zentralschweizer Kantone wollen ihre
Ausschaffungshäftlinge künftig in Stans unterbringen. Die Nidwaldner
Lösung könnte zum Vorbild für andere kleine Kantone werden.
http://www.luzernerzeitung.ch/nachrichten/zentralschweiz/nidwalden/Stans-plant-regionales-Ausschaffungscenter-mit-60-Plaetzen;art9649,919943
->
http://tele1.ch/DesktopModules/MyVideoPlayer/Player.aspx?id=26437|526&embedd=false&autoplay=true
+++ZÜRICH
Integrationshilfe – Flüchtlinge fiebern mit Fans von Pfadi Winterthur
(ab 08:36)
http://www.teletop.ch/programm/heute-auf-tele-top/art/heute-auf-tele-top-001709096/
+++SCHWEIZ
Syrien-Krieg: Flüchtlingshilfe will mehr Visa
Der Bundesrat plant bis 2018 Aufnahme von 2000 Syrern
Bern – Die Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH) nimmt «fassungslos
Kenntnis von der Tragödie rund um Aleppo, die scheinbar von der
internationalen Gemeinschaft toleriert wird», sagt Sprecher Stefan
Frey. Die SFH fordert die Behörden auf, «sofort und grosszügiger
humanitäre Visa zu erteilen und Menschenleben zu retten». Angesichts
der humanitären Katastrophe solle unser Land diese Grosszügigkeit auch
bei den anderen Schengen-Staaten einfordern. «So kann wenigstens
einigen Tausend von Bomben, Hunger und Terror bedrohten Menschen
geholfen werden», betont Frey. Und er appelliert an die Bevölkerung:
«Angesichts der unerträglichen Bilder aus dem Kriegsgebiet dürfen wir
die hier lebenden Syrer nicht vergessen und nicht alleine lassen.» Die
SFH rufe dazu auf, ein Zeichen zu setzen: «Laden Sie die in der
Nachbarschaft lebenden syrischen Kinder, Mütter und Väter zu einem
gemeinsamen Essen ein.»
Für allein 400 000 Syrer braucht es Möglichkeiten zur Neuansiedlung
Tatsächlich kommen nur sehr wenige Syrer mit einem humanitären Visum in die Schweiz: Bis Ende August 2016 waren es gerade mal 301 Personen – von eigentlich 500, die für Syrien vorgesehen sind. «Da bei diesem Visum eine Bedrohung in jenem Land nachgewiesen werden muss, in dem das Gesuch gestellt wird, und es nicht überall Schweizer Botschaften gibt», hätten viele Personen, die medizinische Hilfe bräuchten, keine Chance, auf diesem Weg in die Schweiz zu gelangen, erklärt Frey die tiefen Zahlen.
Insgesamt registrierte das UN-Flüchtlingskommissariat (UNHCR) in den Ländern um Syrien bis am 4. Dezember 4 810 710 Flüchtlinge, wie
Sprecherin Julia Dao sagt. Um die Nachbarländer zu entlasten, sucht
das UNHRC allein für die Neuansiedlung von Syrern 400 000 Plätze. Der Bundesrat ist bereit, in den nächsten zwei Jahren 2000
Neuansiedlungs-Flüchtlinge aus Syrien aufzunehmen. Zuvor hatte die
Schweiz bereits in einem Pilotprojekt 503 solcher Flüchtlinge geholt
und gegen 4700 erleichterte Visa für syrische Familienangehörige
erteilt. Zudem hatte der Bundesrat 2015 entschieden, über drei Jahre
3000 schutzbedürftige Syrienflüchtlinge aufzunehmen – neben
Neuansiedlungsplätzen handelt es sich zum einen um das besagte
Kontingent für humanitäre Visa, und zum anderen beteiligt sich die
Schweiz mit 1500 Plätzen am europäischen Umverteilungsprogramm. Länder wie Italien und Griechenland, die besonders viele Asylgesuche
verzeichnen, sollen so durch andere Staaten entlastet werden. Bis Ende
September sind über die Umverteilung 112 Personen aus Italien in die
Schweiz gekommen.
Pascal Tischhauser
->
->
http://www.blick.ch/news/politik/die-gruene-partei-will-10-000-syrer-in-der-schweiz-aufnehmen-wie-wir-helfen-koennen-id5909762.html
->
http://www.20min.ch/schweiz/news/story/Glaettli-will-10-000-Syrer-in-die-Schweiz-holen-29357698
->
http://www.schweizamsonntag.ch/ressort/nachrichten/evakuierung_wird_noch_tage_dauern/
+++DEUTSCHLAND
Freiburg – eine Zufluchts-Stadt, die alle ihre Bewohner/innen schützt!
Städte wie Freiburg sind aber dem Wohlergehen aller Stadtbürger/innen
verpflichtet, nicht nur dem Wohlergehen deutscher Staatsbürger/innen.
Staatsangehörigkeit und Aufenthaltstitel sollten nicht dazu führen,
dass es in der Stadt Bürger/innen zweiter und dritter Klasse gibt.
Deshalb hat sich in den USA, Kanada und Großbritannien die Bewegung
der Sanctuary Cities, der Zufluchtsstädte, entwickelt. Mehrere hundert
Städte haben sich zu Zufluchtsstädten erklärt, die Allen einen Zugang
zu öffentlichen Dienstleistungen gewährleisten wollen und die sich
weigern, an Repressionsmaßnahmen gegen Illegalisierte und an
Abschiebungen mitzuwirken. So auch die Freiburger Partnerstadt Madison
in den USA. Die Stadt Madison hat Mitte November 2016 erklärt, dass
sie ihre Politik trotz der Drohnungen Trumps gegen Sanctuary Cities
nicht ändern wird. Inzwischen hat sich auch in Europa ein Netzwerk von
Zufluchtsstädten entwickelt, an dem sich unter anderem Barcelona und
Oxford beteiligen. Die Stadtregierung in Barcelona unter
Bürgermeisterin Ada Colau fordert die Bildung eines europäischen
Netzwerkes von rebellischen Sanctuary Cities.
https://www.freiburger-forum.net/2016/10/freiburg-eine-zufluchts-stadt-die-alle-ihre-buergerinnen-schuetzt/
+++SERBIEN
Flüchtlinge: Ibrahim will in Serbien bleiben
Serbien war für Flüchtlinge bislang vor allem ein Transitland auf dem
Weg nach Westeuropa. Doch seit die sogenannte Balkanroute geschlossen
ist, gibt es auch Menschen, die im Land bleiben wollen. Der 19-jährige
Ibrahim Ishak aus Ghana ist einer von ihnen.
http://www.tageswoche.ch/de/2016_51/international/737694/Ibrahim-will-in-Serbien-bleiben.htm
+++GRIECHENLAND
Zufluchtsort Hotel
Griechenland ächzt unter der Flüchtlingskrise. Aber statt zu
resignieren, hat sich ein Hotelier auf der Insel Evia etwas überlegt.
Er bietet Flüchtlingen in seinem Hotel eine Bleibe und hilft ihnen bei
der Integration und bei ihrem Neustart in der EU.
http://www.tagesschau.de/ausland/griechenland-weltspiegel-101.html
+++MITTELMEER
Flucht nach Europa: Frontex-Chef fordert legale Wege
Seit Jahresbeginn sind rund 5.000 Flüchtlinge im Mittelmeer ertrunken.
Fabrice Leggeri von der EU-Grenzschutzagentur schlägt Kontingente vor.
http://www.taz.de/Flucht-nach-Europa/!5367859
+++EUROPA
Kritik an Flüchtlingspolitik „Merkel Vorreiterin der Abschottung Europas“
2016 ist mit weit mehr als 4.000 Ertrunkenen das tödlichste Jahr für
Flüchtlinge auf der Mittelmeerroute. Organisationen wie Pro Asyl und
Ärzte ohne Grenzen verurteilen eine „immer stärkere
EU-Abschottungspolitik“ und die „Kehrtwende“ der Kanzlerin.
http://www.heute.de/kritik-an-fluechtlingspolitik-merkel-vorreiterin-der-abschottung-europas-46123834.html
+++FRAUEN/KINDER/LGBTI
Syrisches Flüchtlingskind strandet in Alters-WG
Ein syrischer Junge flüchtet allein und landet in einer deutschen
Alters-WG: Ein Kinderbuch über Verlust und Ankommen.
http://www.srf.ch/kultur/gesellschaft-religion/syrisches-fluechtlingskind-strandet-in-alters-wg
Flucht und Ankommen in der Kinder- und Jugendliteratur
Der Markt boomt: Kinder- und Jugendbücher zum Thema Flucht stehen weit oben auf den Bestsellerlisten. Sie widerspiegeln die aktuelle
geopolitische Lage. Sie treffen den Nerv der Zeit und tragen zur
Integration bei, vor allem die «Silent Books» – Bücher ohne Text.
http://www.srf.ch/sendungen/kontext/flucht-und-ankommen-in-der-kinder-und-jugendliteratur
+++KNAST
Die Geheimniswahrerin im Bau
Die reformierte Seelsorgerin Brigitte Siegenthaler ist für Menschen,
die im Regionalgefängnis Thun in Untersuchungshaft sitzen, oft der
einzige Besuch, bei dem frei und ohne Protokoll gesprochen werden
kann. Den Mut, den es braucht, sich dieser Situation auszusetzen,
bezeichnet sie entweder als klein oder als «Angst, die betet.»
http://www.jungfrauzeitung.ch/artikel/150243/
+++BIG BROTHER
Projekt wird ausgeweitet: Bahn will Bodycams auch in Zügen
Nach einem Test mit Körperkameras bei Sicherheitspersonal auf
Bahnhöfen will die Bahn das Projekt ausweiten. Auch Sicherheitskräfte
in Zügen sollen mit Kameras ausgestattet werden. Nicht nur die
Aufzeichnungsfunktion sei wirkungsvoll, sondern auch der eingebaute
Monitor.
http://www.tagesschau.de/inland/bahn-koerperkameras-101.html
->
http://www.heute.de/deutsche-bahn-testet-bodycams-jetzt-auch-in-zuegen-46132950.html
Am Kiosk werden die Kunden ausspioniert
Der Kioskkonzern Valora hat seine Filialen am Zürcher Hauptbahnhof mit Sensoren ausgerüstet. Diese greifen auf die Smartphones der Kunden zu und verfolgen deren Wege.
http://www.derbund.ch/wirtschaft/am-kiosk-werden-die-kunden-ausspioniert/story/10574019
->
http://www.derbund.ch/wirtschaft/wie-wir-uns-im-laden-manipulieren-lassen/story/29492082
-> http://www.derbund.ch/wirtschaft/der-verfolgte-kunde/story/14656294
—
Schweiz am Sonntag 18.12.2016
Valora is watching you
Der Kioskkonzern verfolgt mit einem deutschen Start-up die Wege seiner Kunden.
Von Benjamin Weinmann
Wohin geht die Passantin im Zürcher Hauptbahnhof, nachdem sie sich
einen Cappuccino gekauft hat? Das will Valora herausfinden. Der
Händler aus Muttenz mit einem Umsatz von 2 Milliarden Franken ist eine neue Partnerschaft mit dem Berliner Start-up-Unternehmen Minodes eingegangen. Das Ziel: Die Wege der Kundschaft zu erkennen und daraus Profit zu schlagen. Am Zürcher HB läuft derzeit ein Pilotprojekt. «Wir haben unsere Geschäfte mit Sensoren von Minodes ausgerüstet», sagt Cyril Dorsaz, der seit Anfang Jahr für Valora als Digital Innovation Manager im Silicon Valley in Kalifornien arbeitet.
Der Pilot mit Minodes bei den Valora Formaten k Kiosk, Caffè
Spettacolo, Brezelkönig und Press & Books funktioniert so: Die
Sensoren können die Smartphones der Kunden ausfindig machen, sofern die WiFi-Option aktiviert ist. «So sehen wir, ob der Kunde nach dem Kaffeekauf im Spettacolo auch noch einen Brezelkönig besucht und wie treu er uns ist.»
Die Resultate können einerseits für die Platzierung einer neuen
Filiale, Öffnungszeitenoptimierungen und den Personaleinsatz relevant
sein, aber auch für das Marketing. «Langfristig möchten wir den Kunden in der Filiale einen Rabatt für die Brezel aufs Handy schicken und so zusätzlichen Umsatz generieren», sagt Dorsaz. Mit der heute
eingesetzten Technologie sei dies noch nicht möglich. Die Handydaten
würden vollkommen anonym ausgewertet, und die Besitzer seien Valora
nicht bekannt. «Wir sammeln aber wertvolle Informationen über das
Verhalten unserer Kunden, um so in einem nächsten Schritt möglichst
relevante Apps zu entwickeln», sagt Dorsaz. Auch Loyalitätsprogramme,
die für mehrere Formate gelten, seien denkbar. Der sechsmonatige Pilot
dauert bis Anfang Frühling 2017. Sollte der Test erfolgreich sein,
wäre er auch an anderen Grossbahnhöfen denkbar.
Hilfe von Mark Zuckerberg
Die Minodes-Partnerschaft ist ein weiteres Resultat des Valora Labs,
welches CEO Michael Mueller vor einem Jahr lancierte, mit Dorsaz in
San Francisco und sechs Angestellten in Zürich und am Hauptsitz in
Muttenz. Sie sollen die neusten Detailhandelstrends ausfindig machen
und für Valora ausmünzen. Über das Budget des «Labs» schweigt sich
Valora aus. In den vergangenen Monaten hatte Valora auch eine App für
Caffè-Spettacolo-Kunden lanciert, welche die Vorab-Bestellung
ermöglicht, sowie eine Selfscanning-App für die Kioske.
Eine alle Valora Konzepte umfassende App sei zwar diskutiert, aber als
nicht ideal eingestuft worden, sagt Dorsaz. «Viele Leute wissen gar
nicht, dass Brezelkönig oder Spettacolo zu Valora gehören.»
Stattdessen hoffen er und sein Team auf Facebook. Der Social-Media-Riese bietet Unternehmen seit neustem die Möglichkeit,
den Facebook-Chat als Marketingtool zu nutzen. Mit sogenannten
Chatbots können Firmen mit ihren Kunden in einen direkten Dialog
treten – vorausgesetzt, diese stellen im Chat Fragen. Eigene Apps
werden so teilobsolet.
Valora hat vor kurzem einen solchen Chatbot-Kanal für die Marke ok. –
gestartet. «Bisher hatten wir mit 1000 Kunden Kontakt, schickten ihnen
elektronische Rabatte und informierten sie über Aktionen», sagt
Dorsaz. Die Nutzung des Facebook-Messengers sei für Valora gratis.
–
Brezel-Sensoren
Die SBB wollen mehr Kooperationen mit ihren Mietern eingehen. Ein
erstes Projekt sorgt für schnelleres Essen: Bei zwei
Brezelkönig-Ständen in Zürich HB und Basel SBB wurden an der Decke
Sensoren angebracht, welche die Länge der Warteschlange messen. Wird sie zu lang, wird das Personal in der Zubereitungszone alarmiert, wie SBB-Sprecher Daniele Pallecchi erläutert. Sobald Bilanz über das
Projekt gezogen sei, werde man die Unterstützung auf weitere Geschäfte
ausweiten.
Stefan Ehrbar
—
Machtlos gegen Facebook
Schweizer Strafverfolger verlangen vom Social-Media-Konzern immer mehr Nutzerdaten – meistens scheitern sie.
http://www.schweizamsonntag.ch/ressort/nachrichten/machtlos_gegen_facebook/
+++POLIZEI CH
Schweiz am Sonntag 18.12.2016
Dein Freund und Überwacher
Die Polizei rüstet technisch auf. Auch in der Schweiz werden
Ordnungshüter zunehmend mit Spezialkameras ausgestattet. Doch bringt das wirklich mehr Sicherheit?
Von Raffael Schuppisser
Die Pistole ragt ins Bild wie in einem Ego-Shooter. Der Zuschauer
nimmt die Perspektive des Polizisten ein und schleicht mit ihm durch
verwinkelte Gänge. Die Waffe immer im Anschlag. Dann krachen Schüsse.
Das Bild verwackelt, der Polizist geht in Deckung, schiesst zurück.
Schreie sind zu hören. Weitere Schüsse. Ein Mann liegt regungslos am
Boden. Er ist tot. Es folgt eine personalisierte Werbeeinspielung für
eine Schweizer Krankenkasse, ehe das nächste Video startet.
Solche Filme mit realen Schiessereien und Toten finden sich auf
Youtube zuhauf. Zur Grundausstattung von US-Polizisten gehört eine am Körper getragene Kamera, eine Bodycam. Die damit aufgezeichneten
Videos gelangen mehr oder minder unzensiert auf Youtube – oft stellen
sie die Behörden selber online. Die beliebtesten haben mehrere
Millionen Klicks. Nackte Brüste darf man auf Youtube nicht zeigen,
Tötungen schon. So ist das in den USA.
Netflix für Polizeivideos
In der Schweiz werden nächstes Jahr Polizisten der Stadtpolizei Zürich
ebenfalls mit Bodycams ausgestattet. Für einen Pilotversuch sollen
acht Polizisten während neun Monaten eine Körperkamera tragen, wie die Zürcher Stadtpolizei diese Woche mitteilte. Dass damit aufgenommene Filme bald auf Youtube zu sehen sein werden, ist nicht zu befürchten.
Das Material ist nicht für die Öffentlichkeit bestimmt, und der
Zugriff der Polizei selber soll streng geregelt werden.
Dennoch ist das Projekt umstritten. Der Verband Schweizerischer
Polizeibeamter fürchtet einen Vertrauensverlust durch die Kameras. Die
Stadtpolizei jedoch hofft, dass Übergriffe auf Beamte dadurch
verhindert oder zumindest aufgezeichnet werden. Die Kamera soll dem
Schutz der Polizisten dienen.
Genau andersherum ist es in den USA: Hier wurden die Kameras zur
Überwachung der Polizisten eingeführt. Nachdem im August 2014 in
Ferguson der unbewaffnete afroamerikanische Teenager Michael Brown von einem weissen Polizisten brutal erschossen wurde, hat Barack Obama die Polizeistellen mit 75 Millionen Dollar unterstützt, um sie unter anderem mit Kameras auszustatten. So könne das Vertrauen zwischen Bevölkerung und Polizei wieder hergestellt werden, sagte der Präsident.
Die Bürgerrechtler waren zuerst begeistert. Mittlerweile sind sie
nicht mehr so sicher, wem die Kameras nun mehr nützen, der Polizei
oder den diskriminierten Minderheiten. Die wissenschaftlichen
Untersuchungen, die es dazu gibt, zeigen kein eindeutiges Bild. So
kommt eine Studie der Universität Cambridge zum Schluss, dass
Polizisten mit eingeschalteter Bodycam nur halb so oft Gewalt anwenden würden. Wohingegen eine Studie der Temple University ergab, dass es in Schiessereien mehr tote Zivilisten gibt, wenn die Polizisten Körperkameras tragen.
Mit Sicherheit aber profitiert Taser International vom Trend zur
Bodycam. Die Firma ist nicht nur der grösste Hersteller solcher
Kameras, sie bietet auch einen Cloud-Service für Polizeivideos an.
Ordnungshüter können nach ihrer Schicht die Videos direkt auf die
Server der Firma laden. Gemäss der Mediendienstleisterfirma Bloomberg lagert dort Videomaterial, das dem Volumen des Streaming-Katalogs von Netflix entspricht.
Auch die bald in der Schweiz zum Einsatz kommenden Bodycams stammen teilweise von Taser. Auf Nachfrage versichert die Zürcher
Stadtpolizei, dass der Kamerahersteller keinen Zugriff auf die Videos
haben werde und sie auch nicht in einer Cloud abgespeichert würden.
Blindes Vertrauen in Bilder
Derweil will Taser in den USA den Cloud-Service optimieren. Diesen
Sommer kündigte die Firma an, bald Livestreaming zu ermöglichen. Die
Bilder der Bodycams können dann direkt in den Polizeizentralen
ausgewertet und, wie Taser betont, mit Gesichtserkennungsalgorithmen
überprüft werden. Wenn sich im Sichtfeld eines Ordnungshüters ein
gesuchter Krimineller befindet, könnte die Software den Polizisten mit
einem Alarm darauf hinweisen. In Zukunft werde jeder Polizist zu einem
Robocop, liess Taser verlauten.
Die US-Behörden verfügen bereits über eine Datenbank mit 117 Millionen Gesichtern; die meisten stammen von unschuldigen Bürgern. Wenn einer von ihnen sich entschliessen sollte, kriminell zu werden, könnte man ihn mithilfe eines Algorithmus finden, sobald er sein Gesicht in eine Kamera streckt. Auch in Deutschland setzt die Polizei auf
Gesichtserkennung und nutzt dazu eine Datenbank mit 3,4 Millionen
Bildern. In der Schweiz wird das Verfahren gemäss Fedpol nicht
angewendet.
Dennoch kommt Big Data auch hierzulande bei der Verbrechensbekämpfung zum Einsatz. Mit der Software «Precops» will die Polizei in Zürich, Basel und im Aargau Einbrüche verhindern. Ein Algorithmus berechnet aufgrund von Daten bisheriger Einbrüche – wie Ort, Haustyp, Beute –, wo Täter mit grosser Wahrscheinlichkeit das nächste Mal zuschlagen werden.
Noch weiter geht eine von chinesischen Forschern entwickelte Software:
Damit sollen kriminelle Menschen erkannt werden, bevor sie zur Tat
schreiten. Dafür haben die Wissenschafter einen Algorithmus entwickelt
und ihn mit 1856 Passfotos gefüttert, die zur Hälfte von
unbescholtenen Bürgern und zur Hälfte von verurteilten Straftätern
stammen. Nach reichlich Training schaffte es das selbstlernende System
mit einer Wahrscheinlichkeit von 89,5 Prozent, einen Kriminellen
aufgrund seiner Gesichtszüge zu identifizieren.
Die Methodik ist höchst umstritten. Einerseits stammen die Bilder aus
zwei verschiedenen Quellen, was das Ergebnis verfälschen könnte.
Andererseits sagen die Geschichtszüge wohl weniger über eine
Veranlagung zum Verbrecher aus als über das Leben als Krimineller in
Haft; der harte Alltag zeichnet einen.
Vor allem aber sagt die Studie etwas über das Vertrauen in die
Technologie aus: Algorithmen liegen nicht falsch, und Bilder lügen
nicht. Beides stimmt nicht. Software ist fehleranfällig, und Bilder
können manipuliert werden. Man erinnere sich etwa, wie der Satiriker
Jan Böhmermann in einem Video den Stinkefinger von Yanis Varoufakis
untergebracht hat. Und so kommt es, dass es noch nie so viele
«beweiskräftige» Videos und Fotos gab, wir aber ins postfaktische
Zeitalter abzudriften drohen.
+++ANTIFA
Algorithmen und „Fake News“: Alles ist verbunden
Googles Algorithmen werden zur Verbreitung von Fake News und
rechtsextremen Inhalten instrumentalisiert. Das bedroht die Demokratie.
http://taz.de/Algorithmen-und-Fake-News/!5362397/