Medienspiegel: 8. Oktober 2016

+++BERN
Bei den UMA zu sparen, ist kurzsichtig
Andrea Sommer, Leiterin Ressort Kanton, zum vom Grossen Rat
bewilligten Kredit zur Unterbringung und Betreuung von unbegleiteten
minderjährigen Asylsuchenden.
http://www.bernerzeitung.ch/region/kanton-bern/bei-den-uma-zu-sparen-ist-kurzsichtig/story/18496398

+++AARGAU
Asylbetreuer in der Kritik: «Es geht nicht um Rassismus, es fehlt
qualifiziertes Personal»
Das zuständige Departement von Susanne Hochuli hat einen
Rassismus-Vorwurf gegen Asylbewerber intern untersuchen lassen.
Patrizia Bertschi vom Verein Netzwerk Asyl bestätigt den rauhen
Umgangston, sieht das Grundproblem der Asylbetreuung aber an einem
anderen Ort.
http://www.aargauerzeitung.ch/aargau/kanton-aargau/es-geht-nicht-um-rassismus-es-fehlt-qualifiziertes-personal-130627403
->
https://www.woz.ch/1640/aargau/rassismus-im-departement-der-gruenen-regierungsraetin-hochuli

+++SOLOTHURN
«Mit Gastfamilien soll die Integration vereinfacht und beschleunigt werden»
Einige Solothurner Gastfamilien haben bereits Asylsuchende bei sich
aufgenommen. Stefan Frey, Mediensprecher der Schweizerischen
Flüchtlingshilfe, erläutert das Pilotprojekt. Er weiss, worauf es
ankommt.
http://www.solothurnerzeitung.ch/solothurn/kanton-solothurn/mit-gastfamilien-soll-die-integration-vereinfacht-und-beschleunigt-werden-130627933

+++THURGAU
«So gelingt die Integration nicht»
Die Ernst Fischer AG hat einen anerkannten Flüchtling als Lehrling
angestellt. Mitinhaberin Diana Gutjahr fühlt sich allein mit ihm
gelassen – und sogar vom Staat gegängelt.
http://www.tagblatt.ch/ostschweiz/thurgau/arbon/tz-ro/So-gelingt-die-Integration-nicht;art123832,4780948

+++ZÜRICH
Mario Fehrs Spiel mit dem Widerspruch
Der Zürcher Sicherheitsdirektor und SP-Regierungsrat stimmt in einer
Carte Blanche zum Loblied auf christliche Werte an. Noch schöner wäre,
wenn er in seiner Politik gleich selber für diese Werte einstehen
würde. Ein Kommentar.
http://papierlosezeitung.ch/artikel/mario-fehrs-spiel-mit-dem-widerspruch

Solidarität mit der Familie B – R
https://www.openpetition.eu/ch/petition/online/solidaritaet-mit-der-familie-b-r
Während viele Debatten über Migration in der Öffentlichkeit geführt
werden, finden viele Geschichten und Einzelschicksale den Weg an diese
Öffentlichkeit nicht. Es sind vor allem Ausschaffungen von
geflüchteten Personen. Das revidierte Asylgesetz führt mit dem
Dublin-Abkommen zu schnelleren und härteren Ausweisungsentscheiden der
zuständigen Behörden und Gerichte. Formal sind die entsprechenden
‚Fälle‘ somit meist rechtmässig; menschlich aber i.d.R. eine
Katastrophe und rechtspolitisch ein Abschieben der Verantwortung.

Wir sammeln heute untschriften für die Familie B-R mit ihren vier
Kindern, wovon ein drei Monate altes Baby, welches hier in der Schweiz
zu Welt kam. Zuerst kommt die Familie aus Afghanistan in einer Odyssee
über Russland und Norwegen und dann mit Schleppern über Dänemark und
Deutschland in die Schweiz, wo sie Ende Mai in Basel um Asyl
nachsuchen. Das Bundesverwaltungsgericht sanktionierte im
Schnellverfahren am 16. August die vom zuständigen Migrationsamt Zug
entschiedenen Wegweisung, nachdem sich Norwegen zu einem
‚Wiederaufnahmegesuch‘ der zuvor ausgewiesenen Familie verpflichtet
hatte. Im Oktober soll nun die 6-köpfige mittellose Familie B – R
wieder nach Oslo ausgeflogen werden, von wo sie dann offenbar
‚rechtmässig‘ nach Kabul (Afghanistan) ausgeschafft werden.
Begründung:

Die Familie befand sich am 4. Oktober gemeinsam mit den Kinder in der
Strafanstalt in Zug. Da sich die Familie gegen die Abschiebung gewehrt
hat, konnte diese nicht vollzogen werden. Brutal und vor den Augen der
Kinder wurde die Familie getrennt und die Eltern in Hanschellen
abgeführt. Diese Kinder haben dieses Jahr schon genug durchgemacht,
geben wir ihnen unsere Stimme und ein Recht auf Schutz.

Zuzeit befindet sich die 33 jährige Mutter und das Baby in
Abschiebehaft Flughafen Kloten. Der 35 jährige Vater in der
Strafanstalt in Zug und die Kinder 3, 6 und 8 jährig wurden
Fremdplatziert. Jeglicher Kontakt zwischen Mutter und Kinder wurde im
Moment verweigert.

Deren gesamte Familie und Verwandtschaft befinden sich hier in der
Schweiz, sind integriert und gehen einer Arbeit nach. Daher bitten wir
(Familie und Freunde), die verantwortliche Behörde sich für die
Familie B – R einzusetzten und gemäss Artikel 3 Absatz 2 Dublin II
Verordnung, vom Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen.

Im Namen aller Unterzeichner/innen.

Fribourg, 08.10.2016 (aktiv bis 14.10.2016)

+++SCHWEIZ
Traumatisierte Flüchtlinge in der Schweiz kämpfen sich zurück ins
Leben: Wenn Kinder nur noch Krieg zeichnen
Tausende Flüchtlinge aus Syrien erhielten in der Schweiz Asyl. Viele
von ihnen sind vom Bürgerkrieg in ihrem Land traumatisiert und
bräuchten Hilfe.
http://www.blick.ch/news/schweiz/traumatisierte-fluechtlinge-in-der-schweiz-kaempfen-sich-zurueck-ins-leben-wenn-kinder-nur-noch-krieg-zeichnen-id5555706.html

+++ITALIEN
Flüchtlinge Junge Afrikanerin in Tunnel nahe Ventimiglia überfahren
Rom – Bei einem Versuch, die italienisch-französische Grenze zu
überqueren, ist eine 17-jährige Afrikanerin nahe der Kleinstadt
Ventimiglia ums Leben gekommen. Das Mädchen, in einem Tunnel auf der
Autobahn A10 zu Fuss unterwegs war, wurde von einem Lastwagen erfasst.
http://www.blick.ch/news/ausland/fluechtlinge-junge-afrikanerin-in-tunnel-nahe-ventimiglia-ueberfahren-id5581391.html
->
http://derstandard.at/2000045579769/Junge-Afrikanerin-in-Tunnel-nahe-Ventimiglia-ueberfahren?dst=t.co

+++GRIECHENLAND
Griechenland: Feuer in Flüchtlingsunterkünften auf Insel Chios
Bei einem Brand auf Chios sind mehrere Flüchtlingsunterkünfte zerstört
worden. Die Situation auf den Inseln der Ägäis ist desolat. Bei einem
Krisentreffen in Athen wurde jetzt ein Aktionsplan aufgestellt.
http://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/griechenland-feuer-in-fluechtlingsunterkuenften-auf-insel-chios-a-1115761.html

Flüchtlinge in Griechenland
In Lesbos soll wieder mal alles besser werden
Die Behörden sind überfordert, der Tourismus fast tot: In Lesbos gibt
es immer mehr Proteste gegen die Flüchtlingssituation. Ein neuer
Maßnahmenplan soll die Krise entschärfen. Ärger droht derweil an einer
anderen Front.
http://www.handelsblatt.com/politik/international/fluechtlinge-in-griechenland-in-lesbos-soll-wieder-mal-alles-besser-werden/14659628.html?nlayer=Politik-News_11247984

+++BALKANROUTE
„Es werden jegliche humanitäre Standards gebrochen“
Markus Koth, Koordinator für Südosteuropa der Diakonie
Katastrophenhilfe in Athen, über die humanitär schwierige Situation
der Flüchtlinge auf ihren Weg in die EU.
http://www.handelsblatt.com/politik/international/fluechtlinge-es-werden-jegliche-humanitaere-standards-gebrochen/14652324.html

Freedom for Ahmed and the Röszke11!
Support the international solidarity campaign!
More info: freetheroszke11.weebly.com
Contact: freetheroszke11@riseup.net

+++EUROPA
Mahnung aus Brüssel „Dann muss Merkel schauen, wie sie das Geld
zusammenbekommt“
Die Kanzlerin preist ihren Türkei-Deal als Vorbild für
Flüchtlingsabkommen mit Ägypten und Co. Das gefällt der EU-Kommission
nach SPIEGEL-Informationen gar nicht.
http://www.spiegel.de/politik/ausland/angela-merkel-soll-nicht-mit-tuerkei-deal-werben-a-1115662.html

Frontex-Chef Leggeri“Schutzbedürftige werden nicht von Europa ferngehalten“
Das Ziel der erweiterten Grenzschutzagentur Frontex besteht nach den
Worten ihres Direktors Fabrice Leggeri darin, die Freizügigkeit im
Schengen-Raum wieder herzustellen. Leggeri sagte im DLF, man wolle
keine Festung Europa aufbauen. Die EU brauche aber mehr legale Wege
der Einwanderung.
http://www.deutschlandfunk.de/frontex-chef-leggeri-schutzbeduerftige-werden-nicht-von.694.de.html?dram:article_id=367929

+++AFRIKA
Merkels Afrikareise: Erweiterte Nachbarschaft
Angela Merkel reist für drei Tage in afrikanische Transitländer für
Flüchtlinge. Aus den Motiven macht sie kein Geheimnis: deutsche und
EU-Interessen.
http://taz.de/Merkels-Afrikareise/!5341275/

+++SVP
Anzeige gegen Glarner wird eingestellt
Die Aargauer Staatsanwaltschaft geht nicht weiter auf die Strafanzeige
gegen Andreas Glarner ein.
http://www.telem1.ch/35-show-aktuell/12634-episode-samstag-8-oktober-2016#anzeige-gegen-glarner-wird-eingestellt

+++FREIRÄUME
Hochgekocht
Die Lärmklagen über das besetzte Koch-Areal stammen fast alle von den
gleichen fünf Personen.
http://www.schweizamsonntag.ch/ressort/zuerich/hochgekocht/

In der Nacht auf heute bezogen rund ein Dutzend Personen ein leer
stehendes Haus im Seefeld. Die ausgerückten Polizisten konnten die
Besetzer am Morgen wieder zum Ausziehen bewegen.
http://www.telezueri.ch/62-show-zuerinews/12632-episode-samstag-8-oktober-2016#kloten-im-fokus-der-weltpresse

+++KNAST
Erhängt im «Waaghof»: 40-jähriger Häftling tot in Zelle aufgefunden
Ein Häftling des Basler Untersuchungsgefängnisses Waaghof ist am
Samstagnachmittag tot in seiner Zelle aufgefunden worden. Der
40-jährige Mann aus dem Kosovo hatte sich erhängt, wie die
Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt am Abend mitteilte.
http://www.basellandschaftlichezeitung.ch/basel/basel-stadt/erhaengt-im-waaghof-40-jaehriger-haeftling-tot-in-zelle-aufgefunden-130630206
-> http://bazonline.ch/basel/stadt/toter-haeftling-in-waaghof/story/14556257
->
http://www.stawa.bs.ch/news/2016-10-08-todesfall-im-untersuchungsgefaengnis-waaghof081020161815.html

+++POLICE DE
Polizeigewerkschaft will Taser an Politikern testen
Die Deutsche Polizeigewerkschaft Berlin sucht nach „Testpiloten“, an
denen man Taser ausprobieren sollte. Zur Auswahl stehen Politiker.
http://www.morgenpost.de/berlin/article208375931/Polizeigewerkschaft-will-Taser-an-Politikern-testen.html?__pwh=Hx5kOv55izylURhrp+NZhg%3D%3D

spiegel.de 08.10.2016

Sicherheit
„Auf gute Zusammenarbeit“

Nicht nur in Sachsen fallen Polizisten durch ihre Nähe zu Populisten
auf. Woher kommt ihre Sympathie für rechte Ideen?

Von Markus Deggerich, Ludwig Krause, Andreas Ulrich und Steffen Winter

Im Januar hielt die sächsische Polizei ein Auto an. Der Fahrer und
seine Begleiter waren offenbar auf dem Weg zu einer Demonstration von
Linksextremen in Leipzig.

Es war ein Routineeinsatz, von dem die Öffentlichkeit normalerweise
nichts erfahren hätte. Doch wenig später machten die NPD und der
Leipziger Pegida-Ableger die Kontrolle publik – inklusive
Polizeiprotokoll mit den persönlichen Daten der Demonstranten. So war
zu erfahren, dass Insassen des Wagens als „linksmotivierte Straftäter“
bekannt seien. Auch, dass man unter anderem eine Schutzweste,
Reizstoffsprühdosen, einen Schlagstock und eine Gasdruckpistole
gefunden habe. Offensichtlich war das Protokoll von einem
Polizeibildschirm abfotografiert und dann im Internet geteilt worden.

Wie kam das Foto in die Hände der Neonazis? Bestehen in der Polizei
Verbindungen zum rechten Rand der Gesellschaft? Gibt es Wohlwollen
deutscher Polizisten für Pegida, AfD & Co?

Seit den Einheitsfeiern in Dresden am vorigen Montag stellen sich
diese Fragen erneut. Polizisten schauten interessiert zu, wie die
Spitzen des deutschen Staates ein weiteres Mal bepöbelt wurden. Ein
junger Sicherheitsbeamter aus Niedersachsen wünschte den Anhängern von
Pegida übers Mikrofon noch „einen erfolgreichen Tag“.

Politisch ist die Polizei zur Neutralität verpflichtet. Eine Vorgabe,
der sie bei Demonstrationen täglich irgendwo in Deutschland zu genügen
hat; meistens ohne Beanstandungen. Doch mit dem Aufkommen neuer
rechtspopulistischer Bewegungen nehmen Beschwerden zu, Beamte
sympathisierten mit den Rechten.

In Dresden kommt diese Kritik sogar von ganz oben. Sachsens
stellvertretender Regierungschef und Wirtschaftsminister Martin Dulig
(SPD) zweifelte bereits Anfang des Jahres an der heimischen Polizei.
Er frage sich, „ob die Sympathien für Pegida und AfD innerhalb der
sächsischen Polizei größer sind als im Bevölkerungsdurchschnitt“.

Beispiele für diese Nähe finden sich nicht nur in Sachsen, wie eine
zufällige Auswahl von Vorfällen zeigt.

So tauchte Ende 2015 in Thüringen ein Foto auf, das einen
Polizeieinsatz auf der Demonstration des rechtsextremen „Bündnis
Zukunft Landkreis Gotha“ zeigte. Zu sehen war der Schlagstock eines
Polizisten mit dem Aufkleber: „Bitte flüchten Sie weiter! Es gibt hier
nichts zu wohnen! Refugees not welcome!“

Andere thüringische Polizeibeamte, diesmal in Jena, ließen in ihrem
Einsatzwagen demonstrativ eine Ausgabe des rechtspopulistischen,
islamfeindlichen Magazins „Compact“ hinter der Frontscheibe liegen;
auf dem Titelbild prangte die AfD-Vorsitzende Frauke Petry.

Im brandenburgischen Schwedt wiederum sollen zwei Beamte einer Streife
gehört haben, wie junge Männer auf der Straße „Heil Hitler!“ riefen.
Die Personalien der Rechtsextremen wurden nicht aufgenommen. Die
Staatsanwaltschaft ermittelte gegen die beiden Polizisten wegen
Strafvereitelung im Amt, es kam zur Anklage gegen einen der
einschlägig bekannten Beamten.

In Nordrhein-Westfalen fielen Polizisten auf, als sie nach einem
Brandanschlag auf ein Flüchtlingshaus in Altena bei Hagen ermittelten.
Die Beamten vermochten bei den festgenommenen Tätern kein
rassistisches Motiv zu erkennen, die beiden Männer hätten aus
„Besorgnis“ gehandelt. Opferanwälte kamen zu einem anderen Ergebnis:
Sie fanden Hakenkreuz-Fotos und Hitler-Bilder auf den Handys der
Beschuldigten. „Die Ermittlungsbehörden haben sich erneut als auf dem
rechten Auge blind erwiesen“, kritisiert der linke Landtagsabgeordnete
Daniel Schwerd.

Nirgendwo jedoch polarisiert die Polizei zurzeit wie in Sachsen.
Pegida-Anführer Lutz Bachmann prahlte dort mehrfach, er werde –
natürlich anonym – mit internen Unterlagen der Polizei gefüttert. Vor
allem dann, wenn es um kriminelle Ausländer gehe: „Gut, die richtigen
Freunde und Unterstützer zu haben.“

Mal veröffentlicht Bachmann auf Facebook Interna aus der
Polizeidirektion Dresden, mal brüstet er sich bei einem Sexualdelikt
(„Tatverdächtiger kam von hinten, hat sie genommen und ins Gebüsch
gezogen“) damit, „immer aktuell, Faxe/Mails zu bekommen“. Bei anderer
Gelegenheit postet der Pegida-Gründer eine Anzeige gegen vier
„Asylbegehrende“, gegen die wegen Diebstahls ermittelt wird.

Die Polizei eröffnete zwar ein Ermittlungsverfahren wegen Verstoßes
gegen das Datenschutzgesetz. Bachmanns Quelle konnte allerdings nie
identifiziert werden.

Frank Tempel ist selbst Polizeibeamter, inzwischen sitzt er für die
Linke im Bundestag. „Die Polizei ist ein Spiegelbild der Gesellschaft,
auch was die Sympathien für Pegida und die AfD angeht“, sagt er.
„Sachsen ist ein Musterbeispiel dafür.“ Lange Zeit sei dort mindestens
weggesehen worden. „Die Politik hat es jahrelang vorgelebt“, sagt er.
So habe Kurt Biedenkopf, Ministerpräsident von 1990 bis 2002, einst
den Satz geprägt, Sachsen sei „völlig immun“ gegen rechts.

Monatelang hat Tempel früher als Polizist Straftaten durch Ausländer
bearbeitet. Er kann deshalb verstehen, dass die Ermittlungsarbeit die
Weltsicht eines Beamten prägen kann. „Wenn man immer nur mit
kriminellen Ausländern zu tun hat, kann sich der Blick irgendwann
verzerren“, sagt er.

Manche Beamte meinen, ihnen drohe von Rechtsextremisten seltener
Gefahr. Hans-Jürgen Lange, Präsident der Hochschule der Polizei im
nordrhein-westfälischen Münster, weiß aus vielen Gesprächen, dass sie
Linksextremen deutlich kritischer gegenüberstehen: „Ich höre von
Polizisten, dass sie bei Autonomen immer damit rechnen müssen, mit
gefährlichen Wurfgeschossen attackiert zu werden, was bei Rechten
nicht der Fall ist.“ Das präge deren Verhalten im Einsatz.

Viele Beamte wüssten zu wenig über gesellschaftliche Phänomene, sagt
Lange. So könne etwa bei der Bundespolizei, die seit über einem Jahr
an der deutschen Grenze mit der Registrierung von Zuwanderern
beschäftigt ist, „Unmut gegen diejenigen aufkommen, die vermeintlich
die Ursache sind“ – also die Flüchtlinge.

Tatsächlich gibt es bei der Bundespolizei durch alle Dienstgrade bis
in die Spitze hinauf Vorbehalte gegen die Flüchtlingspolitik von
Kanzlerin Angela Merkel. Viele Beamte hätten im September vergangenen
Jahres lieber die Grenze zu Österreich geschlossen, als Flüchtlingen
das Gepäck zum Bus zu tragen und dabei zu helfen, ihre Verteilung im
Bundesgebiet zu organisieren.

Den Einsatzbefehl zur Grenzschließung hatte Bundespolizeipräsident
Dieter Romann im September 2015 bereits geschrieben, doch in letzter
Sekunde entschied Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) dagegen.

Aber lässt sich damit erklären, dass die Aufklärungsquote von schwerer
und besonders schwerer Brandstiftung laut Polizei im Jahr 2015 bei
über 50 Prozent liegt – die von lebensgefährlichen Anschlägen auf
Flüchtlingsunterkünfte jedoch nicht einmal halb so hoch ist? Die
SPD-Bundestagsabgeordnete Eva Högl sieht einen „institutionellen
Rassismus“ in Teilen der Polizei: Die Ablehnung von Flüchtlingen sei
dort „weit verbreitet“.

Indizien dafür lassen sich unter anderem bei der Deutschen
Polizeigewerkschaft (DPolG) finden. Deren bayerischer Landesverband
brachte 2012 einen Kalender heraus. Eine Zeichnung zeigt einen
festgenommenen Schwarzafrikaner in einer Polizeiwache, der „ … was
heiß‘ hie‘ Ve’dunklungsgefah’ … ?!“ brüllt. Auf einem anderen Bild
werden die Weisen aus dem Morgenland als hakennasige Araber
dargestellt, deren Kamele in eine deutsche Grünanlage koten.
Gewerkschaftschef Rainer Wendt fand nichts dabei; im Kalender werde in
„humoristischer Weise der Sprachgebrauch und Alltag von Polizisten
karikiert“. Die Nachfrage sei groß.

Wissenschaftler wie Martin Winter von der Martin-Luther-Universität
Halle-Wittenberg haben das Phänomen schon vor Langem beschrieben. In
einer Untersuchung über „Macht und Funktion der Polizei“ hat sich
Winter in den Neunzigerjahren mit der Zeitschrift „Polizeispiegel“
beschäftigt. Dort sei bis zu den Krawallen in Rostock-Lichtenhagen
1992 das „Horrorszenario einer von Flüchtlingen überfluteten Republik
an die Wand gemalt und Verständnis für Aktionen der fremdenfeindlichen
Jugendlichen und die Anwohner von Ausländerheimen“ geäußert worden.

Berührungsängste mit der AfD gibt es offenbar nicht mal an der Spitze
der DPolG. Ihr Chef Wendt, dessen flüchtlingskritisches Buch
„Deutschland in Gefahr“ die Bestsellerlisten stürmte, stattete der
sächsischen AfD-Fraktion im Juni sogar einen offiziellen Besuch ab.

„Wir freuen uns auf eine gute Zusammenarbeit“, meldete der
AfD-Abgeordnete Carsten Hütter anschließend stolz. Seine Fraktion
veröffentlichte ein fröhliches Gruppenfoto mit Parteichefin Frauke
Petry und Wendt. Nach dem Demo-Debakel am Tag der Deutschen Einheit
zeigte sich Hütter zufrieden: „Es hat sich schon lange
herumgesprochen, wie groß der Unterstützerkreis aus den Reihen der
Polizei auch für unsere AfD ist.“
http://www.spiegel.de/spiegel/polizisten-und-ihre-naehe-zu-populisten-a-1115723.html

+++POLICE ZH
Protokoll einer eskalierten Polizeiaktion
Eine Polizeikontrolle am Bahnhof mündete in eine Kaskade der Gewalt.
Drei Polizisten wurden gestern freigesprochen, ein arbeitsloser
Lagerist wegen Gewalt und Drohung gegen Beamte verurteilt. Ein Fall
mit Fragezeichen.
http://www.landbote.ch/winterthur/standard/protokoll-einer-eskalierten-polizeiaktion/story/28723267