Asylstatistiken und das Statistendasein der Geflüchteten

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Die Verschleppungsstatistik des SEM 2016

Ein antirassistischer Blick auf die Asylstatistik 2016 des Staatssekretariats für Migration (SEM)

Beitrag der antira.org Redaktion

Grundsätzlich könnte das quantitative Erfassen von Flucht, Leid und menschlichen Tragödien in Frage gestellt werden. Denn es grenzt beinahe an Zynismus, mit welcher Hingabe das SEM die Menge an Zahlen aufbereitet. So heisst es etwa, mit „181`450 gelandeten Migrantinnen und Migranten im zentralen Mittelmeerraum“ sei 2016 ein neuer Höchstwert erreicht worden. Über diejenigen, die im Mittelmeer ertrunken sind, wird kein Tastaturschlag verloren. Das UNHCR vermeldet bereits im Oktober 2016 mit 3`930 ein neuer Höchstwert an toten und im Mittelmeer vermissten Geflüchteten. Wie viel Geld wurde in die Abwehr der geflüchteten Menschen investiert? Auch nach dieser Zahl wird in der Asylstatistik 2016 vergebens gesucht.

Rückgang der Asylgesuche in der Schweiz

Im Vergleich zum Vorjahr gingen die Asylgesuche 2016 um 31,2% zurück. Insgesamt wurden 27`207 Gesuch gestellt. Weshalb sind diese Zahlen so wichtig? Die „offizielle“ Schweiz will (u.a. auf Druck der SVP) mit ihrer Asylpolitik die Anzahl der Asylgesuche möglichst gering halten. Steigen die Asylgesuche, werden die Asylgesetze unter dem Vorwand der Missbrauchsbekämpfung verschärft. Weniger anerkannte Geflüchtete und nicht zuletzt Abschreckung sind die Ziele der Verschärfungen. Das SEM gibt den „Unterbruch der sogenannten Balkanroute“ als Grund für den Rückgang an. Damit bestätigt es, dass die „hohe Zahl an zahlreichen Krisenherde und Konflikte im Nahen Osten und auf dem afrikanischen Kontinent“ zwar fortbestehen, den Menschen aber der Fluchtweg abgeschnitten wurde.

Herkunftsländer der Geflüchteten

Gerade der Rückgang von Asylgesuchen von Menschen aus Afghanistan (3`229 Asylgesuche 2016), Syrien (2`144) und Irak (1`312) sind Folge der Schliessung der Balkanroute. Die meisten Gesuche kamen von Menschen aus Eritrea: 5`178 Menschen haben in der Schweiz ein Asylgesuch eingereicht, 4788 weniger als im Vorjahr. Dies sei darauf zurückzuführen, dass die Zahl der Menschen aus Eritrea, die in Süditalien ankamen, im Vergleich zum Vorjahr um die Hälfte zurückging. Haben sich die Lebensbedingungen in Eritrea um die Hälfte verbessert? Die Antwort liegt wohl eher beim statistisch Totgeschwiegenen: Die von Europa finanzierten Grenzwächter und menschenverachtenden Flüchtlingscamps überall in Nordafrika werden mit keinem Wort erwähnt. Auch die Mittelmeertoten werden nicht erwähnt.

Verschleppungen & erstinstanzliche Erledigung von Asylgesuchen

Das SEM rühmt sich selber: 2016 wurden 31`299 Asylgesuche erstinstanzlich „erledigt“, das seien 3181 mehr als im Vorjahr. Die Schutzquote (Anteil Asylgewährung plus vorläufige Aufnahmen aufgrund erstinstanzliche Entscheide) beträgt 48,7% (2015: 53,1%). Hier stellt sich die Frage, ob nicht der Übereifer der erstinstanzlichen Erledigung der Asylgesuche zu einer tieferen Schutzquote geführt hat.
Wer von der Schweiz nicht „geschützt“ wird, darf entweder „freiwillig“ das Land verlassen, wie es 2016 2`532 Menschen taten, oder wird von der Schweiz in seinen „Heimatstaat“ oder in einen Drittstaat verschleppt (SEM-Jargon: „Rückführung“; siehe auch das Kuchendiagramm). Es handelt sich hierbei um 3`779 Menschen. 2`760 weitere Menschen erlitten dasselbe Schicksal, das Zielland war jedoch ein Dublin-Staat. Um 67,3% (!) hat die Zahl der „unkontrollierten“ Abreisen zugenommen (2016: 8`943).

Internationale Solidarität Marke Schweiz

Seit der Einführung des UNHCR-Programms zur Neuansiedlung (Resettlement) von Flüchtlingen im August 2015 haben insgesamt 968 „besonders verletzliche Personen aus Syrien (oder Nachbarländer) mit Flüchtlingsstatus“ in der Schweiz Schutz gefunden, davon 621 im Jahr 2016.
Demgegenüber hat die Schweiz seit der Einführung des europäischen Programms zur Umverteilung von Flüchtlingen (Relocation) im März 2016 insgesamt 368 Personen aufgenommen (340 aus Italien, 28 aus Griechenland).
Im Verhältnis zu den „181`450 gelandeten Migrantinnen und Migranten im zentralen Mittelmeerraum“ sprechen die Zahlen für einmal für sich.